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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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korrespondierte mit
    ihm. 1800 übernahm er Löwenbruch. Er war die ab-
    solute Bedürfnislosigkeit, eine völlig auf das Geistige gestellte Natur, und unsere Tage des Materialismus
    würden ihm schwerlich gefallen haben. Er trug jahr-
    aus, jahrein einen Leinwandanzug (auch der alte
    Zieten in Wustrau war so gekleidet), den er nur ab-
    legte, wenn er sich auf Besuch nach Berlin begab.
    Dies geschah alle Jahr einmal, und zwar auf vier Wo-
    chen. Er stieg dann in Krauses Kaffeehaus ab, dem
    jetzigen »Hôtel de Brandebourg«, und verbrachte die
    ganze Zeit mit Konversation und Schachspiel. Nach
    dieser Berührung mit der Welt, zu der er sich eigent-
    lich immer nur entschloß, um sein großes Geschick
    im Schachspiel nicht einrosten zu lassen, begab er
    sich wieder in seine Einsamkeit zurück, um sich an
    Büchern und – Wasser aufs neue zu stählen. Er war
    ein Vorläufer der Hydropathie. Personen, die ihn
    noch gekannt haben, sagen aus, daß er sich in Was-
    ser, incredibile dictu, berauscht habe. Vielleicht
    nahm man gewisse Exzentrizitäten für Rausch. Er
    hatte eine trunkene Seele. Auch eine Mischung von
    Donquichotterie und Eulenspiegelei ließ sich an ihm
    wahrnehmen. Als er vom Ausbruch des Krieges hör-
    te, befahl er, den Turm abzutragen, damit das Dorf
    von vorüberziehenden Kriegsscharen nicht bemerkt
    werden möge. Mit leidenschaftlichem Eifer verfolgte

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    er die Napoleonischen Kriegs- und Siegeszüge. Als
    der Krieg von 1805 begann, der mit dem Tage von
    Austerlitz endigte, sagte er den Ausgang des Kamp-
    fes vorher, auch den herannahenden Sturz der preu-
    ßischen Monarchie. Dieser eine Gedanke beschäftigte
    ihn Tag und Nacht und quälte ihn zuletzt bis zum
    Unerträglichen. Er wollte das Unwetter sich nicht
    entladen sehen und – erschoß sich in bloßer Vorah-
    nung dessen, was kommen würde, nachdem er zuvor
    die Angelegenheiten seines Hauses mit philosophi-
    scher Ruhe geordnet hatte.

    Von den Gröbens kam das Gut an die Knesebecks.
    Diese besitzen es noch. Der erste von ihnen, der sich
    hier heimisch einrichtete, war Friedrich Wilhelm
    Ludwig von dem Knesebeck, Halbbruder des Feld-
    marschalls. Von diesem Friedrich Wilhelm Ludwig
    von dem Knesebeck gedenk ich zu erzählen. Sein
    Leben erscheint zwar als eine bloße Skizze neben
    dem farbenreichen Bilde seines berühmten Bruders,
    es bedarf indessen keines langen Suchens und For-
    schens, um wahrzunehmen, daß beide Brüder Zwei-
    ge desselben Stammes waren. Sie wirkten in ver-
    schiedenen Kreisen: der eine in der beschränkten
    Sphäre einer kleinen Stadt, der andere in dem weit
    gezogenen Kreise des staatlichen Lebens; aber der
    Pulsschlag beider war derselbe, und wie verschieden
    auch ihr Leben sich gestaltete, an Mannesmut und
    adliger Gesinnung, an Vaterlandsliebe, Gemeinsinn
    und Opferfreudigkeit standen sich beide gleich. Beide
    – märkische Edelleute von Kopf bis zu Fuß. Nur ge-

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    sellte der ältere Bruder zu dem ihnen im Charakter
    Gemeinsamen auch noch hohe Gaben des Geistes,
    und das schuf einen Unterschied. Der kühne Kopf, der den Gedanken gebären konnte: den unbesiegba-ren Imperator durch die bloße Macht des Raumes,
    das heißt durch Rußland, zu vernichten, stand so
    hoch, daß er die Nebenbuhlerschaft eines andern
    Geistes nicht leicht zu fürchten hatte. Die Talente
    waren verschieden.
    Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Knesebeck wurde
    den 29. März 1775 zu Karwe geboren. Er trat als
    Lieutenant in das zu Ruppin garnisonierende Re-
    giment Prinz Ferdinand ein und machte als solcher
    die Rheincampagne mit. Ein Duell und eine Verwun-
    dung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jah-
    re 1800, seinen Abschied zu nehmen. Ruppin war
    ihm lieb geworden, und er verblieb als Bürger in ei-
    nem städtischen Kreise, darin er als Offizier eine
    Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die
    Tage von Jena und Auerstedt; unsere Truppen, so-
    viel oder sowenig ihrer noch waren, retteten sich
    über die Oder, und das Land lag offen und wider-
    standslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am
    Tage Allerheiligen traf in Ruppin die Nachricht ein,
    daß die Franzosen im Anzuge seien. Was tun? Wer
    hatte den Mut und die Fähigkeit, die Stadt zu vertre-
    ten? Eine Wahl war bald getroffen, wo nur einer ge-wählt werden konnte. Alle Stimmen vereinigten sich
    auf Knesebeck; man gab ihm eine Art diktatorischer
    Gewalt und vertraute das Wohl der Stadt seiner Ge-
    schicklichkeit und dem Glück seiner Hand.

    2721
    Der Abend

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