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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Straße
    zurückzukehren.
    Es mochte jetzt Mittag sein oder doch nicht viel
    mehr, und der Weg, den ich einschlug, führte mich
    am Schauspielhause vorüber. Angeklebte Zettel kün-
    digten an: »Heute zum ersten Male wiederholt: › Die
    deutsche Hausfrau ‹, Drama in drei Akten von Herrn von Kotzebue. Hierauf: › Das Geheimnis ‹, Operette in einem Akt von Solié.« Einer der Bureaubeamten
    stand in der Türe. »Wird denn heute gespielt?« fragt
    ich. »Ei, natürlich, der Herr Generaldirektor Iffland
    haben's eigens befohlen.« Ein dumpfer Knall, dem

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    ein zweiter und gleich darauf noch ein paar andre
    folgten, bezeugte, daß draußen ein blutiges Drama
    beginne. Vorübergehende standen wie gebannt, und
    der Theaterbeamte zeigte mir ein blasses Gesicht;
    aber doch mutmaßlich nicht blasser, als das meinige
    war.
    Von diesem Augenblick an kamen wir eigentlich nicht
    mehr zur Besinnung. Auf den Straßen lief alles
    durcheinander, und zu den Fenstern hinaus fragte
    man sich, wie's stünde. Viele ließen sich nicht abhal-
    ten und gingen trotz des strömenden Regens bis
    nach Tempelhof oder doch wenigstens bis auf den
    Tempelhofer Berg hinaus, um dem Aktionsfeld um
    eine halbe Stunde näher zu sein.
    Um sieben macht ich mich auf ins Theater. Es waren
    mehr Leute darin, als man hätte vermuten sollen.
    Nur Damen fehlten. Eigentlich hatte man sich im
    Parterre bloß zusammengefunden, um sich gegen-
    einander auszusprechen, und doch wurde jede patri-
    otische Beziehung, die in der »Deutschen Hausfrau«
    vorkam, lebhaft beklatscht. Die Bethmann, die die
    Hauptrolle gab, wußte die Pointen und Schlagwörter
    geschickt hervorzuheben. Auch den andern Mitspie-
    lenden: Beschort und Maurer und der anmutigen
    Demoiselle Fleck (nochmaligen Frau Professor Gu-
    bitz), vor allem aber der Demoiselle Döbbelin, wel-
    che eine böse Alte spielte, sah man es nicht an, daß
    Berlin einschließlich des Schauspielhauses sozusagen
    auf einem Pulverfasse stand. Am Schlusse des zwei-
    ten Akts eilt ich auf eine gute halbe Stunde hinaus,
    um zu sehn, ob man etwas Neues wisse. Der Kriegs-

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    jammer zeigte sich schon. Bauerwagen mit Verwun-
    deten kamen langsam vom Halleschen Tore her. Man
    fuhr sie nach den Lazaretten; alle leichter Blessierten aber nahmen die Bürger mit Herzlichkeit in ihren
    Häusern auf.
    Ich hielt mich wieder auf die Linden zu, denn ich war
    hungerig und gedachte mich in der Habelschen
    Weinstube zu restaurieren. In dem Lokale selbst war
    ein beständiges Kommen und Gehn. Am letzten
    Fenster links saßen einige meiner Bekannten:
    Herklots, der Theaterdichter, der Kunstkenner Hofrat
    Hirt – damals einer der schönsten Männer Berlins –
    und der Maler Hummel, ein unzertrennliches Habel-
    sches Trifolium. In der Mitte des Zimmers aber hatte
    man einen Husaren umringt, der einen Transport
    Verwundeter eingebracht und selbst einen tüchtigen
    Hieb über das Gesicht bekommen hatte. Von ihm
    erfuhren wir einiges Nähere, vor allem, daß die Fran-
    zosen sich auf Trebbin zurückzögen und daß unser
    Sieg so gut wie gewiß sei.
    »Noch kann das Theater nicht aus sein«, enthusias-
    mierte sich Herklots, »ich muß die Nachricht dorthin
    bringen.« Und im selben Augenblick ergriff er seinen
    großen rotseidenen Regenschirm und war's auch
    zufrieden, daß ich ihn begleitete. Wir langten auf der
    Bühne kurz vor dem Schlusse des Singspiels »Das
    Geheimnis« an und teilten Unzelmann, der den Be-
    dienten Thomas spielte, die Siegesbotschaft mit. Er
    ergriff sofort den dreieckigen Bedientenhut und trat
    auf die Bühne hinaus, obgleich seine Szene nicht an
    der Reihe war. Die Schauspielerin, welche die Hofrä-

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    tin gab, sah ihn befremdet an, er aber extemporierte
    sofort im Tone seiner Rolle: »Wollte der Frau Hofrä-
    tin und den Herrschaften da unten (aufs Publikum
    zeigend) nur melden, daß wir heute keine französische Einquartierung mehr bekommen.« Und nun
    muß ich hier zu besserem Verständnis des Folgenden
    einschalten, daß Unzelmann eine ganz frappante
    Ähnlichkeit mit dem im Winter 1812 auf 13 in Berlin
    kommandierenden französischen General Augereau
    hatte. Diese Ähnlichkeit glücklich benutzend, stülpte
    der gefeierte Komiker, als er die vorstehende Mel-
    dung gemacht hatte, seinen dreieckigen Hut in der-
    selben schiefen Richtung auf den Kopf, wie ihn die
    französischen Generale zu tragen pflegten, und füg-
    te, Augereau kopierend, hinzu: »Wir begeben uns
    rückwärts nach Trebbin!«

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