Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Kultur die sonst so
verschiedenen Länder in der äußeren Erscheinung
ziemlich gleich gemacht hat. Die Trümmer der Be-
schießung von Tanger und Mogador durch die Fran-
zosen waren, eine Folge der großen Indolenz der
Bewohner, noch nicht fortgeräumt. Am Strande (ei-
nen Hafen besaß Tanger noch nicht) und vor den
Toren der Stadt lagen Hunderte von Arabern, Ber-
bern und Kabylen, die von Algerien hierher verschla-
gen waren, in Fetzen und Lumpen, unter ebenso zer-
rissenen Zelten, halb nackt umher. Sie machten den
Tag zur Nacht. Es war die Zeit des Fastenmonats
Ramadân, wo von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang
nicht Speise noch Trank genossen werden darf. Ein
Unglücklicher, der seinen Durst nicht bezwingen
konnte, glaubte heimlich trinken zu können, ohne
dabei bemerkt zu werden. Aber das wilde, scharfe
Auge des Hafenkapitäns hatte den Sünder erspäht,
und sofort riß er, in seinem religiösen Fanatismus,
eine Latte vom Zaun (ein Nagel war darin stecken-
geblieben) und hieb auf den Armen ein, daß das Blut
herumspritzte. Dazu war der Anzug dieses improvi-
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sierten Henkers rot vom Turban bis zu den Maro-
quinschuhen. Das war so ein Stück patriarchalischer
Rechtsprechung. Ich mußte ein paar Stunden unter
dem wilden Volk warten, ehe ich die Tore passieren
durfte, da erst die Pässe revidiert werden mußten –
der meinige durch den schwedischen Generalkonsul;
denn wir hatten damals noch keinen Vertreter dort.
Ein Russe, der Sohn des Gouverneurs von Sibirien,
wurde überhaupt nicht eingelassen und mußte mit
dem nächsten Schiff wieder abreisen. Zurück fuhr
ich, viele Wochen später – wie hier vorgreifend gleich
bemerkt werden mag –, auf einem französischen
Kriegsschiff, auf dem sich der berühmte französische
Kriegsmaler Raffet befand; ebendies Kriegsschiff
sollte das hier lagernde algerische Gesindel nach
Oran zurückschaffen. Dabei hatte ich denn Gelegen-
heit, noch manche Seltsamkeiten dieses Gesindels
kennenzulernen.
Von Tanger aus besuchte ich die Höhlen der Riffpira-
ten und die malerische Stadt Tetuan. Dem Pascha
derselben hatte ich keinen Besuch gemacht, weil
solche Besuche jedesmal mit großen Geldopfern, die
ich damals nicht machen konnte, verbunden sind. Er
rächte sich aber dafür; denn als ich von Tetuan nach
Tanger zurück wollte, gab er mir vier Begleiter mit
auf den Weg, für die ich pro Tag zwanzig Dollars be-
zahlen mußte. Und dabei verlangte er vorweg eine
schriftliche Erklärung, dahin gehend, ›daß ich ihn
nicht verantwortlich machen wollte, wenn mir ein
Überfall zustieße‹. Ich blieb nämlich eine Nacht un-
terwegs, da mir ein Tagesritt von zwölf Stunden, den
ich auf der Hinreise gemacht, zu anstrengend war.
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Meine Begleiter, wie vorauszusehen, schliefen gleich
ein, statt abwechselnd die Wache zu halten, weshalb
ich sie persönlich übernehmen mußte. Dies wurde
mir dadurch leichter, daß wir an einem Orte lager-
ten, wo kurz zuvor eine Karawane angekommen war,
mit vielen im Atlasgebirge eingefangenen Affen, die
nun von den scharenweis herbeikommenden wilden
Hunden angebellt wurden, was einen Höllenlärm
verursachte.
Nach Spanien zurückgekehrt, glaubte ich mich in
meine Heimat versetzt, so groß war der Unterschied
zwischen europäischem und afrikanischem Leben. In
Tanger und Tetuan mußte ich mich durch einen spa-
nischen Dolmetscher mit den Arabern verständlich
machen; in Madrid mietete ich mich jetzt in eine
spanische Familie ein, um die Sprache schneller zu
erlernen. Durch die Liebenswürdigkeit der Damen,
besonders der Töchter des Hauses, gelang mir's auch
einigermaßen.
Auf der weiteren Rückreise durch Südfrankreich hat-
te ich einen Unfall und ward im Gebirge oben vom
höchsten Sitz der Messagerie durch Sturz des Wa-
gens wohl zwanzig Fuß herabgeschleudert, derart,
daß ich acht Tage meinen Kopf nicht bewegen konn-
te.«
So verlief die genau dreiviertel Jahr umfassende
spanisch-marokkanische Reise W. Gentz', die, wie
hier parenthetisch bemerkt werden mag, trotz der
vorerwähnten kostspieligen Militäreskorte von Tetu-
an nach Tanger, trotz etlicher »accidents« (darunter
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der Postwagenunfall) und endlich trotz reichlich in
Afrika gemachter Einkäufe, nur gerade 4000 Francs,
also etwa 1000 Taler, gekostet hatte, was nicht er-
mangeln wird, den Neid aller ungeschickt und teuer
Reisenden, zu denen ich mich leider selber zu zählen
habe, zu wecken.
Ende 1847 oder
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