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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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geschnittene Amoretten zeigt. Einige
    sind wurmstichig geworden, andere haben sonstigen
    Schaden genommen.
    Beim Eintreten erblickt man zuerst ein paar verlies-
    artige Kellerräume, darin etwas Stroh liegt, als wä-
    ren es eben verlassene Lagerstätten. Von hier aus

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    führt eine Treppe von zehn oder zwölf Stufen ins
    Hochparterre, danach eine zweite, höhere Treppe bis
    ins erste Stockwerk. Wir verweilen hier einen Augen-
    blick. Ein schmaler Gang scheidet zwei Reihen Zim-
    mer voneinander, deren Türen, etwa in Mittelhöhe
    (mutmaßlich des besseren Luftzugs halber), kleine
    Gitterfenster haben, infolgedessen die Zimmer aus-
    sehen wie Gefängniszellen. Es sind dies ersichtlich
    dieselben Räume, darin die Prinzessinnen schlafen
    mußten, wenn sie nicht in den kleinen Giebelstuben
    untergebracht wurden. Die Gitterfenster gönnen ü-
    berall einen Einblick. In einem der Zimmer lagen
    Aktenbündel ausgebreitet, weiße, grüne, blaue, wohl
    achtzig oder hundert an der Zahl. Mutmaßlich eine
    alte Registratur der Herrschaft Königs Wusterhausen.
    Wir stiegen nun ins Hochparterre zurück. Hier befin-
    det sich die ganze Herrlichkeit des Schlosses auf
    engstem Raum zusammen. Man tritt zuerst in eine
    mit Hirschgeweihen ausgeschmückte Jagdhalle, die,
    wie der Flurgang oben, zwischen zwei Reihen Zim-
    mern hinläuft. Die frühere große Sehenswürdigkeit
    darin ist derselben verlorengegangen. Es war dies
    das 532 Pfund schwere Geweih eines Riesenhirsches,
    der 1636, also zur Regierungszeit George Wilhelms,
    in der Köpnicker Forst, vier Meilen von Fürstenwalde,
    erlegt worden war. Über dies Geweih ist auch in
    neuerer Zeit noch viel gestritten und obige Ge-
    wichtsangabe, wie billig, belächelt worden. Nichts-
    destoweniger muß das Geweih etwas ganz Enormes
    gewesen sein, da Friedrich August II. von Sachsen
    dem Könige Friedrich Wilhelm I. eine ganze Com-
    pagnie langer Grenadiere zum Tausch dafür anbot, 2627
    ein Anerbieten, das natürlich angenommen wurde.
    Das Geweih existiert noch und soll sich auf dem
    Jagdschloß Moritzburg bei Dresden befinden.
    Rechts von der Halle sind zwei Türen. An der einen,
    zunächst der Treppe, standen mit Kreide die Worte:
    »Wachtstube der Artillerie«. Bei Manövern, Mobilma-
    chungen etc. muß nämlich das Wusterhausener
    Schloß wohl oder übel mit aushelfen und erhält vo-
    rübergehend eine kleine Garnison. Auch stehen in
    der Tat die meisten dieser Räume, wenigstens in der
    Gestalt in der ich sie noch sah, auf der Stufe von
    Kasernenstuben.
    Das erste Zimmer hinter der mit Kreide beschriebe-
    nen Tür war ehedem das Schlafzimmer Friedrich Wil-
    helms I. Es befindet sich in demselben das große
    Waschbecken des Königs, etwas höchst Primitives,
    eine Art festgemauertes Waschfaß . Aus Gips gefertigt, gleicht es den Abgußsteinen, die man in unseren
    Küchen findet und hat in der Tat eine Öffnung zum
    Abfluß des Wassers, in der ein steinerner Stöpsel
    steckt, halb so lang wie ein Arm und halb so dick.
    Beim Anblick dieses Waschfasses glaubt man ohne
    weitere Zweifel, was vom Soldatenkönig berichtet
    wird, daß er einer der reinlichsten Menschen war und
    »sich wohl zwanzigmal des Tages wusch«.
    Die andere Tür, ebenfalls zur Rechten der Halle,
    führt in den Speisesaal . Er mißt fünfzehn Schritt im Quadrat. In der Mitte desselben ist ein hölzerner
    Pfeiler angebracht, der vielleicht mehr schmücken als
    stützen soll. Ein großer Kamin, neben dessen einem

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    Vorsprung einst eine Treppe direkt in die Küche führ-
    te, vollendet die Herrichtung. Es ist dies derselbe
    Saal, in dem, wie schon hervorgehoben, an jedem
    11. September der Tag von Malplaquet und an jedem
    3. November das Hubertusfest gefeiert ward. Es ging
    dann viel heitrer hier her, als man jetzt wohl beim
    Anblick dieser weißgetünchten Öde glauben möchte.
    Frauen waren ausgeschlossen. Es war ein Männer-
    fest. Zwanzig bis dreißig Offiziers, meist alte Genera-
    le, die unter Eugen und Marlborough mitgefochten
    hatten, saßen dann um den Tisch herum, und
    Rheinwein und Ungar wurden nicht gespart. Der
    »starke Mann« mußte kommen und seine Kunststü-
    cke machen; zuletzt, während die Lichter flackerten
    und qualmten und die Piqueurs auf ihren Jagdhör-
    nern bliesen, packte der König den alten Generallieu-
    tenant von Pannewitz, der von Malplaquet her eine
    breite Schmarre im Gesicht hatte, und begann mit
    ihm den Tanz. Dazwischen Tabak, Brettspiel und
    Puppentheater, bis das Vergnügen

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