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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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an sich selbst
    erstarb.
    Wir treten nun aus diesem Eßsaal wieder in die Halle
    zurück. Zur Linken derselben befinden sich ebenfalls
    zwei Zimmer, die Zimmer der Königin . Sie sind verhältnismäßig noch wohlerhalten und geben einem ein
    deutliches Bild von der »Élégance« jener Tage. Beide
    Zimmer sind durch eine Tür von Eichenholz mitein-
    ander verbunden, wie denn auch niedrige Eichen-
    holzpaneele die Wände bekleiden, während in den
    vier Ecken oben vier Lyras angebracht sind, die so
    geniert dreinsehen, als befänden sie sich lieber wo-
    anders. Und doch haben sie wenigstens Gesellschaft:

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    zwei Basreliefs (in jedem Zimmer eins), die sich als
    Wandschmuck zwischen Kamin und Decke schieben.
    Das eine stellt eine »Toilette der Venus«, das andere
    eine »Venus-Feier« dar. Auf jenem erblicken wir
    nichts als die herkömmlichen Amoretten, schnäbeln-
    de Tauben, Rosenguirlanden etc., das zweite dage-
    gen tut ein übriges, und nackte Gestalten von ganz
    unglaublichen Formen umtanzen eine Venus-Statue,
    während ein Satyr von hinten her eine Bacchantin
    umklammert und die Widerstrebende zum Tanze
    zwingt. An anderem Orte würde dieser lustige Hei-
    denspuk wenig bedeuten, hier im Schlosse zu Wust-
    erhausen aber nimmt er sich wunderlich genug aus
    und paßt seltsam zu dem Waschbecken drüben mit
    dem dicken steinernen Stöpsel.
    Das erste dieser Zimmer, das sich mit der »Toilette
    der Venus« begnügt, führt durch eine Seitentür auf
    eine Art Rampe, die ziemlich steil nach dem Park hin
    abfällt. Diesen Weg machte wahrscheinlich der Kö-
    nig, wenn er in seinem Gichtstuhl in den Garten hin-
    ein- und wieder zurückgerollt wurde. Bekanntlich war
    Treppensteigen nicht seine Sache.
    Wir aber treten jetzt ebenfalls ins Freie hinaus und
    atmen auf im Sonnenlicht und in dem Wiesendufte,
    den eine Luftwelle herüberträgt. Eine mächtige alte
    Linde, hart zu Füßen der Rampe, ladet uns ein, unter
    ihrem Zweigwerk Platz zu nehmen, und wir sitzen
    nun mutmaßlich unter demselben Blätterdach, »un-
    ter dem die Damen, wenn's regnete, bis an die Wa-
    den im Wasser saßen«. Die Parkwiese liegt vor uns,
    Hummel und Käfer summen darüber hin, und das

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    Mühlenfließ uns zur Rechten fällt leis über das Wehr.
    Träume nehmen den Geist gefangen und führen ihn
    weit, weit fort in südliche Lande, zu Tempeltrüm-
    mern und Götterbildern. Aber ein Satyr lauscht plötz-
    lich daraus hervor. Es ist derselbe, der der tanzen-
    den Bacchantin da drinnen im Nacken sitzt und sie-
    he, die Prosabilder von Schloß Wusterhausen schie-
    ben sich plötzlich wieder vor die Bilder klassischer
    Schönheit.
    Hatte die Memoirenschreiberin doch recht? Ja und nein. Ein prächtiger Platz für einen Weidmann und
    eine starke Natur, aber freilich ein schlimmer Platz
    für ästhetischen Sinn und einen weiblichen esprit
    fort.

    1. Prinzessin Wilhelmine (die Markgräfin) erzählt
    an einer andern Stelle ihrer Memoiren: »Ich
    war all die Zeit über so leidend, daß ich versi-
    chern darf, zwei Jahre lang von nichts ande-
    rem als Wasser und trocken Brot gelebt zu
    haben.« Ähnliche Klagen wiederholen sich. Es
    ist aber, aller Sparsamkeit oder meinetwegen
    auch alles Geizes des Königs unerachtet, nicht
    sehr wahrscheinlich, daß es so knapp in
    Wusterhausen hergegangen sein sollte. Der
    König war ein sehr starker Esser, und alle
    Personen von gutem Appetit haben die Maxi-
    me: »Leben und leben lassen.« Außerdem
    liegen glaubhafte Berichte vor, aus denen sich
    ganz genau ersehen läßt, was an Königs Tisch

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    gespeist wurde. Es gab: Suppe, gestovtes
    Fleisch, Schinken, eine Gans, Fisch, dann Pas-
    tete. Dazu sehr guten Rheinwein und Ungar.
    In Wusterhausen kamen noch, weil es die
    Jahreszeit mit sich brachte, Krammetsvögel,
    Leipziger Lerchen und Rebhühner hinzu, be-
    sonders auch Früchte zum Dessert, darunter
    die schönsten Weintrauben. Das klingt schon
    einladender als die Beschreibung der Prinzes-
    sin.

    2. Teupitz

    Winde hauchen hier so leise,
    Rätselstimmen tiefer Trauer.
    Lenau

    Teupitz verlohnt eine Nachtreise, wiewohl diese
    Hauptstadt des »Schenkenländchens« nicht das
    mehr ist, als was sie mir geschildert worden war.
    All diese Schilderungen galten seiner Armut. »Die
    Poesie des Verfalls liegt über dieser Stadt«, so hieß es voll dichterischen Ausdrucks, und die pittoresken
    Armutsbilder, die mein Freund und Gewährsmann
    vor mir entrollte, wurden mir zu einem viel größeren
    Reiseantrieb

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