Wanderungen durch die Mark Brandenburg
benutzen den Omnibus, der zwischen Berlin und
Köpenick fährt, haben ein sauberes, sorglich gepfleg-
tes Gehölz zu beiden Seiten und rollen an einem kla-
ren Herbsttage die Chaussee entlang, an Plätzen voll
historischer Erinnerung vorüber. Zunächst an jener
Waldwiese, wo einige Heißsporne vom schwer belei-
digten märkischen Adel den jugendlichen Joachim
aufzuheben gedachten, danach aber um jene Begeg-
nungsstelle herum, wo Gustav Adolf und Kurfürst
George Wilhelm nach kurzer Unterredung so wenig
befriedigt voneinander schieden. In raschem Trabe
geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und zei-
gen ein Behagen, als freuten sie sich mit uns der
Herbstesfrische. Die Eichen und Birken, die einge-
sprengt im Tannicht stehn, lassen die Landschaft in
allen Farben schillern, und der herbe Duft des Ei-
chenlaubes dringt bis zu uns in den Wagen hinein.
Jetzt aber trifft uns ein Luftzug mit jener feuchten
Kühle, die dem Reisenden ein Wasser ankündigt, und
im nächsten Augenblicke haben wir ein breites
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Strombett vor uns, an dessen jenseitigem Ufer, aus
hohen Pappeln hervor, ein graugelber Schloßbau
ragt. Über die Brücke hin rollt der Wagen und hält
jetzt auf einem unregelmäßigen, ziemlich geräumi-
gen Platze, der zwischen dem Schloß und der Stadt
Köpenick liegt. Wir steigen aus, werfen nach links hin
einen Blick in eine leis gebogene Straße, deren be-
schnittene Lindenbäume dem Ganzen ein freundli-
ches Ansehn leihn, und schreiten über den
Schloßgraben dem Schloßhofe zu, den von zwei Sei-
ten her die Bäume des Parks überragen.
Das gegenwärtige Schloß Köpenick hat drei Stock-
werke, seine Façaden sind einfach und schmucklos,
und nur einzelne Teile zeigen sich mit Reliefs und
Statuen geschmückt. Um das um mehrere Fuß zu-
rücktretende Dach ist eine stattliche Balustrade ge-
zogen.2)
Und dieser Stattlichkeit begegnen wir überall, am
meisten freilich in der inneren Einrichtung, in der
Anlage der Zimmer, Treppen und Korridore, die den
Eindruck machen, als habe der Baumeister nichts so
ängstlich vermeiden wollen als die Gedrücktheit der
Turm- und Erkerstuben, die sonst hier heimisch wa-
ren. Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch
nirgends ein Geizen mit dem, was erheitert und
schmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle reizendster
Details, die vielleicht wie Überladung wirken würden,
wenn nicht die Dimensionen ein Sich-Vordrängen des
einzelnen verhinderten. All diese Karyatiden und
Pfeiler und Säulen mit reichgegliedertem Kapitell
treten dienend in den Hintergrund zurück, und die
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schweren Stuckornamente verlieren anscheinend
ihre Schwere. Zu diesen Stuckornamenten gesellten
sich auch noch allerlei Plafondbilder, die durch die
Säle des Schlosses hin abwechselnd den Jagdzug der
Diana, ihren Zorn über Aktäon und ihre Liebe zum
Endymion darstellten, aber nur wenige dieser Ge-
mälde sind bis auf unsere Zeit gekommen, und diese
wenigen verbergen sich hinter einer sorglich aufge-
tragenen Bekleidung von Mörtel und Gips. Sie warten
auf die Stunde, wo das alte Schloß, das seit siebzig
Jahren immer nur der Prosa hat dienen müssen, die
poetischen Tage königlicher Pracht wieder erblicken
wird, um dann auch ihrerseits aus ihrer Hülle heraus-
treten und den neuen Glanz in altem Glanze begrü-
ßen zu können. Dies gilt namentlich von dem im ers-
ten Stockwerk gelegenen »Königssaal«, der eine
Fülle der schönsten Bilder und Plafondornamente
hinter einer Überkleidung verbergen soll.
Wir haben in dem Bestehen Schloß Köpenicks drei
Perioden unterschieden und in Erinnerung an die
wechselnden Bauten, die hier standen, von einem
alten, einem mittleren und einem neuen Schloß Kö-
penick gesprochen. Aber auch dies neue Schloß Kö-
penick teilt sein zweihundertjähriges Leben wieder in
verschiedene Stadien, unter denen wir, mit Umge-
hung gleichgültigerer Jahrzehnte, vier Hauptepochen
unterscheiden.
Diese vier Hauptepochen des neuen Schloß Köpe-
nicks sind die folgenden: erstens die Zeit des Kur-2396
prinzen Friedrich, von 1682 bis 1688; zweitens die Zeit Friedrich Wilhelms I., insonderheit das
Jahr 1730; drittens die Zeit Henriette Marias, gebornen Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, von 1749
bis 1782, und viertens die Zeit des Grafen von
Schmettau, von 1804 bis 1806. An eine Besprechung
dieser vier Hauptepochen wird sich schließlich noch
eine kurze Darstellung der Schicksale zu
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