Wanderungen durch die Mark Brandenburg
»Wer diese Arbeiten als meine besten gepriesen hat, mag es vor sich und vor der Welt ver-
antworten.«
Solcher Aussprüche finden sich viele. Eine ungeheure
Produktionskraft und eine bis ins späte Alter hinein
dem entsprechende Leichtigkeit des Schaffens mach-
ten ihn gleichgültig dagegen, ob das ein' oder andre
seiner Werke verlorenging oder nicht. Immer das
Ganze vor Augen, war er nicht ängstlich bei jedem einzelnen auf Ruhm und Unsterblichkeit bedacht,
auch wenn das einzelne wirklichen Wert besaß. Eine
kleine Anekdote mag das zeigen. Unter den vielen
Statuetten, die in seinem Zimmer auf Konsolen und
Simsen umherstanden, befanden sich auch die Mo-
dellfiguren zweier Grazien, die er in grüner Wachs-
masse ausgeführt hatte. Es waren Arbeiten aus sei-
ner besten Zeit, kleine Meisterwerke, die mehr als
einmal die Bewunderung eintretender Künstler und
Kenner erregt hatten. Durch eine Unvorsichtigkeit
indes waren während des Winters 1840 beide Figu-
ren in die Nähe des Ofens gestellt worden und hat-
ten, weil das Wachs an der Oberfläche schmolz, eine
wie mit Pickeln übersäte Haut bekommen. Ein Tau-
sendkünstler aus der Schadowschen Bekanntschaft
erbot sich, mit Hülfe von Naphtha oder Äther die alte
normale Schönheit wiederherzustellen. »Na, na«,
hatte der Alte kopfschüttelnd abgewehrt, sich aber
schließlich doch bestimmen lassen. Leider sehr zur
Unzeit, und in einem Zustande merkwürdiger
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Schlankheit kehrten nach kaum acht Tagen die Ä-
thergebadeten in das Schadowsche Haus zurück. Der
Alte ging einen Augenblick musternd und schmun-
zelnd um seine Lieblingsgestalten herum und sagte
dann ruhig zu dem erwartungsvoll Dastehenden:
»Ja, de Pickeln sind weg, aber de Pelle ooch.« Weni-
ge hätten gleich ihm die Beherrschung gehabt, mit
einer humoristischen Bemerkung von einer so wert-
vollen und allgemein als mustergiltig angesehenen
Arbeit Abschied zu nehmen.
Ein solches, von einem leichten Humor getragenes
Abschiednehmen war nun freilich nicht immer seine Sache. Mußt es sein, wie in dem vorerzählten Falle, so fand er sich darin; aber freiwillig – nein. Auch
hierfür ein Beispiel.
Einer seiner Schüler, der spätere Professor F., hatte
sich durch Ausführung einer ihm im Interesse Scha-
dows übertragenen Arbeit die ganz besondere Zu-
friedenheit des Alten erworben, so daß dieser in gu-
ter Laune sagte: »Nu höre, F., nu könntest du dir
woll eigentlich sozusagen ne Gnade bei mir ausbit-
ten. Na, sage mal, was möchtst du denn woll.«
»Ja, Herr Direktor...«
»Na, geniere dir nich. Sage man janz dreiste...«
»Ja, Herr Direktor, wenn Sie denn wirklich so viel
Güte für mich haben wollen, dann möcht ich Sie wohl
um die beiden kleinen Modellfiguren bitten, die da
oben stehen.«
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»Um welche denn?«
»Um den alten Dessauer und den alten Zieten.«
»I süh!... Höre, F., du bist nich dumm. Aber ich wer-
de dir doch lieber fünfundzwanzig Daler geben.«
Und so geschah es.
Er war auch ein Repräsentant der Berliner Ironie, der
trostlosesten aller Blüten, die der Geist dieser Lan-
desteile je getrieben hat. Aber er war ein Repräsen-
tant derselben auf seine Weise. Man hat, wenn solche Abschweifung an dieser Stelle gestattet ist, dies
ironische Wesen auf den märkischen Sand, auf die
Dürre des Bodens, auf den Voltairianismus König
Friedrichs II. oder auch auf die eigentümliche Mi-
schung der ursprünglichen Berliner Bevölkerung mit
französischen und jüdischen Elementen zurückführen
wollen – aber, wie ich glaube, mit Unrecht. Alles das
mag eine bestimmte Form geschaffen haben, nicht
die Sache selbst . Die Sache selbst war Notwehr, eine natürliche Folge davon, daß einer Ansammlung bedeutender geistiger Kräfte die großen Schauplätze
des öffentlichen Lebens über Gebühr verschlossen
blieben. Das freie Wort ist endlich der Tod der Ironie
geworden und wird es täglich mehr. Zu Schadows
Zeiten aber blühte sie noch, und da es für den ein-
zelnen immer mehr oder weniger unmöglich sein
wird, sich gegen einen die Gesellschaft beherrschen-
den Ton abzuschließen, so adoptierte denn auch
Schadow diese Sprechweise, freilich erst, nachdem
er sich dieselbe nach seinen eigenen Bedürfnissen
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zurechtgemacht hatte. Er versetzte sie nämlich mit
einem Element, von dem sie in der Regel wenig zu
haben pflegt: mit humoristischer Derbheit, und er-
zielte dadurch ein ganz eigenartiges Endresultat.
Ein
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