Wanderungen durch die Mark Brandenburg
besten zu dem nahe
gelegenen Reiherhorst führen würde, war mittlerwei-
le zugunsten von Lieutenant Apitz entschieden wor-
den. Also »querdurch«. Wir erkletterten zunächst das
Uferbastion, in dessen Schutze wir lagen, hielten
kurze Umschau und schlugen uns dann, immer die
Höhe haltend, waldeinwärts. Nach längerem Suchen
und Irren, das zu den üblichen Bemerkungen über
»Richtwege« führte, hatten wir endlich die Reiherko-
lonie, ihre Wohn- und Brutstätte vor uns und schrit-
ten ihr zu.
Dieser Reiherhorst, wie jeder andere, befindet sich in
den Wipfeln alter Eichbäume, die, zu mehreren Hun-
derten, auf der plattformartigen Kuppe einer aber-
maligen Ansteigung des Waldes stehen. Eine Anzahl
dieser Eichen, vielleicht die Hälfte, war noch intakt,
die andere Hälfte aber zeigte jeden Grad des Ver-
falls, und zwar um so mehr, je länger sie des zwei-
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felhaften Vorzuges genossen, im Reiherdienste zu
stehen, das heißt also, ein Reihernest in ihren Wip-
feln zu tragen. Die Zahl dieser Nester wechselt. Man-
che Bäume haben eins, andere drei und vier. Das
letztere ist das gewöhnlichere. Aber ob eins oder
mehrere, über kurz oder lang trifft sie dasselbe
Schicksal: sie sterben ab, unter dem Einfluß der Rei-
herwirtschaft, namentlich der Reiher-Kinderstube,
deren Details sich jeder Mitteilungsmöglichkeit ent-
ziehen.
Erst Mitte Juli pflegen die Jungen flügge zu werden.
In diesem Jahre jedoch mußten sie kräftiger oder
gelehriger gewesen sein; jedenfalls fanden wir alles
ausgeflogen und sahen uns in der angenehmen Lage,
jede einzelne Wohnstätte aufs genaueste mustern zu
können. Was die Wipfel der Bäume angeht, so bleibt
dem Gesagten an dieser Stelle nichts hinzuzufügen;
aber auch der Untergrund erzählt noch manche Ge-
schichte. Hier und dort lag zu Füßen einer wie ge-
schält aussehenden, ihrer Rinde halb entkleideten
Eiche das Federwerk eines Jungvogels. Das erklärt
sich so. Fällt ein junger Reiher vor dem Flüggewer-
den aus dem Nest, so ist er verloren. Ein freies, selb-
ständiges Leben zu führen, dazu ist er noch zu jung,
ihn wieder in das Nest hinaufzuschaffen, dazu ist er
zu schwer. So bleibt er liegen, wo er liegt, und stirbt den allerbittersten Tod unter den Unbilden seiner
nächsten Verwandten, die, ohne ihre Lebens- und
Anstandsformen im geringsten zu ändern, erbar-
mungslos zu seinen Häupten sitzen.
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Unter anderen Bäumen lagen herabgestürzte Nester.
Sie gaben uns Veranlassung, ein solches zu untersu-
chen. Es ist einem Storchennest ähnlich, aber noch
gröber im Gefüge, und besteht aus angetriebenem
Holz der verschiedensten Arten: Kiefern-, Elsen- und
Weidenzweige. Dazu viel trockenes Stechapfelkraut,
lange Stengel, mit aufgesprungenen Kapseln daran.
Ob sie für dies Kraut um Geruches willen, vielleicht
auch als Arzneidrogue, eine Vorliebe haben oder ob
es ihnen lediglich als Bindemittel zu festerer Ver-
schlingung der dicken Holzstäbe dient, muß dahinge-
stellt bleiben. Überall aber, wo ein solches Nest lag,
sproßte wuchernd aus hundert Samenkörnern ein
ganzer Giftgarten von weißblühender Datura auf, der
übrigens, jede Ausschließlichkeit vermeidend, auch
anderem Blumenvolk den Zutritt gestattete. Nur
»von Familie« mußten die Zugelassenen sein:
Wolfsmilch, Bilsenkraut, Nachtschatten. Das Harmlo-
seste, was sich eingeschlichen hatte, war Brennessel.
Ein Erinnerungsblatt hier mitzunehmen verbot sich;
so mußten die umherliegenden Federn aushelfen. Ein
paar der schönsten an unsere Mützen steckend,
kehrten wir, nunmehr des Weges kundig, in kürzes-
ter Frist an Bord unseres Schiffes zurück.
Hier hatte sich mittlerweile Mudy nach mehr als einer
Seite hin legitimiert. Der Tisch war unter einer aus-
gespannten Leinwand gedeckt; der weißeste Da-
mast, das blinkendste Silber lachten uns entgegen.
Selbst an Tafelaufsätzen gebrach es nicht. Neben
dem großen Köpenicker Baumkuchen parodierten
zwei prächtige, in hundert Blüten stehende Heide-
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krautbüschel, die Mudy, samt dem Erdreich, ausge-
schnitten und in zwei reliefgeschmückte Weinkühler
eingesetzt hatte. Aber Größeres war uns vorbehal-
ten, was sich erst offenbaren sollte, als die Reihe der vorschriftsmäßigen Gänge, unter denen sich besonders das Fischgericht »Schlei mit Dill« auszeichnete,
beendet war. Ob aus Nachklang oder Inspiration, aus
Erinnerung oder geoffenbarter Weisheit, gleichviel, in
Mudys Seele
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