Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Elbe und unterhält einen Verkehr mit
Hamburg.
Caputh – das Chicago des Schwielow-Sees – ist aber
nicht bloß die große Handelsempore dieser Gegen-
den, nicht bloß End- und Ausgangspunkt der zauche-
havelländischen Ziegeldistrikte, nein, es ist auch Stations punkt, an dem der ganze Havelverkehr vorüber muß. Der Umweg durch den Schwielow ist unvermeidlich; es gibt vorläufig nur diese eine fahrbare 2173
Straße. Eine Abkürzung des Weges durch einen
Nordkanal ist geplant, aber noch nicht ausgeführt.
So wird denn das aus eigenen Mitteln eine Kahnflotte
hinaussendende Caputh, das, wenn es sein müßte , sich selbst genügen würde, zugleich zu einem allgemeinen See- und Handelsplatz, zu einem Hafen für
die Schiffe anderer Gegenden, und die Flottillen von
Rathenow, Plaue, Brandenburg, wenn eine Havarie
sie trifft oder ein Orkan im Anzuge ist, laufen hier an und werfen Anker. Am lebendigsten aber ist es auf
der Caputher Reede, wenn irgendein großer Festtag
einfällt und alte gute Sitte die Weiterfahrt verbietet.
Das ist zumal um Pfingsten. Dann drängt alles hier
zusammen; zu beiden Seiten des »Gemündes« lie-
gen 100 Schiffe oder mehr, die Wimpel flattern, und
hoch oben vom Mast, ein entzückender Anblick, grü-
ßen hundert Maienbüsche weit in die Ferne.
Das ist die große Seite des Caputher Lebens;
daneben gibt es eine kleine. Die Männer haben den
Seefahrerleichtsinn; das in Monaten Erworbene geht
in Stunden wieder hin, und den Frauen fällt nun die
Aufgabe zu, durch Bienenfleiß und Verdienst im kleinen die Rechnung wieder ins gleiche zu bringen.
Wie wir schon sagten, es sind Gärtnerinnen; die
Pflege, die der Boden findet ist die sorglichste, und
einzelne Kulturen werden hier mit einer solchen
Meisterschaft getrieben, daß die »Caputhschen« im-
stande sind, ihren Nachbarn, den »Werderschen«,
Konkurrenz zu machen. Unter diesen Kulturen steht
die Erdbeerzucht obenan. Auch ihr kommt die Nähe
der beiden Hauptstädte zustatten, und es gibt kleine
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Leute hier, mit einem halben Morgen Gartenland, die
in drei bis vier Wochen 120 Taler für Ananaserdbee-
ren einnehmen. Dennoch bleiben es kleine Leute,
und man kann auch in Caputh wieder die Wahrneh-
mung machen, daß die feineren Kulturen es nicht
zwingen und daß fünfzig Morgen Weizacker nach wie
vor das Einfachste und das Beste bleiben. –
Unter Gesprächen, deren Inhalt ich in vorstehendem
zusammenzufassen gesucht habe, hatten wir das
Dorf nach Norden hin passiert und hielten jetzt an
einer Havelstelle, von wo aus wir über einen parkar-
tigen, grüngemusterten Garten hinweg auf das Her-
renhaus sehen konnten, einen Hochparterrebau, mit
Souterrain und zweiarmiger Freitreppe.
Dies Herrenhaus führt den Namen »Schloß«, und
trotz bescheidener Dimensionen immer noch mit
einem gewissen Recht, wenigstens seiner inneren
Einrichtung nach. Man geht in der Mark etwas ver-
schwenderisch mit diesem Namen um und hilft sich
nötigenfalls (wie beispielsweise in Tegel) durch das
Diminutivum: Schlößchen.
Schloß Caputh war in alten Zeiten Rochowisch. Im
Dreißigjährigen Kriege zerfiel es oder wurde zerstört,
und erst von 1662 an erstand hier ein neues Leben.
In diesem Jahre ging Caputh, Dorf wie Schloß, in den
Besitz des Großen Kurfürsten über und verblieb, ein
kurzes Vorspiel abgerechnet, auf das wir des weiteren zurückkommen (wir meinen die Zeit de Chiezes),
150 Jahre lang bei der Krone. Eine lange Zeit. Aber
die Zeit seines Glanzes war um so kürzer und ging 2175
wenig über ein Menschenalter hinaus. Mit dieser
Glanzepoche, unter Weglassung alles dessen, was
vorausging und was folgte, werden wir uns in nach-
stehendem zu beschäftigen haben. Auch diese vorü-
bergehende Glanzesära gliedert sich in verschiedene
Zeitabschnitte, und zwar in die Zeit des Generals
de Chieze, bis 1671, die Zeit der Kurfürstin Doro-
thea, bis 1689, und die Zeit Sophie Charlottens und
König Friedrichs I., bis 1713.
General de Chieze, von 1662 bis
1671
Der Große Kurfürst, nachdem er 1662 Schloß und
Gut Caputh erstanden, entäußerte sich, wie in der
Kürze bereits angedeutet, desselben wieder und
schenkte es »mit allen Weinbergen, Schäfereien und
Karpfenteichen« seinem Kammerjunker und Gene-
ralquartiermeister de la Chieze. Philipp de la Chieze,
dessen Familie aus Piemont stammte, war 1660 aus
schwedischem in brandenburgischen Dienst getreten.
Er war Oberingenieur, ein bedeutender
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