Wanderungen durch die Mark Brandenburg
unliebenswürdiges
Wesen mit anhören. Die Leute hatten ganz recht;
aber ich war in meinen Gedanken zu glücklich, um
an ihrem Geplauder Gefallen finden zu können.«
II
In Berlin im von Klöberschen Atelier.
Reise nach Antwerpen und London
(Von 1843 bis 1845)
Ostern 1843 traf W. Gentz, zwanzig Jahre alt, in Ber-
lin ein und begann, wie er's den Eltern zugesagt hat-
te, mit Vorlesungenhören an der Universität. Bald
indessen gab er es wieder auf und mühte sich, in ein
Maleratelier einzutreten. Dies war aber in dem da-
maligen Berlin nicht leicht, weil sich zu jener Zeit nur wenige Malerprofessoren mit privater Ausbildung von
Schülern beschäftigten und diese wenigen sich meist
nur dann dazu bereit zeigten, wenn der von ihnen
Aufzunehmende schon vorher Schüler der Akademie
gewesen war. Hierin lag die Hauptschwierigkeit für
W. Gentz, weniger darin, daß es den damaligen Ma-
lern Berlins an Lehrfähigkeit oder wohl gar an Fähig-
keiten überhaupt gefehlt hätte. Dies war nicht ei-
gentlich der Fall, eine Versicherung, die mir eine
willkommene Gelegenheit gibt, einen Blick auf die
Berliner Kunstzustände der ersten vierziger Jahre zu
werfen.
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Augenblicklich herrscht eine starke Neigung vor, das
damalige Berlin unter Friedrich Wilhelm IV. zu ver-
kleinern, nicht bloß auf politischem, sondern auch
auf literarischem und künstlerischem Gebiet. Es
stand damit keineswegs so schlimm, wie die Verklei-
nerer wahrhaben wollen, und was speziell die bilden-
den Künste betrifft, so bedarf es nur eines Durch-
blätterns alter Kataloge, um sich, ich will nicht sagen vom Gegenteil, aber doch von dem Übertriebenen in
der gegenwärtig beliebten Geringschätzung damali-
ger Kunstleistungen zu überzeugen. An der Spitze –
wenn auch längst aus der Zeit seines eigentlichen
Schaffens heraus – stand kein Geringerer als der alte
Schadow selbst, immer noch durch Blick und, wo ihn
dieser im Stich ließ, durch künstlerischen Instinkt
ausgezeichnet. Neben ihm Rauch. Beide, wenn auch
zumeist nur auf ihrem eigensten Gebiete groß, hat-
ten doch immerhin künstlerischen Allgemeineinfluß
genug, um auch auf dem Schwestergebiete der Ma-
lerei Verirrungen zurückzudrängen und Nicht-Talente
nicht überheblich werden zu lassen. Solche Nicht-
Talente mochten viele dasein, aber neben ihnen auch
Genies wie Franz Krüger (»der Paraden- oder Pferde-
Krüger«) und Blechen, der große Landschafter, der
Schöpfer des epochemachenden Bildes »Semnonen-
lager auf den Müggelbergen« – zwei Namen, die nur
genannt zu werden brauchen, um das Maler-Berlin
der vierziger Jahre nicht verächtlich erscheinen zu
lassen. Und welcher Kreis Mitstrebender um sie her!
In voller Kraft stand der ältere Meyerheim und ent-
zückte nicht bloß Berlin, sondern die gesamte deut-
sche Kunstwelt durch Bilder, die Naturwahrheit und
Anmut in sich vereinigten. Adolph Menzel, wenn auch
228
erst ein »Werdender«, begann bereits eine Gemein-
de leidenschaftlicher Anhänger um sich zu sammeln;
Eduard Hildebrandt, noch um zwei Jahre jünger als
Menzel, gab demohnerachtet bereits die Proben sei-
nes eminenten Talents, während Eduard Magnus,
dessen Jenny-Lind-Portrait (in der Nationalgalerie)
bis heute ein respektvolles Interesse weckt, ebenso
durch sein Wissen wie durch seine Kunst anregend
wirkte. Wach, der ältere Begas, Däge, von Klöber
standen, und nicht unverdient, in Ehren und Anse-
hen, und durch alle hin schritt, um ebendiese Zeit,
eine angestaunte Erscheinung, ein »Geist« – der
große Cornelius.
So stand es damals – nicht ungünstig, wie mir schei-
nen will –, und wenn trotzdem ein so Berufener wie
W. Gentz mit nur wenig Anerkennung von unserem
damaligen Kunstzustande, speziell der Malerei,
spricht, so möchte ich den Grund dafür weniger in
den schwachen Kunstleistungen als in einer schwa-
chen Kunstverwaltung suchen, in Zuständen, unter
deren Herrschaft niemand recht wußte, wer Koch
und wer Kellner war. Solche Zustände, so nehme ich
an, fand W. Gentz vor und gab nun seinem berech-
tigten Unbehagen darüber in Urteilen Ausdruck, die
wenigstens darin zu weit gingen, daß sie manches
auf dem Gebiete künstlerischen Schaffens liegende
Gute nicht genugsam würdigten. Indessen, zu hart
oder nicht, unseres W. Gentz' Urteile liegen nun mal
vor und haben schon einfach um der Tatsache willen,
daß sie Selbsterfahrenes schildern (wie wenige sind
noch da, die jene Tage
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