Wanderungen durch die Mark Brandenburg
eingerahmten Geburtstagswunsch
am Bettende werden immer größer. Und nun fliegen
sie fort, und – meine Träume fliegen ihnen nach.
Aber nicht auf lange. Das Picken des Nagelschmieds
von der Ecke gegenüber weckt mich, und während
die Frühstücksstunde kommt und die braunen Sem-
meln neben die noch braunere Kanne gestellt wer-
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den, setzt sich die »Sternen«-Wirtin zu mir und un-
terhält mich von Teupitz und dem Teupitzer See.
»Ja«, so sagt sie, »was wäre Teupitz ohne den See.
Wir wären längst ein Dorf, wenn wir das Wasser
nicht hätten. Freilich, wir dürfen nicht mehr drin fi-
schen, die Fischereigerechtigkeit ist verpachtet, aber
das Wasser ist uns mehr als alles, was drin
schwimmt. Mit gutem Winde fahren wir in sechs
Stunden nach Berlin, und alles, was wir kaufen und
verkaufen, es kommt und geht auf dem See. Wir
bringen keine Fische mehr zu Markte, denn wir ha-
ben keine mehr, aber Garten- und Feldfrüchte, Wein-
trauben und Obst und Holz und Torf. Das gibt so was
wie Handel und Wandel, mehr, als mancher denkt,
und mehr, als wir selber gedacht haben. Große
Spreekähne kommen und gehen jetzt täglich, das
machen die neuen Ziegeleien. Überall hier herum
liegt fetter Ton unterm Sand, und wenn Sie nachts
über Groß Köris hinaus bis an den Motzner See fah-
ren, da glüht es und qualmt es rechts und links, als
brennten die Dörfer. Ofen und Schornsteine, wohin
Sie sehen. Meiner Mutter Bruder ist auch dabei. Er
wird reich, und alles geht nach Berlin. Viele hundert-
tausend Steine. Immer liegt ein Kahn an dem Lade-
platz, aber er kann nicht genug schaffen, so viel, wie
gebraucht wird. Ich weiß es ganz bestimmt, daß er
reich wird, und andere werden's auch. Aber daß sie's werden können, das macht der See .«
Die »Stern«-Wirtin verriet hier eine bemerkenswerte
Neigung, sich über die Vermögensverhältnisse von
»ihrer Mutter Bruder« ausführlicher auszulassen,
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weshalb ich, ohne jede Neugier nach dieser Seite hin, die Frage zwischenwarf: wem denn eigentlich
der See gehöre, was er Pacht trage und wer ihn ge-
pachtet habe.
»Der See gehört zum Gut. Zum Gut gehören über-
haupt zweiunddreißig Seen, aber der Teupitz-See ist
der größte. Der Fischgroßhändler in Berlin, der ihn
vom Gut gepachtet hat, zahlt 800 Taler, und die
Teupitzer Fischer, die hier fischen und die Fische zu
Markte bringen, sind nicht viel mehr als die Tagelöh-
ner und Dienstleute des reichen Händlers. Meiner
Mutter Bruder...«
»800 Taler«, unterbrach ich, »ist eine große Summe.
Ich kenne Seen, die nur vier Taler Pacht bezahlen.
Ist der Teupitz-See so reich an Fischen?«
»Ob er's ist! Die Stadt führt nicht umsonst einen
Karpfen im Wappen. Unser See hat viel Fische und
schöne Fische; freilich, wenn der Zanderzug fehl-
schlägt –«
»Der Zanderzug ?«
»Ja. Er ist nur einmal im Jahr, und von seinem Aus-
fall hängt alles ab. In der Regel bringt er 600, oft
1500 Taler, mitunter freilich auch gar nichts. Dann
muß das nächste Jahr den Schaden decken. Aber
weil es unsicher ist, was der Zanderzug bringen wird,
deshalb können unsere Fischer den See nicht pach-
ten.«
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»Wann ist der Zug?«
»Im Januar und Februar. Immer im Winter, denn die
Netze werden unteren Eis gespannt und gezogen. Es
ist jedesmal ein Festtag für Teupitz.«
Die »Stern«-Wirtin begann nun mit vieler Lebhaftig-
keit, mir die verschiedenen Phasen des Zanderzuges
zu beschreiben, dabei mehr ermutigt als gestört
durch meine Fragen, die ganz ernsthaft darauf aus
waren, das Verfahren nach Möglichkeit kennenzuler-
nen. Die Handgriffe beim Spannen und Ziehen der
Netze blieben mir aber unklar, und nur soviel sah
ich, daß es die größte Ähnlichkeit mit einer Treib-
jagd, und zwar mit einem Kesseltreiben, haben müs-
se. Die Fischer, wohlvertraut mit dem See, fegen
mittelst weitgespannter Netze den Zander in ihnen
bekannte Kesselvertiefungen hinein, umstellen ihn
hier und schöpfen ihn dann, wie man Goldfischchen
aus einem Bassin schöpft, aus der fischgefüllten Tie-
fe heraus.
Inzwischen erfuhr ich, daß das Boot bereitläge, das
mich laut Verabredung auf den See fahren sollte.
Gleich vom »Goldnen Stern« aus läuft ein schmaler
Gang auf die Anlegestelle zu. Rechts und links stan-
den Hof- und Gartenzäune, sämtlich in jenen seltsa-
men Biegungen und Wellenlinien, die bemoostes
Zaunwerk im Lauf der Jahre zu zeigen pflegt. Über
die Zäune hinweg
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