Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Gelegenheit, die moderne Male-
rei der Engländer näher kennenzulernen. Das Kolorit
Turnerscher Bilder fesselte mich am meisten. Erst
1855, auf der Pariser Weltausstellung, bekam ich
großen Respekt vor der naiven und charakteristi-
schen Naturauffassung der Engländer. Die englische
Abteilung wurde denn auch von den Franzosen als
die originellste sämtlicher Völker angesehen.«
232
III
ErsterAufenthalt in Paris. Reise nach Spanien und
Marokko(1847).
Reise nach Ägypten und Nubien (1850). Etablierung
in Paris
(Von 1845 bis 1857)
Der Aufenthalt W. Gentz' in Antwerpen hatte neun
Monate gewährt; von Antwerpen ging er nach Paris,
wo er im Herbst 1845 eintraf, um daselbst, wenn
auch mit manchen Unterbrechungen von nicht unbe-
trächtlicher Dauer, bis 1857 zu verbleiben.
Ich gebe, bevor ich ihn selbst wieder redend einfüh-
re, zuvor eine diese Gesamtzeit von zwölf Jahren
umfassende Skizze.
W. Gentz trat, als er nach Paris kam, zunächst als
Schüler in ein Meisteratelier ein, in dem er von 1845
bis zum Frühjahr 1847 verblieb. Zugleich war er im
Louvre viel mit dem Kopieren alter Bilder, besonders
aus der spanischen Schule, beschäftigt, was schließ-
lich Veranlassung für ihn wurde, nach Spanien, und
zwar über Bordeaux nach Madrid, zu gehen, um hier
die Velázquez und Ribera an der Quelle zu studieren.
Einmal in Madrid, mußten Sevilla, Cádiz, Gibraltar
folgen, woran sich dann – die Sehnsucht, Afrika zu
sehen, war groß – Tanger und Marokko wie selbst-
verständlich anreihten. Ein an Abenteuern reicher
Ausflug, über den er selbst (siehe den Verfolg dieses
Kapitels) in höchst anziehender Weise berichtet hat;
aber auch über die achtzehn Monate in Paris, die
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voraufgingen. Und so geben wir ihm über ebendiesen
Pariser Aufenthalt, wie dann später über die spa-
nisch-marokkanische Reise, hier wieder das Wort.
»... Als ich nach Paris kam, standen sich zwei Rich-
tungen in der Malerei schroff gegenüber, die klassi-
sche und die romantische; die der dessinateurs und
die der coloristes, wie sie sich selbst nannten. Erst
später bildete sich die Schule der Realisten unter
Führung von Courbet. Ingres, der letzte große Schü-
ler von David, wurde als ›grand homme‹ verehrt; er
galt den französischen Künstlern als größter Maler
seiner Zeit. In Deutschland fand er wenig Anerken-
nung. Populär war er auch in Frankreich nicht. Seine
Kunst ist die Kunst für die Kunst, nicht fürs Volk,
ganz so wie bei Cornelius. Ingres ist aber doch bei
uns unterschätzt worden; sein Können war bedeu-
tend. Eugen Delacroix, der größte Kolorist der Fran-
zosen (wie um vieles später bei uns Makart), war
den Deutschen durch die große Vernachlässigung der
Zeichnung auch nicht allzu sympathisch, jedoch im-
mer noch mehr als Ingres, weil sie bei diesem den
Mangel koloristischen Sinnes fühlten. Delacroix ist
Geistesverwandter von Byron und Victor Hugo. Zwi-
schen ihnen stand Horace Vernet und Paul Delaro-
che, der eigentliche Gründer der modernen Ge-
schichtsmalerei. Beide verdienten ihre Popularität
auch bei uns. Namentlich hat Paul Delaroche einen
großen Einfluß auf die deutschen Maler gehabt. Er
stand der Ingresschen Richtung näher, Horace Ver-
net mehr der des Delacroix.
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Die Franzosen sind sehr launisch mit ihren Gunstbe-
zeigungen, und die Mode, wenn man das Wort auch
auf die Kunst anwenden darf, wechselt bei ihnen
sehr schnell. Vernet und Delaroche galten bei meiner
Ankunft in Paris schon als abgetan. Da mir eigentlich
der geschichtliche Sinn abgeht, so lag mir
P. Delaroche ferner. An Horace Vernet interessierte
mich das orientalische Element in seinen Bildern und
die Anwendung desselben auf biblische Darstellun-
gen. Am meisten war ich berauscht vorn Kolorit des
Delacroix. Ich sage absichtlich ›berauscht‹, da ich
mir selbst keine Rechenschaft darüber zu geben
wußte. Delacroix hat sehr wenig Schüler gebildet und
besaß auch kein Schüleratelier. Das bedeutendste
und am zahlreichsten besuchte Atelier hatte Delaro-
che, welches Atelier, als ich nach Paris kam, an Dela-
roches Stelle, der es aufgegeben, Gleyre übernom-
men hatte. Einige Jahre darauf besuchte ich auch
das Couture-Atelier. Bei Gleyre glaubte ich mich in
der Zeichnung befestigen zu können; Couture war
mehr Kolorist. Durch seine ›Décadence des Romains‹
hatte dieser letztere großes Aufsehen gemacht und
einen bedeutenden Zufluß von Schülern
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