Wanderungen durch die Mark Brandenburg
hatte die Vorstellung gedämmert, daß
»das Dessert die Krone jedes Mahles sei«. Und die-
ser Vorstellung Ausdruck zu geben, hatte er sich bef-
lissen gezeigt. Daß er dabei, in materiell eng gezo-
genen Grenzen verbleibend, über einen bloßen sym-
bolischen Akt nicht hinausgekommen war, steigerte
nur den Effekt. Der Leser urteile selbst. In ebendem-
selben Augenblicke, in dem der Kreis des Möglichen
nach unser aller Ansicht geschlossen schien und auch
in dem begehrlichsten Herzen nur noch Wunsch und
Raum für Zigarette und Kaffee vorhanden war, er-
schien Mudy mit einem auf dem Menuzettel unge-
nannt gebliebenen Überraschungsgericht. Geheim-
nisvoll genug in seiner Einkleidung. Eine Glasschale
war mit Kraut und Blütenzweigen gefüllt; in der Mitte
dieser Schale aber, wie ein Ei in einem Neste liegt,
lag ein Teesieb, in dem unser dienender Bruder,
während wir auf der Suche nach dem Reiherhorste
waren, aus dem spärlichen Vorrat der nächsten
Wald- und Uferstellen eine halbe Hand voll Erd- und
Blaubeeren mühsam gesammelt hatte. Die Wirkung
dieser Aufmerksamkeit war eine enthusiastische und
rang nach entsprechendem Ausdruck. Kapitän Back-
husen fand ihn. Einen vor ihm stehenden Römer bis
an den Rand mit Scharlachberger füllend, schüttete
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er den Inhalt des Schälchens hinein und sprach dann
kurz: »Perle der Kleopatra, armselige Renommiste-
rei; hier , in Erd- und Blaubeeren, spricht bescheiden eine schönere Tat. Es lebe Mudy.«
Die Luft stand. Es war noch zu früh zum Aufbruch;
so beschlossen wir eine Waldsiesta, und unsere
Plaids an schattiger Stelle ausbreitend, suchte sich
jeder eine Ruhestätte. Libellen flogen, Käfer summ-
ten, und in mir klang es aus einem meiner Lieblings-
dichter:
Hier an der Bergeshalde
Verstummet ganz der Wind;
Die Zweige hängen nieder,
Die blauen Fliegen summen
Und blitzen durch die Luft.
Einmal, zweimal wiederholte ich diese Zeilen, die den
Klang eines Nachmittags-Schlummerliedes haben;
dann schlief ich ein. Die Genossen hatten weniger
gezögert.
Es war sechs Uhr, und die Sonne streifte schon von
der Seite her die Wipfel des Waldes, als uns die
Schiffsglocke, rasch anschlagend, mit zur Eile mah-
nendem Tone wieder an Bord rief. Kapitän Backhu-
sen hatte früher als seine Gäste den Nachmittags-
schlaf abgeschüttelt. Ein paar Kommando-Worte,
und die »Sphinx« löste sich leicht und gefällig von
der Uferstelle, in deren Schatten sie sechs Stunden
geankert hatte. Die Landzungen schoben uns immer
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neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete
Coulissen in den Weg; in Schlängellinien umfuhren
wir sie, ein paar Geleit gebende Reiher hoch über
uns in Lüften. So kamen wir aus der Schmölte in den
Hölzernen See.
Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger
Bewährung der »Sphinx« fehlte nur noch ein Zwi-
schenfall, ein »Accident«. Auch dieser sollte nicht
ausbleiben. Kaum in den Hölzernen See, nomen et
omen, eingefahren, so saßen wir fest. Aber die Füh-
rung unseres Schiffs hätte nicht die sein müssen, die sie war, wenn sie sich in solchem Momente hätte
ratlos erweisen sollen. Kapitän Backhusen, mit dem
Tubus auslugend, erkannte, hinter Schilf und Werft
versteckt, in nicht allzuweiter Entfernung ein Brü-
ckenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die Schiffs-
jolle herablassend, mit der Anfrage deputiert wurde,
ob man bereit sei, unseren aus dicken Eisenplatten
bestehenden Ballast auf zwei, drei Tage zu beher-
bergen. In kürzester Frist war die bejahende Antwort
da, die großen Barren wanderten aus dem Rumpf in
die Jolle, und nach dreimaliger Fahrt zwischen Schiff
und Zollhaus war unsere »Sphinx« wieder flott und
frei. Unter dankbarem Hüteschwenken ging es, eine
Viertelstunde später, an dem Brückenzollhaus vor-
über. Aber dieses Hüteschwenken genügte uns nicht.
Unserer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben,
holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflin-
ten herbei, und auf unendliche Entfernungen hin,
zwischen Dümpler und Krickenten hineinfeuernd,
weckten wir das Echo, das, offenbar verdrießlich ü-
ber die Störung, mit nur halber Stimme antwortete.
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Wir empfanden es und stellten die Flinten an ihren
alten Platz.
Es begann zu dunkeln, als wir, zwischen Groß- und
Kleinköris, in ein schwieriges, aus mehreren flachen
Becken bestehendes Seegebiet einfuhren, das in sei-
ner Gesamtheit den wenig klangvollen, aber be-
zeichnenden
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