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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hatte die Vorstellung gedämmert, daß
    »das Dessert die Krone jedes Mahles sei«. Und die-
    ser Vorstellung Ausdruck zu geben, hatte er sich bef-
    lissen gezeigt. Daß er dabei, in materiell eng gezo-
    genen Grenzen verbleibend, über einen bloßen sym-
    bolischen Akt nicht hinausgekommen war, steigerte
    nur den Effekt. Der Leser urteile selbst. In ebendem-
    selben Augenblicke, in dem der Kreis des Möglichen
    nach unser aller Ansicht geschlossen schien und auch
    in dem begehrlichsten Herzen nur noch Wunsch und
    Raum für Zigarette und Kaffee vorhanden war, er-
    schien Mudy mit einem auf dem Menuzettel unge-
    nannt gebliebenen Überraschungsgericht. Geheim-
    nisvoll genug in seiner Einkleidung. Eine Glasschale
    war mit Kraut und Blütenzweigen gefüllt; in der Mitte
    dieser Schale aber, wie ein Ei in einem Neste liegt,
    lag ein Teesieb, in dem unser dienender Bruder,
    während wir auf der Suche nach dem Reiherhorste
    waren, aus dem spärlichen Vorrat der nächsten
    Wald- und Uferstellen eine halbe Hand voll Erd- und
    Blaubeeren mühsam gesammelt hatte. Die Wirkung
    dieser Aufmerksamkeit war eine enthusiastische und
    rang nach entsprechendem Ausdruck. Kapitän Back-
    husen fand ihn. Einen vor ihm stehenden Römer bis
    an den Rand mit Scharlachberger füllend, schüttete

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    er den Inhalt des Schälchens hinein und sprach dann
    kurz: »Perle der Kleopatra, armselige Renommiste-
    rei; hier , in Erd- und Blaubeeren, spricht bescheiden eine schönere Tat. Es lebe Mudy.«
    Die Luft stand. Es war noch zu früh zum Aufbruch;
    so beschlossen wir eine Waldsiesta, und unsere
    Plaids an schattiger Stelle ausbreitend, suchte sich
    jeder eine Ruhestätte. Libellen flogen, Käfer summ-
    ten, und in mir klang es aus einem meiner Lieblings-
    dichter:
    Hier an der Bergeshalde
    Verstummet ganz der Wind;
    Die Zweige hängen nieder,
    Die blauen Fliegen summen
    Und blitzen durch die Luft.
    Einmal, zweimal wiederholte ich diese Zeilen, die den
    Klang eines Nachmittags-Schlummerliedes haben;
    dann schlief ich ein. Die Genossen hatten weniger
    gezögert.
    Es war sechs Uhr, und die Sonne streifte schon von
    der Seite her die Wipfel des Waldes, als uns die
    Schiffsglocke, rasch anschlagend, mit zur Eile mah-
    nendem Tone wieder an Bord rief. Kapitän Backhu-
    sen hatte früher als seine Gäste den Nachmittags-
    schlaf abgeschüttelt. Ein paar Kommando-Worte,
    und die »Sphinx« löste sich leicht und gefällig von
    der Uferstelle, in deren Schatten sie sechs Stunden
    geankert hatte. Die Landzungen schoben uns immer

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    neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete
    Coulissen in den Weg; in Schlängellinien umfuhren
    wir sie, ein paar Geleit gebende Reiher hoch über
    uns in Lüften. So kamen wir aus der Schmölte in den
    Hölzernen See.
    Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger
    Bewährung der »Sphinx« fehlte nur noch ein Zwi-
    schenfall, ein »Accident«. Auch dieser sollte nicht
    ausbleiben. Kaum in den Hölzernen See, nomen et
    omen, eingefahren, so saßen wir fest. Aber die Füh-
    rung unseres Schiffs hätte nicht die sein müssen, die sie war, wenn sie sich in solchem Momente hätte
    ratlos erweisen sollen. Kapitän Backhusen, mit dem
    Tubus auslugend, erkannte, hinter Schilf und Werft
    versteckt, in nicht allzuweiter Entfernung ein Brü-
    ckenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die Schiffs-
    jolle herablassend, mit der Anfrage deputiert wurde,
    ob man bereit sei, unseren aus dicken Eisenplatten
    bestehenden Ballast auf zwei, drei Tage zu beher-
    bergen. In kürzester Frist war die bejahende Antwort
    da, die großen Barren wanderten aus dem Rumpf in
    die Jolle, und nach dreimaliger Fahrt zwischen Schiff
    und Zollhaus war unsere »Sphinx« wieder flott und
    frei. Unter dankbarem Hüteschwenken ging es, eine
    Viertelstunde später, an dem Brückenzollhaus vor-
    über. Aber dieses Hüteschwenken genügte uns nicht.
    Unserer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben,
    holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflin-
    ten herbei, und auf unendliche Entfernungen hin,
    zwischen Dümpler und Krickenten hineinfeuernd,
    weckten wir das Echo, das, offenbar verdrießlich ü-
    ber die Störung, mit nur halber Stimme antwortete.

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    Wir empfanden es und stellten die Flinten an ihren
    alten Platz.
    Es begann zu dunkeln, als wir, zwischen Groß- und
    Kleinköris, in ein schwieriges, aus mehreren flachen
    Becken bestehendes Seegebiet einfuhren, das in sei-
    ner Gesamtheit den wenig klangvollen, aber be-
    zeichnenden

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