Wanderungen durch die Mark Brandenburg
überhaupt nichts empfunden. Man lese
die Dinge ohne Vorurteil, und man wird an der Wir-
kung auf das eigene Herz wahrnehmen, daß ein Herz
in diesen zopfigen Strophen schlägt.
1. Canitz und seine erste Gemahlin, Doris von
Arnim, deren Grabmäler ich in der obenge-
nannten Marienkirche zu Berlin lange vergeb-
lich suchte, sind nichtsdestoweniger in der-
selben wirklich beigesetzt worden, aber in
dem Röbelschen Erbbegräbnis, dessen ich in
dem Kapitel »Buch« bereits eingehender er-
wähnt habe. Da dies Erbbegräbnis, in dem,
laut Stadtrat Kleins »Geschichte der Marien-
kirche«, die Toten dreier Familien: der Röbel,
Canstein und Canitz, beigesetzt wurden, seit
etwa vierzig Jahren zugemauert ist so ist es
nicht mehr möglich, die Särge um ihre In-
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schriften zu befragen. Möglich, daß dieselben,
zum Beispiel über den Geburtsort Canitz', ei-
nen bestimmten Aufschluß geben würden.
2. Ich hätte hier statt des von Plothoschen auch
ein anderes Beispiel zitieren können, ein Bei-
spiel aus der Canitzschen Zeit und noch dazu
ein Vorkommnis, in dem der Spezialfreund
unseres Poeten, der schon an anderer Stelle
genannte Johann von Besser, die Hauptrolle
spielt. Besser war 1686 kurbrandenburgischer
Gesandter in London, und es handelte sich,
nach erfolgtem Tode Karls II., für das ganze
diplomatische Corps darum, dem nunmehri-
gen Könige Jakob II. die Glückwünsche ihrer
resp. Höfe, zu überreichen. Der alte venezia-
nische Gesandte Vignola verlangte den Vor-
tritt vor Besser; Besser aber verweigerte dies.
Man einigte sich endlich dahin, daß der den
Vortritt haben solle, der zuerst auf dem Platz
erscheinen würde. Der alte Italiener kam
früh, aber Besser kam früher; er hatte sich
nämlich die Nacht über in eins der königlichen
Vorzimmer einschließen lassen und stand nun
bereits da, als Vignola eintrat. Dieser war un-
klug genug, nach wie vor auf dem Vortritt zu
bestehen. Besser warnte ihn. Als der Zere-
monienmeister die Tür öffnete, sprang Vigno-
la vor, Besser aber, der von großer Körper-
kraft war, packte im selben Augenblicke den
alten Schelm hinten am Hosenbund und
schnellte ihn mit geübter Ringerkunst mehre-
re Schritte hinter sich. Ohne eine Miene zu
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verziehen, trat er darauf, völlig fest und ge-
sammelt, an die Stufen des Thrones und hielt
eine Ansprache. Alles war entzückt, der König
nichts weniger als beleidigt, und der spani-
sche Gesandte sagte ruhig zum alten Vignola:
»Caro vecchio, avete fatto una grande caca-
ta.« Der Vorfall machte in ganz Europa Sen-
sation und wurde wie ein neuer Sieg Bran-
denburgs gefeiert, nicht viel geringer, als sei
eine zweite Schlacht von Fehrbellin geschla-
gen und gewonnen worden.
3. Der Titel des Gedichtes lautet: » Elegie ; letzte Pflicht der Freundschaft, dem sel. Grafen von
Dohna auf derjenigen Stelle abgestattet, wo
derselbe, wenig Wochen zuvor, den tödlichen
Schuß empfangen hatte«. (Es geschah dies
bei dem berühmten Sturm auf Ofen 1686; die
Brandenburger, von den Türken die »Feuer-
männer« geheißen, wurden von General von
Schöning geführt.)
Werneuchen
Wenn vor des Pfarrhofs kleinen Zellen
Nun bald die Lindenknospen schwellen,
Wenn Vögel in den Ahornhecken
Die weißen Eierchen verstecken,
Dann kommst du, unsres Glückes froh,
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Im Hute von geflochtnem Stroh,
Zu atmen hier, voll Veilchenduft,
Werneuchens reine Frühlingsluft.
Schmidt von Werneuchen
Inmitten des Barnim, halben Wegs zwischen Berlin
und Eberswalde, liegt das Städtchen Werneuchen.
Ich sage Städtchen, um dem Lokalpatriotismus ein-
zelner seiner Bewohner nicht zu nahe zu treten, die
das Beiwort »Stadt« für ironische Übertreibung und
die Bezeichnung »Flecken« als Mangel an Respekt
ansehen möchten. Ich hüte mich weislich vor jeder
Parteiergreifung und verweigere nicht minder, an
dem über die Herstammung des Wortes »Werneu-
chen« ausgebrochenen Kampfe teilzunehmen. Alles,
was an Erbitterung auf dem Felde der vergleichenden
Sprachforschung nur jemals zutage getreten ist, ist
auch hier wieder sichtbar geworden, und die Partei
»Bernau«, wiewohl mehrmals geschlagen, steht der
Partei »Warnow« immer noch voll ungebrochenen
Mutes gegenüber. Werneuchen ist Klein-Bernau, sa-
gen die einen und deduzieren etwa wie folgt: Klein-
Bernau = Bernäuchen, und Bernäuchen = Werneu-
chen. Mitnichten, erwidern die andern. Werneuchen
ist Klein-Warnow, Klein-Warnow =
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