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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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die
    Welt hinein, es sei, wohin es sei. Die Natur lacht und
    die Menschen auch; die Sonne geht in Strahlen un-
    ter, die Rapsfelder blühn, und selbst die Windmüh-
    lenflügel schwenken einen grünen Maienbusch in die
    Luft.
    Rixdorf rüstete sich zum Fest. Die Mägde, kurzärmlig
    und aufgeschürzt, standen auf den Höfen und wu-
    schen und scheuerten, die kupfernen Kessel blinkten
    wie Gold, und ein paar Kinder, die gerad aus dem
    Tümpelbade kamen, liefen nackt über den Weg und

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    wirbelten den Staub auf. Der Tümpel blieb ja für ein
    zweites Bad.
    In Rudow schnitten die Jungen Kalmus; über Wal-
    tersdorf spannten die Linden ihren Schirm; Kieke-
    busch aber, als schäm er sich seinen Namens, kuckte
    nicht mehr aus Busch und Heide, sondern aus hohen
    Roggenfeldern hervor.
    Und nun Heidereviere; dann wieder freies Feld, bis
    plötzlich die Höhe, darauf wir fahren, steil abfällt und ein von Waldungen eingefaßtes Kesseltal vor uns
    liegt, in das wir hinunterrollen. Die Postillone blasen (wir haben drei Beichaisen), einzelne Häuser schimmern hinter Bäumen und Sträuchern hervor, jetzt
    werden ihrer mehr, die Leute vor den Türen richten
    sich auf, und die Straßenjugend wirft ihre Mützen in
    die Luft und schreit Hurra. Es ist ein Lärm, der einer
    Residenz zur Ehre gereichen würde, und doch ist es
    nur Wusterhausen, in das wir einfahren. Freilich
    Wusterhausen zu Pfingsten .

    1. Königs Wusterhausen

    Finstrer Ort und finstrer Sinn,
    Nun blühen die Rosen drüber hin.

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    Wir halten vor einem Gasthofe, darin alles reich und
    großstädtisch ist, und während mir zwei Lichter auf
    den Tisch gesetzt werden, richt ich unwillkürlich die
    Frage an mich: Ist dies dasselbe Wusterhausen, von
    dem wir jene klassische, wenn auch wenig schmei-
    chelhafte Beschreibung haben, die eine der besten
    Seiten in den Memoiren der Markgräfin von Bay-
    reuth, der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen,
    füllt? Laß doch sehen, was die Markgräfin in ihrem
    berühmten Buche, dem sozusagen »ältesten Frem-
    denführer von Wusterhausen«, erzählt. Und ich las
    wie folgt:
    »Mit unsäglicher Mühe hatte der König an diesem Ort
    einen Hügel aufführen lassen, der die Aussicht so gut
    begrenzte, daß man das verzauberte Schloß nicht
    eher sah, als bis man herabgestiegen war. Dieses
    sogenannte Palais bestand aus einem sehr kleinen
    Hauptgebäude, dessen Schönheit durch einen alten
    Turm erhöht wurde, zu dem hinauf eine hölzerne
    Wendeltreppe führte. Der Turm selber war ein ehe-
    maliger Diebswinkel, von einer Bande Räuber erbaut,
    denen dies Schloß früher gehört hatte. Das Gebäude
    war von einem Erdwall und einem Graben umgeben,
    dessen schwarzes und fauliges Wasser dem Styxe
    glich. Drei Brücken verbanden es mit dem Hof in
    Front des Schlosses, mit dem Garten zur Seite des-
    selben und mit einer gegenüberliegenden Mühle. Der
    nach vornhin gelegene Hof war durch zwei Flügel
    flankiert, in denen die Herren von des Königs Gefolge
    wohnten. Am Eingang in den Schloßhof hielten zwei
    Bären Wacht, sehr böse Tiere, die auf ihren Hinter-
    tatzen umherspazierten, weil man ihnen die vorderen

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    abgeschnitten hatte. Mitten im Hofe befand sich ein
    kleiner Born, aus dem man mit vieler Kunst einen
    Springbrunnen gemacht hatte. Er war mit einem ei-
    sernen Geländer umgeben, einige Stufen führten
    hinauf, und dies war der Platz, den sich der König
    abends zum Tabakrauchen auszuwählen pflegte.
    Meine Schwester Charlotte (später Herzogin von
    Braunschweig) und ich hatten für uns und unser
    ganzes Gefolge nur zwei Zimmer oder vielmehr zwei
    Dachstübchen. Wie auch das Wetter sein mochte, wir
    aßen zu Mittag immer im Freien unter einem Zelte,
    das unter einer großen Linde aufgeschlagen war. Bei
    starkem Regen saßen wir bis an die Waden im Was-
    ser, da der Platz vertieft war. Wir waren immer vier-
    undzwanzig Personen zu Tisch, von denen drei Vier-
    tel jederzeit fasteten, denn es wurden nie mehr als
    sechs Schüsseln aufgetragen, und diese waren so
    schmal zugeschnitten, daß ein nur halbwegs hungri-
    ger Mensch sie mit vieler Bequemlichkeit allein auf-
    zehren konnte1)... In Berlin hatte ich das Fegfeuer, in Wusterhausen aber die Hölle zu erdulden.«
    So die Markgräfin, die frühere Prinzessin Wilhelmine.
    Ich schlug das Buch zu und trat an das offene Fens-
    ter, durch das der heitere Lärm schwatzender Men-
    schen zu mir heraufdrang. Das Zimmer lag im ersten
    Stock, und die Kronen der abgestutzten

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