Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Anfang 1848 war W. Gentz wieder in
Paris zurück und unterzog sich hier eben der Ausfüh-
rung seiner mitgebrachten Skizzen, als die Februar-
revolution dazwischentrat und ihm Veranlassung
gab, auf fast Jahresfrist in seine märkische Heimat
(Ruppin) zurückzukehren. Hier entstanden zunächst
verschiedene Portraits, darunter die Bildnisse seiner
Eltern, worauf er dann, auf längere Zeit, nach Dres-
den ging, um daselbst einige Kopien italienischer
Meister, namentlich Tizians und Correggios, zu ferti-
gen. Die Sehnsucht nach den seiner Kunst so förder-
lichen Kreisen der französischen Hauptstadt zog ihn
aber, im selben Jahre noch, wieder nach Paris zu-
rück, woselbst er nun das Jahr darauf (1849) sein
erstes großes Bild malte: »Der verlorene Sohn in der
Wüste«.
Dies Bild, »Der verlorene Sohn«, wurde im
Herbst 1850 auch in Berlin ausgestellt und erfuhr
daselbst sowohl seitens des Publikums wie der Kritik
eine sehr günstige Aufnahme. Die Freude darüber
wurde W. Gentz aber nicht unmittelbar zuteil; denn
um ebendie Zeit, wo diese günstigen Beurteilungen
in den Blättern erschienen, war er längst nicht mehr
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in Berlin, auch nicht in Paris, sondern in Ägypten , wohin er schon im März genannten Jahres (1850)
seine zweite große Afrikareise, die auch seine größte
blieb, angetreten hatte.
Begleiten wir ihn auf dieser seiner Fahrt.
Am 10. März war er in Marseille, am 26. in Kairo.
Hier blieb er, erfaßt von dem ganzen Zauber des
Orients, volle sieben Monat. Am 2. November endlich
bestieg er eine Dahabia, ein großes Nilboot, um auf
ihm die bekannte Nilfahrt bis zum zweiten Katarakt
und dem nahe gelegenen Wadi Halfa zu machen. Alle
Vorbereitungen waren getroffen, und in der Abreise-
stunde schrieb er seinen Eltern: »Das Mieten eines
Schiffes macht so viele Schwierigkeiten, wie wenn
man bei uns daheim ein Rittergut kauft. Zwei volle
Tage habe ich zur Verfertigung des Kontraktes nötig
gehabt. Mit den Schiffsleuten ist nicht mehr aufzu-
stellen als mit dem brutalsten Vieh, und danach be-
handelt man sie auch. Den kleinsten Punkt muß man
im Kontrakt regeln, ist dieser aber gut abgefaßt, so
kann man, ohne alle Sorge, dem Kapitän in Kontra-
ventionsfällen bei jedem Scheik einer Stadt eine ge-
hörige Tracht Hiebe auf die Fußsohlen aufzählen las-
sen. Selbst wenn man einen solchen Kerl nieder-
schösse, würde kein Hahn danach krähen. Mein Dra-
goman ist ein ehrlicher, verständiger Mann. Außer-
dem habe ich einen Reisebegleiter gefunden, einen
Galizier, Herrn von Wrublewski, mit dem ich schon
früher den Ausflug nach Sakkara gemacht habe. Zur
Sicherheit sind alle Vorkehrungen getroffen. Ich habe
mir eine Doppelflinte, einen Säbel, einen Yatagan
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und einen Dolch außer meinen beiden Pistolen ge-
kauft. Auch eine kleine Reiseapotheke. Übrigens bin
ich akklimatisiert. Meine Provision habe ich für drei
Monat eingerichtet: sechzig Pfund Schiffszwieback,
zwanzig Flaschen Rum und Cognac, einen Sack Kar-
toffeln, Reis, Makkaroni, Kaffee, Tee. Kurzum genug.
Für den täglichen Bedarf findet man sehr viel Wild,
und mein Begleiter ist ein guter Jäger. Die Wunder
des grauen Altertums werden bald vor unseren Bli-
cken sein.«
Am 15. November war er in Karnak und Luxor, am
16. in Esneh, am 21. am ersten Katarakt (Assuan
und Philae); vom 24. bis 26. zwischen Korosko, Deri
und Ibrim, am 3. Dezember am zweiten Nil-Katarakt
und am Tage darauf in Wadi Halfa. Hier befand er
sich am vorgesteckten Ziel, von dem aus er die
Rückfahrt antrat. Am 13., nach kurzem Verweilen in
Ipsambul und Kelabscheh, war er wieder am ersten
Katarakt, wo er besonders der im Nil gelegenen Fel-
seninsel Philae seine Aufmerksamkeit schenkte. Am
18. in Edfu. Dann, während der ganzen Weihnachts-
woche, abermals in Karnak und Luxor, die jetzt beide
mit aller Gründlichkeit von ihm durchforscht wurden,
bis er am 1. Januar in Dendare und am 8. in Kairo
eintraf, das, trotz der Fülle des auf seiner Nilfahrt
Gesehenen, den alten Zauber auf ihn ausübte. Noch
etwa sechs Wochen blieb er daselbst; dann, Ende
Februar, brach er auf und verbrachte den März auf
einer Wanderung durch Palästina, Syrien, Kleinasien.
In Smyrna lernte er den Prinzen Friedrich von
Schleswig-Holstein1) kennen, mit dem er, von jener
Zeit an, bis zum Tode desselben, in freundschaftli-
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chem Verkehr blieb, nachdem er ihn noch im Jah-
re 1874 auf seinem Schlosse Noer, in der Nähe
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