Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Mitglieder der Voßschen Familie, die sich ein Begrabenwer-
den in »ihrer Mumiengruft« eigens verraten. Gerhard
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Bernhard von Pöllnitz ist übrigens nicht, wie gele-
gentlich geschieht, mit dem Touristen, Kammerherrn
und Memoirenschreiber Karl Ludwig von Pöllnitz zu
verwechseln, den Friedrich der Große durch die Wor-
te: »ein infamer Kerl, dem man nicht trauen muß;
divertissant beim Essen, hernach einsperren«, zu
charakterisieren versucht hat und dessen Memoiren
gegenüber es doch wahr bleibt, »daß sie leichter zu
tadeln als zu entbehren sind«. Gerhard Bernhard von
Pöllnitz war der Großvater des Memoirenschreibers
und, wie es sich für einen General und Oberstall-
meister geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem De-
gen als mit der Feder.
Ein Zweifel, den nichtsdestoweniger der Freiherr
Truchseß von Waldburg gegen den Mut und die sol-
datische Ehre des Oberstallmeister erhob, führte zu
einem der seltsamsten Duelle, die je gefochten wur-
den. Die beiden Gegner trafen sich (1664) auf dem
sogenannten »Ochsengrieß«, einer Wiese in der Nä-
he von Wien. Die weite Reise war nötig, weil die vie-
len Duelle, die damals am brandenburgischen Hofe
vorkamen, zu den allerschärfsten Erlassen gegen den
Zweikampf geführt hatten. Das Duell sollte zu Pferde
stattfinden und die Kugeln in möglichstes Nähe
a tempo gewechselt werden. Der Oberstallmeister
ritt an den Freiherrn Truchseß heran und fragte ihn,
ob er gesagt habe: er habe ihn (den Pöllnitz) kujo-
niert und keine Satisfaktion bekommen können.
Truchseß antwortete: »Ja, das habe ich gesagt.«
Darauf wurden die Pistolen abgefeuert und in Ge-
genwart der Sekundanten frisch geladen. Pöllnitz
fragte voll Courtoisie: »ob man die Pferde wechseln
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wolle«, was Truchseß ablehnte. Man ritt nun in leb-
haftem Schritt aneinander heran und schoß auf
nächste Distance. Die Kugel des Truchseß streifte
den Oberstallmeister über den Bauch, die Kugel des
letzteren aber traf den Truchseß tödlich. Er sank zur
Seite und hielt sich mühsam im Sattel. Pöllnitz fragte
ihn jetzt: »Müsset Ihr nunmehro nicht zugestehen,
daß Ihr mir Unrecht getan und meine Ehre ohne
Grund gekränket habt?«, worauf Truchseß erwiderte:
»Ich hab Euch Unrecht getan und bitte, daß Ihr mir
vergeben wollt.« Man nahm den Truchseß aus dem
Sattel und legte ihn auf den Rasen. Der Oberstall-
meister kniete an seiner Seite nieder und sprach
dem Sterbenden aus Gottes Wort christlichen Trost
zu, bis er verschied.
Wir verlassen nun die Gruft und treten in die Kirche.
Sie zeigt sich geräumig, lichtvoll und von einer Ein-
fachheit, die nach der Überladenheit der Façaden
angenehm überrascht. Es fehlt aller vergoldete Zie-
rat, aber das Eichenschnitzwerk an Kanzel und Altar
ersetzt ihn mehr als genügend. In der Mitte wölbt
sich die Kuppel, und nur der Bilderschmuck, den man
an dieser Stelle wenigstens versucht hat, hebt die gute Totalwirkung der inneren Kirche zum Teil wieder auf. Ein Moses mit den zwei Sinaitafeln auf sei-
nen Knien und eine büßende Magdalena, die den Fuß
auf Drachen und Totenkopf setzt, sind Leistungen,
die auf eine wenig ruhmreiche Stufe vaterländischer
Kunst zurückweisen.
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Der Ostflügel bildet einen »hohen Chor«. Altar und
Kanzel trennen ihn von dem Hauptteile der Kirche
völlig ab, und nur zwei Treppen zur Rechten und Lin-
ken unterhalten die nötige Verbindung. Es scheint,
daß es Absicht des Baumeisters war, hier Raum für
ein Camposanto, für eine marmorne Gedächtnishalle,
zu schaffen, eine Vermutung, die dadurch bestätigt
wird, daß sich die bereits beschriebene Gruft gerad
unter diesem Teile der Kirche befindet. Den Intentio-
nen des Baumeisters ist aber nur einmal entsprochen
worden. Ein einziges, allerdings sehr reiches und
prächtiges Grabmonument erhebt sich an dieser
Stelle: das von Glume herrührende Marmordenkmal
des Ministers von Viereck. Zieht man den Geschmack
jener Zeit in Erwägung, der in dem Hange nach
geistreicher Symbolik vielleicht etwas zu weit ging,
so muß man zugestehen, daß es eine ganz vortreffli-
che Arbeit ist. Die Gestalten, aus denen sich das
Ganze zusammensetzt, sind folgende: der Tod mit
der Sichel und ein Engel mit dem Palmzweig, wozu
sich dann, von der andern Seite her, eine weibliche
Figur mit einer weit geöffneten Leuchte gesellt, un-
zweifelhaft um das »Licht der Aufklärung« anzudeu-
ten, das wenigstens zu der Zeit, als
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