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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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übrigens immer
    noch nicht absolut abgeneigt bin für die Streitaxt
    eines Häuptlings zu halten, wennschon er sich zu der
    gleichnamigen Waffe des Mittelalters wie ein Galan-
    teriedegen zu einem Ritterschwerte verhält – ward
    1848 auf der Feldmark von Trieplatz gefunden.2) Er
    hat etwa die Länge eines Arms, besteht aus purer
    Bronze und setzt sich aus Stiel, Beil und sechs kur-
    zen Stacheln zusammen, von denen je drei zu Seiten
    der Beilwandung stehen. Es ist eine Waffe von sol-
    cher Schönheit, dabei zugleich von solcher Intaktheit
    und Frische der Erscheinung, daß man sie für eine
    drei oder höchstens fünf Jahrzehnt alte, eben erst
    vom feinsten Rost überflogene Arbeit eines moder-
    nen Meisters halten könnte.
    Die Bedeutung dieses Stückes, das in verwandten Exemplaren vorkommen soll, liegt zumeist in seiner
    Schönheit. Anders aber verhält es sich mit dem zwei-
    ten Prachtstück der Sammlung, mit dem Odins-
    Wagen . Er galt jahrzehntelang für ein Unikum, und unter gewissen Einschränkungen, die ich in nachstehendem hervorheben werde, ist er es auch geblie-
    ben.
    Dieser bronzene Wagen wurde 1848 beim Frankfurt-Drossener Chausseebau ausgegraben und kam durch
    Kauf an den damals noch lebenden Grafen Zieten in
    Wustrau. Der Wagen, neun Zoll lang und viereinhalb
    Zoll hoch, besteht aus drei auf einer und derselben

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    Achse gehenden Rädern und einer gabelförmigen
    Deichsel. Die Räder haben vier Speichen; die Deich-
    selgabel, nach innen gekehrt, ruht auf der Achse des Wagens, der, wie ein moderner Perambulator, ein
    Stoß wagen ist. Man könnt ihn auch, nur um die Gattung zu charakterisieren, mit einem dreirädrigen
    Schubkarren oder mit einem Pfluge vergleichen, der, statt von Pferden gezogen, lediglich durch die Kraft
    eines starken Pflügers geschoben wird. Form etwa
    so:

    Was nun diesem ohnehin interessanten Gegenstande
    noch eine besondere Bedeutung leiht, das sind die
    sechs Vögel, die auf Deichsel und Deichselgabel sit-
    zen, und zwar auf den von mir mit a bezeichneten
    Stellen. Verschiedene gelehrte Kenner auf dem Ge-
    biete germanischer Altertumskunde: Jacob Grimm,
    Lisch, W. Schwartz, Kirchner, Rosenberg, haben
    festzustellen gesucht, erst, welcher Art diese Vögel seien, dann, welche Bedeutung sie haben möchten –
    sind aber weder vor sich selbst zu einer Gewißheit
    noch untereinander zu einer Einigung gelangt. Jacob

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    Grimm, in einer Zuschrift an die »Mecklenburgischen
    Jahrbücher«, bezeichnet sie in erster Reihe als Gän-se , in zweiter als Schwäne; Lisch hebt hervor, daß es möglicherweise Raben oder aber Nachbildungen jener kleinen, in Dänemark und Island vorkommenden
    Wasservögel seien, die dort den Namen Odens fugl,
    Odins-Vögel, führen. Ich meine, es können nur Gän-
    se sein. Noch größer freilich ist die Ähnlichkeit mit
    jenen wilden Enten , die so oft in Scharen die nordischen Gewässer bedecken.
    Der Wagen selbst, darin ist den betreffenden Auslas-
    sungen zuzustimmen, kann unmöglich einem techni-
    schen Zwecke gedient haben. Kirchner vermutet in ihm einen Wa g en Thors , der, bei dem Kultus dieses Gottes, in Priesterhand seine Verwendung fand;
    Lisch bezeichnet ihn als ein Symbol beziehungsweis
    als ein Attribut Wodans oder Odins. Er hebt dabei
    hervor: »Wir lesen nicht nur von den Wanderungen
    Odins, sondern auch von seinem Wagen , seinem
    Weg und Geleit.«
    Diese Mitteilungen mögen hier genügen. Was indes-
    sen auch die Meinung dieses Attributes gewesen sein
    möge, der Wagen selbst, der wenigstens in dieser
    Ausrüstung einzig dasteht3), ist nicht nur ein Schatz
    der Ruppiner Sammlung, sondern macht auch diese
    selbst wieder zu einem von der Wissenschaft zu be-
    achtenden Gegenstande.
    Das Hauptgewicht freilich ist auf die Bedeutung zu
    legen, die die Schule selbst , als geistiger Mittelpunkt einer ganz bestimmten Lokalität, aus dieser Samm-304
    lung gewinnt. Ebenso wie bei der oben geschilderten
    Portraitgalerie liegt auch hier, in dieser Kollektion
    von Altertümern, etwas Anregendes darin , daß alles Beste, was die Sammlung bietet, entweder in dem
    immerhin engen Kreise der heimatlichen Provinz o-
    der sogar in dem allerengsten der Grafschaft selbst gefunden ist. Eine Streitaxt wie die vorstehend geschilderte ist allerorten interessant, aber sie ist es
    doppelt und dreifach, wenn sie auf dem Acker mei-
    nes Gutsnachbarn ausgegraben wurde. Genau dies
    ist es, was die sonst tote Landschaft, den Elsengrund
    und das Torfmoor belebt und auch

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