Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Namen der »Modder-See« führt. Die
Karten unterscheiden einen großen und kleinen. Das
Wasser in diesen Becken stand nur etwa fußhoch
über einem aus gelbgrünen Pflanzenstoffen beste-
henden Untergrund, der so weich war wie ein mit
Hülfe von Reagenzien eben gefällter Niederschlag.
Unser Schiff durchschnitt diese reizlosen, aber für die Wissenschaft der Torf- und Moorbildungen vielleicht
nicht unwichtigen Wassertümpel, die vor uns, unauf-
gerüttelt, in smaragdner Klarheit, hinter uns in graugelber Trübe, wie ein Quirlbrei von Lehm und Hu-
mus, lagen.
Es wurde still und stiller an Bord. Jene Schweigelust
überkam uns, die nach einem schönen, an Bildern
und Eindrücken reichen Reisetage auch den Heiter-
Gesprächigsten anzuwandeln pflegt und, weder in
Ermüdung noch in Verstimmung wurzelnd, ihren
Grund in dem plötzlichen Berührtwerden von dem
Ausgehen alles Glückes, von der Endlichkeit aller
Dinge hat. Auch wir hatten diesen Tribut zu zahlen,
stärker als bei mancher anderen Gelegenheit, da
nichts da war, uns dieser Stimmung zu entreißen.
Die Dörfer hörten auf; nur in einiger Entfernung lag
Sputendorf. Es klang wie eine Mahnung, und wir lie-
ßen sie uns gegeben sein. Ein neues Segel bei! Der
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Wind setzte sich hinein, und plötzlich, wie aufat-
mend, fuhren wir aus einem Gewirr von Tümpeln
und Schmalungen, die wir während der letzten zwei
Stunden zu passieren gehabt hatten, in ein imposan-
tes und beinah haffartig wirkendes Wasserbecken
ein. Nur in sehr unbestimmten Umrissen erkannten
wir die Ufer. Nach links hin, in langer Linie, blitzten Lichter und spiegelten sich in dem dunkelen See. An
Bord drängte alles zu neuer Tätigkeit. Lieutenant
Apitz, mit eigner Hand, feuerte den landeinwärts
gerichteten Böller ab; Mudy, auf Befehl des Kapitäns,
ließ eine Rakete in den Nachthimmel aufsteigen. In
wenigen Minuten sahen wir unseren Zweck erreicht:
Gestalten, hin und her laufend, sammelten sich an
einer Stelle, die ein Landungsplatz, eine Anlegebrü-
cke sein mochte. Stimmen klangen herüber. Gleich
darauf fiel der Anker.
Im Angesicht von Teupitz, dunkel und rätselvoll, lag
die »Sphinx«.
An der Spree
Schloß Köpenick
»Wo liegt Schloß Köpenick?« An der Spree;
Wasser und Wald in Fern und Näh,
Die Müggelberge, der Müggelsee.
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Schloß Köpenick ist eines der vielen Hohenzoller-
schen Schlösser, die sich unter den mannigfachsten
deutschen und französischen Namen im Spree- und
Havellande vorfinden und von deren Nochvorhan-
densein die wenigsten unter uns eine Kenntnis ha-
ben. Wir entsinnen uns in der Regel, von diesem und
jenem Schloß in diesem oder jenem Geschichtsbuch
gelesen zu haben, und knüpfen die Vorstellung, oft
auch die Hoffnung daran, daß dasselbe mit all seinen
ihm Leben leihenden Personen zugleich vom Schau-
platz abgetreten sei. In der Tat, die Bemühungen
unserer Phantasie, wenn wir von königlichen Schlös-
sern sprechen oder sprechen hören, gehen gemein-
hin nicht viel über die Bilder von Sanssouci, Rheins-
berg und Charlottenburg hinaus, und einem glückli-
chen Zufalle bleibt es vorbehalten, uns durch den
Augenschein zu belehren, daß auch Schwedt und
Küstrin und Wusterhausen und Oranienburg noch
ihre wirklichen Schlösser haben. Zu diesen seitab
gelegenen und verschollenen Existenzen gehört auch
Schloß Köpenick, in betreff dessen wir ein altes, ein
mittleres und ein neues unterscheiden.
Das alte Schloß Köpenick stand schon, als die Deutschen unter Albrecht dem Bären ins Land kamen.
Jaczko oder Jasso, der letzte Wendenfürst, an dessen
Bekehrung die schöne Schildhornsage anknüpft, re-
sidierte daselbst. Nach seiner Unterwerfung wurde
seine Residenz, eine Wendenveste, zur markgräfli-
chen Burg, aber weder Bild noch Beschreibung sind
auf uns gekommen, aus denen wir ersehen könnten,
wie Schloß Köpenick zur Zeit der Askanier oder Bay-
ern oder ersten Hohenzollern war. Es muß uns genü-
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gen, daß wir von seiner Existenz wissen. Auch seine
Geschichte verschwimmt in blassen, charakterlosen
Zügen, und alles, was mit bestimmterem Gepräg an
uns herantritt, ist das eine, daß es in diesem alten Schlosse zu Köpenick war, wo der von Otterstedt an
die Türe seines kurfürstlichen Herren schrieb:
Jochimken, Jochimken, höde dy,
Wo wi di krigen, do hängen wi dy.
Das alte Schloß stand bis 1550. Kurfürst Joachim II., ein leidenschaftlicher Jäger, dessen
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