Wanderungen durch die Mark Brandenburg
und bewegte sich
dahin zurück, von wo er gekommen war – nach dem
Amte. Im Dorfe mittlerweile wimmelte es von Käu-
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fern und Verkäufern; innerhalb der eigentlichen
Straße zog sich noch eine Budenstraße, und inmitten
dieses Gedränges, Einkäufe und Geschenke ma-
chend, gewahrte man die hohen Gestalten des kö-
niglichen Paares.«
Diese Erntefeste, die bald einen Ruf gewannen,
machten das stille Paretz zu einem Wallfahrtsort für
nah und fern. Jeder Besucher hatte Zutritt, König
und Königin ließen sich die Fremden vorstellen, äu-
ßerten ihre Freude über zahlreichen Zuspruch und
baten: »übers Jahr wieder unter den Gästen zu
sein«. Es waren wirkliche Volksfeste, und wohl
mochte der General von Köckritz damals schreiben:
»Ich habe in Paretz wieder allerfroheste Tage ver-
lebt. Wir haben uns ungemein divertiert und alles
Angenehme des Landlebens in ganzer Fülle genos-
sen, wobei die Jagd und Wasserfahrt die Hauptbelus-
tigung waren. Ein besonderer Festtag aber war das
Erntefest. Die Königin mischte sich in die lustigen
Tänze. Hier war Freiheit und Gleichheit; ich selbst,
trotz meiner fünfundfünfzig Jahre, tanzte mit.«1)
Im Sommer 1805 hielten sich der König und die Kö-
nigin länger in Paretz auf als gewöhnlich. Wie in ei-
nem Vorgefühl kommender Stürme genossen sie das
Glück, das dieser stille Hafen bot, noch einmal in
vollen Zügen. Man blieb bis zum 15. Oktober, dem
Geburtstage des nunmehr zehnjährigen Kronprinzen.
Er empfing, nach der Sitte des königlichen Hauses,
den Degen und die Offiziersuniform und trat in die
Armee. Die Königin sprach ermahnende Worte. Dann
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schied sie von ihrem lieben Paretz, das sie nur noch
einmal auf wenige Stunden wiedersehen sollte.
Paretz 20. Mai 1810
Im Spätsommer des nächsten Jahres (1806) standen
bereits die großen Wetter über Thron und Land; am
14. Oktober wurde das alte Preußen begraben; der
folgende Tag war der Geburtstag des Kronprinzen –
keinen unglücklicheren hat er erlebt. Der Hof ging
nach Königsberg; erst im Jahre 1809 kehrte das
durch Jahre der Prüfung gegangene Königspaar nach
Berlin zurück.
Der Winter verging, der schöne Frühling des Jah-
res 1810 kam; die Königin empfand eine tiefe Sehn-
sucht, ihr geliebtes Paretz wiederzusehen. Wir finden
darüber folgendes: »Am 20. Mai fuhr sie allein mit
ihrem Gemahl dorthin – es sollte nach Gottes
Ratschluß das letzte Mal sein! Erinnerungsvoll be-
grüßten sie die alten, traulichen Stätten, die sie so
oft in glücklichen Tagen mit Freud und Wonne gese-
hen; nicht trennen konnte und wollte sie sich von
jener Anhöhe im Park, die das Rohrhaus trägt und
die an jenem Tage eine weite Fernsicht über den mit
schwellenden Segeln und zahllosen Schwänen beleb-
ten Havelstrom mit seinen Buchten und Seen sowie
auf die im schönsten Maiengrün prangenden Wiesen
und Äcker bot. Zu ihren Füßen lag das friedsame
Paretz, im Grün der Bäume halb versteckt die Kirche.
Die Sonne neigte sich; tiefer und länger dehnten sich
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die Schatten über die Landschaft und mahnten zum
Aufbruch. Aber die Königin wollte so lange als mög-
lich an diesem ihrem Lieblingsorte verbleiben; sie
wartete bis zum Niedergang der Sonne und sprach
dann vor sich hin:
›Die Sonne eines Tages geht dahin;
Wer weiß,
Wie bald die Sonne unsres Lebens scheidet.‹
Auf den Wunsch der Königin, den Wagen nicht an
dem entfernter liegenden Schlosse, sondern hier an
der Landstraße besteigen zu dürfen, wodurch der
Aufenthalt verlängert wurde, war das Gefährt beim
Rohrhause angelangt. Die Königin schritt am Arm
ihres Gemahls den kurzen Gang zu Füßen der Anhö-
he hinab und durch die Parktür nach der Landstra-
ße.« Das war am 20. Mai. Am 19. Juli starb sie.
Unvergeßlich blieb dem Könige die Stätte, unvergeß-
lich das Wort, das sie hier gesprochen. Er besuchte
oft diese Stelle, doch stets allein, ohne jede Beglei-
tung. Zum Andenken ließ er hier, wo sie den Park
verlassen und den Wagen bestiegen, wo ihr Fuß zum
letzten Mal die Erde von Paretz berührt hatte, eine
gußeiserne gotische Pforte aufstellen.
Diese Pforte, wie es für solchen Platz sich ziemt, ent-
zieht sich fast dem Auge. Abgelegen an sich, an
dunkelster Stelle des Parks, birgt sich das Gittertor in dichtem Akaziengebüsch; nur der Spitzbogen ragt in
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die Helle auf und trägt ein L. und die Inschrift: »den
20. Mai 1810«.
Paretz von 1815 bis
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