Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Lindenbäu-
    me ragten bis zur Fensterbrüstung auf, so daß ich
    meinen Kopf in ihrem Blattwerk verstecken konnte.
    Drüben, an der andern Seite der Straße, zog sich
    einer der Kavalierflügel des Schlosses entlang. Er
    war ganz in weiß' und roten Rosen geborgen und
    seine Oberfenster geöffnet; Licht und Musik drangen

    2620
    hell und einladend zu mir herüber. In schräger Rich-
    tung dahinter standen Pappeln und hohe Baumgrup-
    pen, und zwischen ihrem Laubwerk wurd ich des al-
    ten Schloßturms ansichtig, »des Diebswinkels, von
    einer Räuberbande erbaut«. War es wirklich so arg
    mit ihm? Er stand da, mondbeschienen, mit der
    friedlichsten Miene von der Welt, eher an Idyll und
    goldene Zeiten als an Fegfeuer und Hölle gemah-
    nend.
    Es war noch nicht spät und der Weg nicht zwei Minu-
    ten weit. So beschloß ich, noch einen Abendbesuch
    zu machen und die jetzt freilich von holdem Dämmer
    umwobene Wirklichkeit des Schlosses mit der Be-
    schreibung seiner ehemaligen Bewohnerin zu ver-
    gleichen. Ich trat in den weiten Vorhof ein. Da lagen
    die Flügel rechts und links, vor mir Brück und Graben
    und dahinter, großenteils versteckt, das Schloß
    selbst. Die Bären fehlten, der Springbrunnen auch.
    Keine Stufen zeigten sich mehr, auf denen irgendwer
    seine Abendpfeife hätte rauchen können; nur eine
    weiße Pumpe stand inmitten eines Fliederbosquets
    und nahm sich besser aus, als Pumpen sonst wohl
    pflegen.
    Ich näherte mich der Brücke, von der aus ich die
    Fundamente des Schlosses in dunklen Umrissen, die
    Giebel aber, auf die das Mondlicht fiel, in scharfen
    Linien erkennen konnte. Was zwischen Giebel und
    Grundmauer lag, blieb hinter Bäumen versteckt. Der
    »Styx« existierte nicht mehr; halb zugeschüttet, war
    aus dem Graben ein breiter Streifen Wiesenland ge-
    worden. Allerlei blühende Kräuter würzten die Luft,

    2621
    und im Rücken des Schlosses, wo die Notte fließt,
    hört ich deutlich, wie das Wasser des Flüßchens über
    ein Wehr fiel.
    Ich kehrte nun in die Straße zurück und setzte mich
    unter die Linden des Gasthauses. Das war keine
    »Hölle«, was ich gesehn, oder aber die Beleuchtung
    hatte Wunder getan.
    Der Wirt setzte sich zu mir, und angesichts des
    Schlosses, dessen Turmdach uns argwöhnisch zu
    belauschen schien, plauderten wir von Wusterhau-
    sen.
    In alten, wendischen Zeiten stand hier ein Dorf na-
    mens »Wustrow«, eine hierlandes sich häufig finden-
    de Lokalbezeichnung. Als die Deutschen ins Land
    kamen, gründeten sie das noch existierende Deutsch
    Wustrow, zum Unterschiede von Wendisch Wustrow, schließlich aber wurden beide Worte durch ein angehängtes »hausen« germanisiert, und Deutsch und
    Wendisch Wusterhausen waren fertig.
    Wendisch Wusterhausen, nur mit diesem haben wir
    es zu tun, wurd eine markgräfliche Burg. Sie vertei-
    digte – wie »Schloß Mittenwalde«, von dem wir in
    einem der nächsten Kapitel sprechen werden – den
    Notte-Übergang und war eine der vielen Grenzbur-
    gen zwischen der Mark und der Lausitz.
    Wendisch Wusterhausen blieb markgräfliche Burg bis
    gegen 1370, und es ist eher wahrscheinlich als nicht,
    daß der alte, von der Prinzessin als »Diebswinkel«

    2622
    bezeichnete Turm bis in jene markgräfliche Zeit zu-
    rückdatiert. Etwa 1375 kamen die Schlieben in den
    betreffenden Besitz, eine Familie, die damals in der
    Umgegend reich begütert war. Sie besaßen es ein
    Jahrhundert lang, auch während der Quitzow-Zeit,
    ohne daß besondere »Räubertaten« aus dieser ihrer
    Besitzepoche bekannt geworden wären.
    1475 kauften es die Schenken von Landsberg, dama-
    lige Besitzer der Herrschaft Teupitz, aus deren Hän-
    den es, kleiner Mittelglieder zu geschweigen,
    1683 an den Kurprinzen Friedrich, den späteren Kö-
    nig Friedrich I., kam. Dieser aber überließ es 1698
    seinem damals erst zehn Jahr alten Sohne, dem spä-
    teren König Friedrich Wilhelm I.
    Friedrich Wilhelm I. nahm Wendisch Wusterhausen
    von Anfang an in seine besondere Affection und hielt
    bei dieser Bevorzugung aus bis zu seinem Tode. Was
    es jetzt ist, verdankt es ihm , dem »Soldatenkönig«; Straßen- und Parkanlagen entstanden, und mit Recht
    wechselte der Flecken seinen Namen und erhob sich
    aus einem Wendisch Wusterhausen zu einem Königs
    Wusterhausen.
    Königs Wusterhausen ist vielleicht mehr als irgendein
    anderer Ort, nur Potsdam ausgeschlossen, mit der
    Lebens- und Regierungsgeschichte König Friedrich
    Wilhelms I. verwachsen. Hier ließ er als Knabe

Weitere Kostenlose Bücher