Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
überhaupt nichts empfunden. Man lese
    die Dinge ohne Vorurteil, und man wird an der Wir-
    kung auf das eigene Herz wahrnehmen, daß ein Herz
    in diesen zopfigen Strophen schlägt.

    1. Canitz und seine erste Gemahlin, Doris von
    Arnim, deren Grabmäler ich in der obenge-
    nannten Marienkirche zu Berlin lange vergeb-
    lich suchte, sind nichtsdestoweniger in der-
    selben wirklich beigesetzt worden, aber in
    dem Röbelschen Erbbegräbnis, dessen ich in
    dem Kapitel »Buch« bereits eingehender er-
    wähnt habe. Da dies Erbbegräbnis, in dem,
    laut Stadtrat Kleins »Geschichte der Marien-
    kirche«, die Toten dreier Familien: der Röbel,
    Canstein und Canitz, beigesetzt wurden, seit
    etwa vierzig Jahren zugemauert ist so ist es
    nicht mehr möglich, die Särge um ihre In-

    2561
    schriften zu befragen. Möglich, daß dieselben,
    zum Beispiel über den Geburtsort Canitz', ei-
    nen bestimmten Aufschluß geben würden.

    2. Ich hätte hier statt des von Plothoschen auch
    ein anderes Beispiel zitieren können, ein Bei-
    spiel aus der Canitzschen Zeit und noch dazu
    ein Vorkommnis, in dem der Spezialfreund
    unseres Poeten, der schon an anderer Stelle
    genannte Johann von Besser, die Hauptrolle
    spielt. Besser war 1686 kurbrandenburgischer
    Gesandter in London, und es handelte sich,
    nach erfolgtem Tode Karls II., für das ganze
    diplomatische Corps darum, dem nunmehri-
    gen Könige Jakob II. die Glückwünsche ihrer
    resp. Höfe, zu überreichen. Der alte venezia-
    nische Gesandte Vignola verlangte den Vor-
    tritt vor Besser; Besser aber verweigerte dies.
    Man einigte sich endlich dahin, daß der den
    Vortritt haben solle, der zuerst auf dem Platz
    erscheinen würde. Der alte Italiener kam
    früh, aber Besser kam früher; er hatte sich
    nämlich die Nacht über in eins der königlichen
    Vorzimmer einschließen lassen und stand nun
    bereits da, als Vignola eintrat. Dieser war un-
    klug genug, nach wie vor auf dem Vortritt zu
    bestehen. Besser warnte ihn. Als der Zere-
    monienmeister die Tür öffnete, sprang Vigno-
    la vor, Besser aber, der von großer Körper-
    kraft war, packte im selben Augenblicke den
    alten Schelm hinten am Hosenbund und
    schnellte ihn mit geübter Ringerkunst mehre-
    re Schritte hinter sich. Ohne eine Miene zu

    2562
    verziehen, trat er darauf, völlig fest und ge-
    sammelt, an die Stufen des Thrones und hielt
    eine Ansprache. Alles war entzückt, der König
    nichts weniger als beleidigt, und der spani-
    sche Gesandte sagte ruhig zum alten Vignola:
    »Caro vecchio, avete fatto una grande caca-
    ta.« Der Vorfall machte in ganz Europa Sen-
    sation und wurde wie ein neuer Sieg Bran-
    denburgs gefeiert, nicht viel geringer, als sei
    eine zweite Schlacht von Fehrbellin geschla-
    gen und gewonnen worden.

    3. Der Titel des Gedichtes lautet: » Elegie ; letzte Pflicht der Freundschaft, dem sel. Grafen von
    Dohna auf derjenigen Stelle abgestattet, wo
    derselbe, wenig Wochen zuvor, den tödlichen
    Schuß empfangen hatte«. (Es geschah dies
    bei dem berühmten Sturm auf Ofen 1686; die
    Brandenburger, von den Türken die »Feuer-
    männer« geheißen, wurden von General von
    Schöning geführt.)

    Werneuchen

    Wenn vor des Pfarrhofs kleinen Zellen
    Nun bald die Lindenknospen schwellen,
    Wenn Vögel in den Ahornhecken
    Die weißen Eierchen verstecken,
    Dann kommst du, unsres Glückes froh,

    2563

    Im Hute von geflochtnem Stroh,
    Zu atmen hier, voll Veilchenduft,
    Werneuchens reine Frühlingsluft.
    Schmidt von Werneuchen

    Inmitten des Barnim, halben Wegs zwischen Berlin
    und Eberswalde, liegt das Städtchen Werneuchen.
    Ich sage Städtchen, um dem Lokalpatriotismus ein-
    zelner seiner Bewohner nicht zu nahe zu treten, die
    das Beiwort »Stadt« für ironische Übertreibung und
    die Bezeichnung »Flecken« als Mangel an Respekt
    ansehen möchten. Ich hüte mich weislich vor jeder
    Parteiergreifung und verweigere nicht minder, an
    dem über die Herstammung des Wortes »Werneu-
    chen« ausgebrochenen Kampfe teilzunehmen. Alles,
    was an Erbitterung auf dem Felde der vergleichenden
    Sprachforschung nur jemals zutage getreten ist, ist
    auch hier wieder sichtbar geworden, und die Partei
    »Bernau«, wiewohl mehrmals geschlagen, steht der
    Partei »Warnow« immer noch voll ungebrochenen
    Mutes gegenüber. Werneuchen ist Klein-Bernau, sa-
    gen die einen und deduzieren etwa wie folgt: Klein-
    Bernau = Bernäuchen, und Bernäuchen = Werneu-
    chen. Mitnichten, erwidern die andern. Werneuchen
    ist Klein-Warnow, Klein-Warnow =

Weitere Kostenlose Bücher