Wanderungen durch die Mark Brandenburg
von
Eckernförde, besucht hatte.
Anfang April war W. Gentz in Konstantinopel und
Ende desselben Monats in Korfu. Von da ging er,
über Pest und Wien, ins elterliche Haus zurück, an
das er, all die Zeit über, zahlreiche Briefe gerichtet
hatte. Daheim nahm er seine malerische Tätigkeit
rasch wieder auf, und nachdem er, durch Jahr und
Tag hin, nur gezeichnet und skizziert hatte, ging er
jetzt mit doppelter Lust an ein großes Bild: »Der
Sklavenmarkt in Kairo«, das das Jahr darauf in Berlin
ausgestellt wurde.
Zu gleicher Zeit beschäftigte ihn die Herausgabe sei-
ner, von Ägypten her, an die Eltern gerichteten Brie-
fe, und zu Weihnachten 1852 erschienen denn auch
»Briefe aus Ägypten und Nubien« – Verlag von Carl
Barthol in Berlin –, ein vorzügliches Buch, das durch
all das, was seitdem an Reiseliteratur über Ägypten
erschienen ist, von seiner Bedeutung wenig und von
seinem Reize nichts verloren hat. Dieser Reiz besteht
zum Teil in dem, was ich schon wiederholentlich als
»Gentzsche Vortragsweise« bezeichnet habe, noch
mehr aber in jener ein gutes Wissen und einen freien
Blick zur Voraussetzung habenden Fähigkeit, die
großen Erscheinungen der Kunst, der Geschichte,
des Lebens überhaupt, in ihrem Zusammenhange zu
begreifen. Zum Beweise dessen mag es mir gestattet
sein, aus dem an Anschauungen und Betrachtungen
gleich reichen Buche wenigstens eine Stelle hier zi-
tieren zu dürfen. So heißt es aus Dendare am
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1. Januar 1851: »Wie Ägypten selbst als ein eigen-
tümlicher, nur aus sich selbst verständlicher Orga-
nismus anzusehen ist, so prägen auch die ägypti-
schen Kunstwerke: ganze Ortschaften mit Tempeln,
Obelisken, Grabdenkmälern, Sphinxalleen, eine in
sich einige Totalität aus, welche der hierarchischen
Gliederung und Ordnung des Lebens entspricht. Nur
von diesem Gesichtspunkte aus wird die Kunst jener
zurückliegenden Jahrtausende verständlich. Das ein-
zelne, und wäre es der kolossalste Obelisk, kann für
sich allein keine Vorstellung von der Großartigkeit
altägyptischer Kunstintentionen geben – in dem
Reichtum von Bauwerken, mit denen ein solcher Ein-
zelobelisk zu einem Ganzen verbunden war, war er
nichts als eine verschwindende Größe. Nur wer die
verbliebenen Baureste im großen und ganzen übersieht, vermag einigermaßen zu würdigen, welche
Großartigkeit künstlerischer Unternehmungen in die-
sem Lande heimisch war, hier, wo jetzt die Trägheit
einer Sklavenbevölkerung nichts ahnt von jenem
gewaltigen Geist, an dessen ewigen Monumenten sie
gleichgiltig vorbeizieht. Unsere moderne Welt«, so
fährt Gentz in demselben Briefe fort, »hat, nach dem
Untergange des griechischen Lebens, die Künste
voneinander separiert . Bei der weltfeindlichen Tendenz der katholischen Kirche konnte, zunächst we-
nigstens, im frühern Mittelalter kein großartiges
Kunstleben erwachen; der gotische Kirchenbau ver-
einigte später zwar mehrere Künste von neuem, aber
doch immer nur in einer den höchsten Aufgaben der
Kunst widerstreitenden Begrenzung, da der durch
das Transzendentale bestimmte Charakter der Gotik
sich nicht bemüßigt sehen konnte, die schöne Er-
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scheinung festzuhalten. Nur das geistige und körperliche Leiden kommt in den alten Heiligenbildern zur
Darstellung. Als dann aber später (in Raffael und
anderen) die Malerei sich anließ, mit ihren unerreich-
ten geistig und sinnlich schönen Madonnenbildern die
Basiliken Roms zu schmücken, war sie ebenso weit
über das eigentliche christlich mittelalterliche Kir-
chenwesen hinaus, wie die liberalen, in sinnlicher
Üppigkeit dahinlebenden Päpste, Julius II. und
Leo X., die Zeit der Askese hinter sich hatten.«
Bald nach Erscheinen der ägyptischen Briefe kehrte
W. Gentz von Ruppin beziehungsweise Berlin nach
Paris zurück, Frühjahr 1853, wohin es ihn längst ge-
zogen haben mochte. Seine Tätigkeit verdoppelte
sich, und er begann, von 1853 bis 1858, nach dem
Vorbilde Horace Vernets, biblische Motive in treuer
Wiedergabe orientalischen Wesens, wozu seine zahl-
reichen Studien ihn befähigten, zu komponieren. Und
neben diesen Bildern biblischen Inhalts gab er Dar-
stellungen aus dem Volksleben. Es entstanden um
diese Zeit: 1. Sphinx bei Theben; Hirt mit Ziegen im
Vordergrund. 2. Ägyptische Studenten. 3. Christus
und Magdalena beim Pharisäer Simon. (Von Frau
Hauptmann Steinberg in Ruppin gekauft und für die
dortige Klosterkirche gestiftet.)
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