Wanderungen durch die Mark Brandenburg
erhalten,
besonders auch von Deutschen, Feuerbach und Hen-
neberg unter ihnen. Gleyre, ein Schweizer aus Genf,
war ein nobler Charakter, hoch und klassisch gebil-
det, verkehrte viel mit Schriftstellern, war uneigen-
nützig, ließ sich von den Schülern nur seine Auslagen
an Miete, Heizung und Modellen bezahlen. Sein Hori-
zont war ein weiterer wie der von Couture, der mit
Vorliebe von der ›art parisien‹ sprach. Coutures Rö-
mer waren Pariser. Jeder lernte bei ihm schnell. Aber
seine Lehre war ein Rezept, ein Schema. Man mußte
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sich später dessen wieder zu entledigen suchen; in
der Tat, er war hauptsächlich Techniker, und Gleyre
sagte von ihm, freilich zu weit gehend, ›daß er nur
die cuisine de la peinture verstünde‹. Coutures Ideal
in der Malerei war Paul Veronese. Im Exterieur hatte
Couture große Ähnlichkeit mit Gussow. Wenn heute,
nachdem die von Courbet geführten Realisten eine
große Wandlung herbeigeführt haben, ganz andere
Richtungen maßgebend geworden sind, wenn die
Impressionisten und Pleinairisten einerseits und die
Cabinetsmaler mit minutiösester Ausführung, von
Meissonier ausgehend, andererseits den Tag beherr-
schen, so haben doch die Hauptwerke Gleyres und
Coutures eine Stelle im Louvre gefunden, eine große
Ehre, die nur den Werken zuteil wird, die, früher fürs Luxemburg-Museum vom Staat angekauft, noch
zehn Jahre nach dem Hinscheiden ihrer Autoren von
einer Jury für würdig dazu erachtet werden. Die üb-
rigen Werke nicht mehr lebender Künstler werden an
die Privatmuseen verteilt.
... Während der Studienzeit bei Gleyre machte ich
eine längere Reise, dreiviertel Jahr, nach Spanien
und Marokko. Nach Spanien deshalb, um die im
Louvre begonnenen Studien nach alten Meistern zu
vervollständigen. Ich malte im Museum zu Madrid
während dreier Monate eine Anzahl Skizzen nach
Tizian, Velázquez, Ribera, Alonso Cano etc. Das Mad-
rider Museum ist, in bezug auf Bilder, eins der bes-
ten in Europa. Gegen fünfzig Bilder Tizians, des Lieb-
lingsmalers von Karl V. und Philipp II., zieren dassel-
be. Fünfzehn Raffaels sind da, und die spanischen
Meister, für die ich eine Vorliebe hegte, sind selbst-
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verständlich vollzählig, so daß sich allein vier große
Säle mit Velázquez' Werken vorfinden. Velázquez ist
vielleicht der Maler, der den Übergang zur modernen
Auffassung der Malerei einleitete. Er war wenigstens
der erste Geschichtsmaler im eigentlichen Sinne des
Wortes, in seinem berühmten Gemälde, ›Las Lanzas‹
genannt, welches die Übergabe von Breda darstellt.
Die Rubensschen Geschichtsbilder konnten sich des
allegorischen Beiwerks nicht entledigen. Velázquez'
Genrebilder mit lebensgroßen Figuren sind auch
schon im modernen Sinne konzipiert, zum Beispiel
der Besuch in einer Gobelinfabrik, ein Bild, das
Gérôme für das best gemalte Bild überhaupt erklärt hat. Die Spanier halten ihre großen Meister auch
hoch in Ehren; Murillo gilt ihnen als der ›pintor del
cielo‹, Velázquez als der der ›tierra‹. Merkwürdiger-
weise hat auch Murillo höchst realistische Genrefigu-
ren (München, Louvre) gemalt. Die Portraits des Ve-
lázquez stehen in ihrer Art auf dem Gipfelpunkt des
Erreichbaren. Der geistreiche Blick derselben er-
hascht, nach dem Ästhetiker Vischer, ›den reinsten
Phosphor der Persönlichkeit‹.
Man hat in Spanien immer das Gefühl, daß es eine
Weltmacht war; häufig begegnet man noch dem Flit-
ter vergangener Größe. Interessant ist das Volksle-
ben, die Tänze auf öffentlichen Plätzen, das Zigeu-
nertreiben, das Aufregende der blutigen Stierkämpfe,
die Hingabe der Frauen, die klangvolle Sprache, die
äußerste Lebendigkeit in der Komödie und Posse, die
Gastfreundschaft, dazu die Fülle der Abenteuer, de-
ren man dort mehr erleben kann als in anderen Län-
dern.
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Im Alcázar von Sevilla und in Granada lernte ich die
Blüte arabischer Architektur kennen und befreundete
mich mit dem Architekten Herrn von Diebitsch, der
damals in der Alhambra seine Studien machte. Von
Cádiz ging ich mit einem kleinen vollgepackten
Marktboot nach Marokko hinüber; die Fahrt sollte
acht Stunden dauern, ein Sturm trieb uns aber vier-
undzwanzig Stunden umher. In Tanger sah ich zum
erstenmal ein Stück fremden Erdteils, das sich mir
tief einprägte und auf meine spätere Entwicklung
einen großen Einfluß übte. Fast alles war anders wie
in Europa, wo die nivellierende
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