Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
miterlebt haben), Anspruch
    darauf, an dieser Stelle gehört zu werden.

    229
    »... Ich war nun also«, so schreibt W. Gentz, »um
    Ostern 1843 in Berlin und hörte Kollegien über Äs-
    thetik. Aber der ganze Gelehrtenkram fördert einen
    ausübenden Künstler sehr wenig; das begriff ich
    bald. Das Handwerk der Kunst erfordert die ganze
    Kraft des Künstlers, und glücklich, wer mit der Erler-
    nung des Handwerksmäßigen frühzeitig beginnen
    kann. Die alten Künstler überragen die modernen
    einfach deshalb, weil sie auf den Schulbänken nicht
    ihre schönste Jugendzeit verbringen mußten, diese
    kostbare Jugendzeit, die am geeignetsten ist, die
    großen technischen Schwierigkeiten spielend über-
    winden zu lernen. Die Rubens, van Dycks waren mit
    achtzehn Jahren schon derartig Meister in ihrer
    Kunst, daß sie Schulen errichten konnten. Welch
    Vorsprung uns Modernen gegenüber. Kunst, wie so
    oft gesagt, ist einfach Können. Das Können war, zu
    Beginn dieses Jahrhunderts, bei uns Deutschen gro-
    ßenteils verlorengegangen. Die Franzosen hatten
    ihre Kunsttraditionen, mit Hilfe ihrer École des
    beaux-arts, nie ganz aufgegeben, weshalb sich ihre
    mit der Revolution und dem Empire beginnende
    Neuepoche glänzender als die Deutschlands gestal-
    ten konnte. Die Carstens, Overbeck, Cornelius etc.
    leiteten das Wiedererstehen deutscher Kunst mehr
    durch ihre geistigen Eigenschaften ein als durch ei-
    nen gesunden Realismus.
    Die Kunstzustände Berlins, speziell auf Malerei hin
    angesehen, waren in den dreißiger und vierziger Jah-
    ren ziemlich kläglich. Cornelius mit seinen großarti-
    gen Intentionen, Kaulbach mit seiner reichen Gestal-
    tungskraft, die beide nur vorübergehend hier wirk-

    230
    ten, fanden keinen rechten Boden. Der Berliner als
    Norddeutscher ist seiner Natur nach Realist. Und
    Gottfried Schadow war ein solcher. Wenngleich er die
    Akademie nicht mehr aus ihrer Gesunkenheit heraus-
    reißen konnte, so übte er doch auf die Bildhauer-
    kunst noch immer eine so bedeutende Wirkung aus,
    daß die Schule von Berlin die bedeutendste Deutsch-
    lands wurde. Christian Rauchs Tätigkeit zeigt das
    klar. Und auch heute noch steht Reinhold Begas an
    der Spitze der deutschen Plastik. Der gesunde Rea-
    lismus in den zeichnenden Künsten, der mit Chodowiecki anhub, kam durch A. Menzel zu weiterer Blü-
    te. Sein Genie ward bei seinem Auftreten nur von
    wenigen erkannt. Man hielt ihn wohl für einen talent-
    vollen und reichen, aber doch zugleich auch für einen
    bizarren Künstler. Der ältere Begas, Wach, von Klö-
    ber erkannten seine Größe nicht und ahnten noch weniger, daß er berufen sein würde, später gewaltig
    über ihnen zu thronen, und gerade diese waren es
    doch, die damals den Ton angaben. Karl Begas hatte
    bei Gros in Paris eine gute Schule genossen, Wach
    und Klöber nur eine mäßige in Italien. Vielleicht war
    von Klöber der begabteste von ihnen, aber durch
    sein fragmentarisches Können zum Lehrer wenig
    geeignet.
    Der ältere Begas hatte, als ich zu lernen anfangen
    wollte, sein Schüleratelier aufgegeben, Wach wollte
    mich nur aufnehmen, wenn ich die Akademie durch-
    gemacht hätte (worin er wohl recht haben mochte),
    von Klöber aber nahm jeden auf, also auch mich,
    weil die Ausbildung von Schülern für ihn vorwiegend
    eine finanzielle Frage war. Da ich sehr fleißig andert-

    231
    halb Jahre bei ihm arbeitete, so machte ich auch
    Fortschritte, konnte mir aber selber damit nicht ge-
    nügen und ging nach Antwerpen, um auf der dorti-
    gen Akademie meine Studien fortzusetzen. Dies
    ›nach Antwerpen gehn‹ war in den vierziger Jahren
    bei den deutschen Malern Mode geworden, eine
    Mode, die sich seit Ausstellung der Gallaitschen und
    de Bièfveschen Bilder in Berlin entwickelt hatte. ›Die
    Abdankung Karls V.‹ gilt auch heute noch als ein
    gutes Bild; sonst aber sind die de Bièfve, de Keyser
    und Wappers (welcher letztere zu meiner Zeit Direk-
    tor der Akademie von Antwerpen war) von ihrer Hö-
    he herabgestiegen. Ihre Kunst kam nicht von innen
    heraus, und alles Gute, was sie besaßen, hatten sie
    einfach in Paris gelernt. So dauerte denn auch der
    Ruf der Antwerpener Schule nicht lange. Immerhin
    war der neunmonatliche Aufenthalt in dem maleri-
    schen Antwerpen mit seiner großartigen Kathedrale
    belehrend und interessant für mich. Ich lernte dort
    erst die Größe eines Rubens kennen und verstehen.
    In der Ferienzeit reiste ich nach London hinüber,
    fand aber nur wenig

Weitere Kostenlose Bücher