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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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auf dem Dampfer in langer
    Reihe die »Werderschen« sitzen, ein Nähzeug oder
    Strickzeug in den Händen und nichts vor sich als den
    Schornstein und seinen Eisenkasten, auf dessen hei-
    ßer Platte einige dreißig Bunzlauer Kaffeekannen
    stehen. Denn die Nächte sind kühl, und der Weg ist
    weit.
    Eine Viertelstunde noch, und Dampfer und Havel-
    kahn verschwinden in dem Défilé bei Baumgar-
    tenbrück; der Schwielow nimmt sie auf, und durch
    das »Gemünde« hin, an dem schönen und langge-
    streckten Caputh vorbei, geht die Fahrt auf Potsdam
    zu, an den Schwänen vorüber, die schon die Köpfe
    eingezogen hatten und nun unmutig hinblicken auf
    den Schnaufer, der ihren Wasserschlaf gestört.
    Bei Dunkelwerden Potsdam, um Mitternacht Span-
    dau, bei Dämmerung Berlin.
    Und eh der erste Sonnenschein um den Marienkirch-
    turm blitzt, lachen in langer Reihe, zwischen den
    Brücken hin, die roten Knupper der Werderschen.

    2255
    Glindow

    Hier nährten früh und spat den Brand
    Die Knechte mit geschäft'ger Hand;
    Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
    Als gält es, Felsen zu verglasen.
    Schiller

    Was Werder für den Obst konsum der Hauptstadt ist, das ist Glindow für den Ziegel konsum. In Werder wird gegraben, gepflanzt, gepflückt – in Glindow wird
    gegraben, geformt gebrannt; an dem einen Ort eine
    wachsende Kultur, am andern eine wachsende In-
    dustrie, an beiden (in Glindow freilich auch mit dem
    Revers der Medaille) ein wachsender Wohlstand. Da-
    zu steht das eine wie das andere nicht bloß für sich
    selber da, sondern ist seinerseits wiederum eine
    »Metropole«, ein Mittelpunkt gleichgearteter und
    zugleich widerstrebender Distrikte , die es fast geboten erscheinen lassen, nach Analogie einiger Schwei-
    zer Kantone, von Werder-Stadt und Werder-Land
    oder von Glindow-Dorf und Glindow-Bezirk zu spre-
    chen.
    Bei Werder haben wir diesen Unterschied übergan-
    gen; bei Glindow wird es dann und wann unvermeid-
    lich sein, auf ihn Bezug zu nehmen. Deshalb an die-
    ser Stelle schon folgendes: Distrikt Glindow ist etwa
    zwei Quadratmeilen groß (vier Meilen lang und eine

    2256
    halbe Meile breit) und zerfällt in ein Innen- und Au-
    ßenrevier, in einen Bezirk diesseit und jenseit der
    Havel. Das Innenrevier »diesseit der Havel« ist alles
    Lehm- und Tonland und umfaßt die gesamten Terri-
    torien am Schwielow-, am Glindow- und Plessow-
    See; das Außenrevier oder das Revier »jenseit der
    Havel« ist neuentdecktes Land und dehnt sich vor-
    zugsweise auf der Strecke zwischen Ketzin und
    Tremmen aus. Dies Außenland, abweichend und ei-
    genartig, behauptet zugleich eine gewisse Selbstän-
    digkeit und zeigt eine unverkennbare Tendenz, sich
    loszureißen und Ketzin zu einer eigenen Hauptstadt
    zu machen. Vielleicht, daß es glückt. Vorläufig aber
    ist die Einheit noch da, und ob der Tag siegreicher
    Sezession näher oder ferner sein möge, noch ist Glindow1) Metropole und herrscht über Innen- und
    Außenrevier.
    Die Bodenbeschaffenheit, das Auftreten des Lehms
    ist diesseit und jenseit der Havel grundverschieden.
    Im Innenrevier tritt der Lehm in Bergen auf, als Berglehm, und wenn wir uns speziell auf die wichtige
    Feldmark Glindow beschränken, so unterscheiden wir
    hier folgende Lehmberge: den cöllnischen, zwei
    brandenburgische (Altstadt, Neustadt), den ca-
    puthschen, den schönebeckschen, den Invaliden-
    berg, den Schloßbauberg, zwei Kurfürstenberge (den
    großen und den kleinen), den plaueschen, den mö-
    senschen, den potsdamschen. Die drei letztgenann-
    ten liegen wüst, sind tot. Die andern sind noch in
    Betrieb. Ihre Namen deuten auf ihre früheren Besit-
    zer. Berlin-Cölln, Brandenburg, Potsdam, Caputh,
    Schönebeck hatten ihre Lehmberge, der Invaliden-

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    berg gehörte dem Invalidenhause etc. Diese Besitz-
    verhältnisse existieren nicht mehr. Jene Ortschaften
    haben sich längst ihres Eigentums entäußert, das
    inzwischen in die Hände einiger Ziegellords überge-
    gangen ist. Die meisten sind in Händen der Familie
    Fritze.
    Der Lehm in diesen Bergen ist sehr mächtig. Nach
    Wegräumung einer Oberschicht, »Abraum« genannt,
    von etwa dreißig Fuß Höhe, stößt man auf das Lehm-
    lager, das oft eine Tiefe von achtzig bis hundert Fuß
    hat. Der Lehm ist schön und liefert einen guten
    Stein, aber doch keinen Stein ersten Ranges. Die
    Hauptbedeutung dieser Lager ist ihre Mächtigkeit,
    annähernd ihre Unerschöpflichkeit. Dabei mag als
    etwas Absonderliches hervorgehoben werden,

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