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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kultur die sonst so
    verschiedenen Länder in der äußeren Erscheinung
    ziemlich gleich gemacht hat. Die Trümmer der Be-
    schießung von Tanger und Mogador durch die Fran-
    zosen waren, eine Folge der großen Indolenz der
    Bewohner, noch nicht fortgeräumt. Am Strande (ei-
    nen Hafen besaß Tanger noch nicht) und vor den
    Toren der Stadt lagen Hunderte von Arabern, Ber-
    bern und Kabylen, die von Algerien hierher verschla-
    gen waren, in Fetzen und Lumpen, unter ebenso zer-
    rissenen Zelten, halb nackt umher. Sie machten den
    Tag zur Nacht. Es war die Zeit des Fastenmonats
    Ramadân, wo von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang
    nicht Speise noch Trank genossen werden darf. Ein
    Unglücklicher, der seinen Durst nicht bezwingen
    konnte, glaubte heimlich trinken zu können, ohne
    dabei bemerkt zu werden. Aber das wilde, scharfe
    Auge des Hafenkapitäns hatte den Sünder erspäht,
    und sofort riß er, in seinem religiösen Fanatismus,
    eine Latte vom Zaun (ein Nagel war darin stecken-
    geblieben) und hieb auf den Armen ein, daß das Blut
    herumspritzte. Dazu war der Anzug dieses improvi-

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    sierten Henkers rot vom Turban bis zu den Maro-
    quinschuhen. Das war so ein Stück patriarchalischer
    Rechtsprechung. Ich mußte ein paar Stunden unter
    dem wilden Volk warten, ehe ich die Tore passieren
    durfte, da erst die Pässe revidiert werden mußten –
    der meinige durch den schwedischen Generalkonsul;
    denn wir hatten damals noch keinen Vertreter dort.
    Ein Russe, der Sohn des Gouverneurs von Sibirien,
    wurde überhaupt nicht eingelassen und mußte mit
    dem nächsten Schiff wieder abreisen. Zurück fuhr
    ich, viele Wochen später – wie hier vorgreifend gleich
    bemerkt werden mag –, auf einem französischen
    Kriegsschiff, auf dem sich der berühmte französische
    Kriegsmaler Raffet befand; ebendies Kriegsschiff
    sollte das hier lagernde algerische Gesindel nach
    Oran zurückschaffen. Dabei hatte ich denn Gelegen-
    heit, noch manche Seltsamkeiten dieses Gesindels
    kennenzulernen.
    Von Tanger aus besuchte ich die Höhlen der Riffpira-
    ten und die malerische Stadt Tetuan. Dem Pascha
    derselben hatte ich keinen Besuch gemacht, weil
    solche Besuche jedesmal mit großen Geldopfern, die
    ich damals nicht machen konnte, verbunden sind. Er
    rächte sich aber dafür; denn als ich von Tetuan nach
    Tanger zurück wollte, gab er mir vier Begleiter mit
    auf den Weg, für die ich pro Tag zwanzig Dollars be-
    zahlen mußte. Und dabei verlangte er vorweg eine
    schriftliche Erklärung, dahin gehend, ›daß ich ihn
    nicht verantwortlich machen wollte, wenn mir ein
    Überfall zustieße‹. Ich blieb nämlich eine Nacht un-
    terwegs, da mir ein Tagesritt von zwölf Stunden, den
    ich auf der Hinreise gemacht, zu anstrengend war.

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    Meine Begleiter, wie vorauszusehen, schliefen gleich
    ein, statt abwechselnd die Wache zu halten, weshalb
    ich sie persönlich übernehmen mußte. Dies wurde
    mir dadurch leichter, daß wir an einem Orte lager-
    ten, wo kurz zuvor eine Karawane angekommen war,
    mit vielen im Atlasgebirge eingefangenen Affen, die
    nun von den scharenweis herbeikommenden wilden
    Hunden angebellt wurden, was einen Höllenlärm
    verursachte.
    Nach Spanien zurückgekehrt, glaubte ich mich in
    meine Heimat versetzt, so groß war der Unterschied
    zwischen europäischem und afrikanischem Leben. In
    Tanger und Tetuan mußte ich mich durch einen spa-
    nischen Dolmetscher mit den Arabern verständlich
    machen; in Madrid mietete ich mich jetzt in eine
    spanische Familie ein, um die Sprache schneller zu
    erlernen. Durch die Liebenswürdigkeit der Damen,
    besonders der Töchter des Hauses, gelang mir's auch
    einigermaßen.
    Auf der weiteren Rückreise durch Südfrankreich hat-
    te ich einen Unfall und ward im Gebirge oben vom
    höchsten Sitz der Messagerie durch Sturz des Wa-
    gens wohl zwanzig Fuß herabgeschleudert, derart,
    daß ich acht Tage meinen Kopf nicht bewegen konn-
    te.«
    So verlief die genau dreiviertel Jahr umfassende
    spanisch-marokkanische Reise W. Gentz', die, wie
    hier parenthetisch bemerkt werden mag, trotz der
    vorerwähnten kostspieligen Militäreskorte von Tetu-
    an nach Tanger, trotz etlicher »accidents« (darunter

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    der Postwagenunfall) und endlich trotz reichlich in
    Afrika gemachter Einkäufe, nur gerade 4000 Francs,
    also etwa 1000 Taler, gekostet hatte, was nicht er-
    mangeln wird, den Neid aller ungeschickt und teuer
    Reisenden, zu denen ich mich leider selber zu zählen
    habe, zu wecken.
    Ende 1847 oder

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