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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Werneu-
    cheners, der von den Zeiten der »Wröh« spricht wie
    ein Lübecker von der Hansa und ihrer Ostseeherr-
    schaft.
    Im Sommer 1809 hatte Werneuchen noch seinen
    Lindenplatz zwischen Pfarrhaus und Kirchhof und,
    was mehr sagen will, auch noch die vier Feldsteine
    und sein »Wröh«. Wir kommen aber nicht in heißer
    Junischwüle von Berlin, um einer Sitzung des letzten
    Ausläufers der Feme voll Schweigen und Ehrerbie-
    tung beizuwohnen – wir haben ein andres Ziel vor
    Augen: einen Besuch in der Pfarre.

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    Dorf Blumberg liegt längst hinter uns und nun auch
    Seefeld und Löhme, zwei Zwillingsdörfer, die von
    hüben und drüben ihre völlig gleichen Kirchturmspit-
    zen im Wasser des Löhme-Sees spiegeln. Aber der
    Werneuchner Kirchturm neckt uns noch immer, und
    ermüdet vom langen Marsche, halten wir inne, stüt-
    zen uns, nach hinten übergebogen, auf unseren
    Stock und lüften mit der Linken den Hut, um uns die
    Stirne vom Winde kühlen zu lassen. Da plötzlich ist
    es, als hörten wir etwas wie Peitschenknall und Pfer-
    deschnaufen, und zurückblickend bemerken wir ei-
    nen offenen Wagen, der, den Sand des Weges auf-
    wirbelnd, in raschem Trab uns folgt. Und im nächs-
    ten Augenblicke schon ist er so nahe, daß wir seine
    Insassen bequemlichst zählen können. Es sind ihrer
    fünf. Vorne der Kutscher mit zwei blondköpfigen
    Jungen und dahinter, auf dem eigentlichen Sitze des
    Wagens – der in vier Lederriemen hängt und bei je-
    der Bewegung hin- und herschaukelt –, ein wohlge-
    nährtes Ehepaar, allem Anscheine nach zwischen
    dreißig und vierzig. Die Frau hält einen aufgespann-
    ten Regenschirm, den sie mit vielem Geschick à deux
    mains zu gebrauchen weiß, indem sie das rote Dach
    als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber als
    Krückstock benutzt, um die beiden Jungen in Ord-
    nung zu halten, die des eng zugemessenen Raumes
    halber in beständiger Fehde sind und aller Contrôle
    zum Trotz ihren still erbitterten Kampf mit den Ellen-
    bogen fortsetzen. Zwischen der Sitzbank und dem
    schrägen Hinterteile des Wagenkorbs ist noch ein
    leerer Raum, und unsere Kenntnis ähnlicher Fuhr-
    werke läßt uns erraten, daß hier ein Häcksel- oder
    Futtersack verborgen sein müsse, der schließlich

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    nichts dagegen haben würde, wenn wir uns ent-
    schlössen, die letzte Viertelmeile des Wegs auf sei-
    nem Polster zurückzulegen. Und wirklich, wir
    schwingen uns hinein, und unsere Tarnkappe hervor-
    ziehend, unser selbstverständliches und allerwich-
    tigstes Reisenecessaire, sitzen wir jetzt unbemerkt
    auf dem Häckselsack und werden zu glücklichen
    Zeugen all der kleinen Erziehungs- und Unterhal-
    tungsszenen, die sich mehr und mehr zu einer ge-
    mütlichen Familienkomödie gestalten.
    Unmittelbar vor uns, auf einer für unsere Füße frei
    gebliebenen Stelle, liegt ein Spielzeug, jenes mit
    Glöckchen und Schellen behängte Blechinstrument,
    das unter dem Namen der »Janitschar« das Entzü-
    cken aller Kinderherzen bildet. Der Raum ist so eng,
    daß wir's trotz äußerster Vorsicht nicht vermeiden
    können, die Glöckchen gelegentlich zu berühren, und
    jedesmal, wenn es klingelt und tingelt, drehen sich
    alle fünf Köpfe nach uns um, in leiser Ahnung, daß es
    auf dem Häckselsacke nicht ganz richtig sei. Diese
    Kopfwendungen, die der starken Frau jedesmal äu-
    ßerst schwer werden, geben uns eine gute Gelegen-
    heit, unsere bis dahin nur von Rücken und Seite her
    gesehene Reisegesellschaft auch en face kennenzu-
    lernen und uns über den Ausdruck des Behagens als
    eines charakteristischen Familienzuges zu vergewis-
    sern. Die beiden Jungen sind unzweifelhaft Zwillinge;
    der Mutter, einer hübschen blonden Frau, rollen die
    Schweißtropfen wie Freudentränen von der Stirn,
    und ihr Ehegemahl zur Rechten zeigt uns jenes
    wohlbekannte, aus Würdigkeit und Sonnenbrand
    zusammengesetzte Gesicht, das alle ländliche Beam-

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    te zu haben pflegen, denen der Dienst in der Amts-
    und Gerichtsstube die Zeit zu Schnepfen- und Enten-
    jagd nicht allzusehr verkürzt. Und so fehlt denn
    nichts mehr als die namentliche Vorstellung: Amt-
    saktuarius Bernhard aus Löhme nebst Frau und Fa-
    milie, die sich gleich nach Tisch auf den Weg ge-
    macht haben, um dem befreundeten Pfarrhause zu
    Werneuchen, wo heute Geburtstag ist, einen Besuch
    abzustatten.
    Die beiden Braunen traben tüchtig weiter, der kleine
    Streit zwischen dem Ehepaar, ob »Pät Ulrich« heute
    neun oder erst acht Jahre geworden sei,

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