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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gesamte
    Hafenverkehr beschränkt sich auf die Nachmittags-
    stunden; zwischen fünf und sechs, in einer Art Kreis-
    lauftätigkeit, leeren sich die Räume des aus der
    Hauptstadt zurückkehrenden Dampfers und seines
    Beikahns wie im Fluge, aber sie leeren sich nur, um
    sich unverzüglich wieder mit Töpfen und Tienen zu
    füllen.
    Es ist jetzt fünf Uhr. Der Dampfer legt an; die
    Entfrachtung nimmt ihren Anfang. Über das Laufbrett
    hin, auf und zurück, in immer schnellerem Tempo,
    bewegen sich die Bootsleute, magere, aber nervige
    Figuren, deren Beschäftigung zwischen Landdienst
    und Seedienst eine glückliche Mitte hält. Wenn ich
    ihnen eine gewisse Matrosengrazie zuschriebe, so
    wäre das nicht genug. Sie nähern sich vielmehr dem
    Akrobatentum, den Vorstadt-Rappos, die sechs Stüh-

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    le übereinandertürmen und, den ganzen Turmbau
    aufs Kinn oder die flache Hand gestellt, über ein Seil
    hin ihre doppelte Balancierkunst üben: der Bau darf nicht fallen und sie selber auch nicht. So hier. Einen Turmbau in Händen, der sich aus lauter ineinandergestülpten Tienen zusammensetzt und halbmanns-
    hoch über ihren eigenen Kopf hinauswächst, so lau-
    fen sie über das schwanke Brett und stellen die Tie-
    nentürme in langen Reihen am Ufer auf. Im ersten
    Augenblick scheint dabei eine Willkür oder ein Zufall
    zu walten; ein schärferes Aufmerken aber läßt uns in
    dem scheinbaren Chaos bald die minutiöseste Ord-
    nung erkennen, und die Tienen stehen da, militärisch
    gruppiert und geordnet, für den Laien eine große,
    unterschiedslose Masse, aber für den Eingeweihten
    ein Bataillon, ein Regiment, an Achselklappe, Knopf
    und Troddel aufs bestimmteste erkennbar. So viele
    Gärtner und Obstpächter, so viele Compagnien. Zu-
    nächst unterscheiden sich die Tienen nach der Farbe , und zwar derart, daß die untere Hälfte au naturel
    auftritt, während die obere, mehr sichtbare Hälfte in
    Rot oder Grün, in Blau oder Weiß sich präsentiert.
    Aber nicht genug damit. Auf diesem breiten Farben-
    rande befinden sich, zu weiterer Unterscheidung,
    entweder die Namen der Besitzer oder noch häufiger
    ihre Wappenzeichen: Kreuze, stehend und liegend,
    Sterne, Kreise und Sonnen, eingegraben und einge-
    brannt. Man kann hier von einer völligen Heraldik
    sprechen. Die alten »Geschlechter« aber, die diese
    Wappen tragen und pflegen, sind die Lendels, die
    Mays, die Kühls, die Schnetters und unmittelbar nach
    ihnen die Rietz , die Kuhlmeys, die Dehnickes. Als

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    altwendisch gelten die Lendels und die Rietz', viel-
    leicht auch die Kuhlmeys.
    Ist nun aber das Landen der leeren Tienen, wie wir
    es eben geschildert haben, eine heitere und maleri-
    sche Szene, so kann diese doch nicht bestehen ne-
    ben dem konkurrierenden Schauspiel des Einladens , des An-Bord-Schaffens, das schon beginnt, bevor
    das Ausladen zur Hälfte beendet ist.
    Etwa von fünfeinhalb Uhr ab, und nun rapide wach-
    send bis zum Moment der Abfahrt, kommen die
    Obstwagen der Werderaner heran, kleine, grünge-
    strichene Fuhrwerke, mit Tienen hoch bepackt und
    mit zwei Zughunden am Deichsel, während die Besit-
    zer, durch Stoß von hinten, die Lokomotion unter-
    stützen. Ein Wettfahren beginnt, alle Kräfte konzent-
    rieren sich, von links her rollt es und donnert es über die Brückenbohlen, von rechts her, auf der chaus-sierten Vorstadtstraße, wirbelt der Staub, und im
    Näherkommen an das ersehnte Ziel heulen die Hun-
    de immer toller in die Luft hinein, wie verstimmte
    Posthörner beim Einfahren in die Stadt. Immer
    mächtiger wird die Wagenburg, immer lauter das
    Gebläff, immer quicker der Laufschritt derer, die die
    Tienen über das Brett hin in den am Landungsdamm
    liegenden Kahn hineintragen. Jetzt setzt der Zeiger
    ein, von der werderschen Kirche herüber tönen lang-
    sam die sechs Schläge, deren letzter in einem
    Signalschuß verklingt. Weithin an den hohen Ufern
    des Schwielow weckt er das Echo. Im selben Augen-
    blick folgt Stille der allgemeinen Bewegung, und nur
    noch das Schaufeln des Raddampfers wird vernom-

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    men, der, eine Kurve beschreibend, das lange
    Schlepptau dem Havelkahne zuwirft und, rasch flu-
    ßaufwärts seinen Cours nehmend, das eigentliche
    Frachtboot vom Ufer löst, um es geräuschlos in das
    eigene Fahrwasser hineinzuzwingen.
    Von der Brücke aus gibt dies ein reizendes Bild. Auf
    dem großen Havelkahn, wie die wilden Männer im
    Wappen, stehen zwei Bootsleute mit ihren mächtigen
    Rudern im Arm, während

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