Wanderungen II. Das Oderland.
1500 Reitern überfallen wurde. Der Échec war ein totaler: 400 Mann wurden niedergehauen, 500 Mann gefangen, und nur mit Mühe gelang es ihm, sich mit etwa 60 Pferden durchzuschlagen. »Aber«, wie Pauli metaphorisch hervorhebt, »Unglücksfälle sind zuweilen einem Wasserdurchbruche gleich, wodurch ein Stein mit fortgeschwemmt wird, der auf einem Samenkorne lag. Und nun geht das Samenkorn auf und bestaudet sich nur um so stärker.« Jedenfalls wurde der Ausgang dieser Affaire, wie schon angedeutet, unserem Derfflinger nicht zum Übeln angerechnet, und als zwei Jahre später Leonhard Torstenson an die Spitze des Heeres trat, erfolgten besondre Vertrauensstellungen, darunter eine Mission an den siebenbürgischen Fürsten Georg Rákóczi, der in das Bündnis gegen den Kaiser hineingezogen und zu einer Diversion bestimmt werden sollte. Das Jahr drauf, unmittelbar nach der zweiten Leipziger Schlacht gegen Piccolomini, wurde Derfflinger nach Stockholm hin abgeschickt, um der Königin Christine mündlich die Siegesnachricht zu bringen, und dies mochte der Zeitpunkt sein, den Pauli, zu seinem Lieblingsbilde zurückgreifend, in folgenden Worten geschildert hat: »Bis dahin war Derfflinger einer Staude gleich gewesen, die neben unzähligen andern unbeobachtet fortwächset. Endlich aber kommt die Zeit, wo man gar besonderer Umstände an ihr gewahr wird. Denn sobald an einer Staude nicht nur ungewöhnlich viel Halme zu schießen beginnen, sondern jeder Halm auch Ähren von ungewöhnlicher Zahl und Länge treibt, pflegen wir unsere Freunde hinzuzuführen, und auch Fremde kommen, um die völlige Reife dieser vorzüglichen Staude zu beobachten und zu bewundern.« So Pauli. Wo indessen viel Preis ist, ist auch viel Neid, und von diesem Augenblicke höchster Auszeichnung an scheint sich Derfflinger, wo nicht in seiner Stellung, so doch jedenfalls in seinem Behagen, erschüttert gefühlt zu haben. So kam es denn, daß er unmittelbar nach dem Friedensschlusse seinen Abschied nahm und 1654 als ältester Generalwachtmeister und Regimentsinhaber in die Dienste Kurbrandenburgs trat, dem er, wie schon erwähnt, um diese Zeit ohnehin bereits durch seine Gemahlin und seine Besitzungen angehörte.
Und es sollt ihm alsbald nicht an Gelegenheit fehlen, sich auch in seinem neuen Dienste geltend zu machen. Der Kurfürst – mit in den Krieg verwickelt, der damals zwischen König Karl Gustav X. von Schweden und dem Könige Johann Kasimir von Polen geführt wurde – fand es seinen politischen Zwecken entsprechend, auf die Seite Schwedens zu treten, und schlug mit ihm gemeinschaftlich die dreitägige, siegreiche Schlacht bei Warschau. Über den Anteil Derfflingers an diesem Siege liegen keine direkten Mitteilungen vor, doch wird über kleinere Aktionen: Erstürmung des Klosters Prement und des Städtchens Bomst, berichtet, die wahrscheinlich unter seiner speziellen Leitung ausgeführt wurden. Der Kurfürst erhob ihn zum Generallieutenant und Wirklichen Geheimen Kriegsrat, zugleich unter der Zusicherung, »daß ihm im Kommando nur der Feldmarschall Sparr und der General Graf Waldeck vorangehen, sonst aber keiner ihm vorgezogen werden solle«.
Dies war 1656.
Die politische Lage verschob sich indessen rasch, und schon das Jahr darauf war aus dem Bündnisse mit Schweden gegen Polen ein Bündnis mit Polen gegen Schweden geworden. Die machiavellistische Politik jener Zeit gestattete solche Sprünge, die wir heute verwerfen oder mindestens mehr verkleiden würden. Der Krieg wurde wechselsweis in Pommern und Dänemark geführt, Derfflinger war mit vor Alsen und Tönningen, auch wohl vor Fünen, und schickte sich eben zu weiteren Operationen an, als der Friede zu Oliva 1660 den Feindseligkeiten ein Ende machte.
Es folgten nun vierzehn Friedensjahre 1) , bis 1674 das mit immer neuen Ansprüchen an Kaiser und Reich hervortretende Frankreich den Kurfürsten abermals zu Felde rief. Er brach mit 16 000 Mann an den Oberrhein auf und vereinigte sich bei Straßburg mit dem Kaiserlichen Oberfeldherrn Herzog von Bournonville. Mit ihm war Derfflinger. Beider Truppen bezogen ein Lager bei Blaesheim. Am 8. Oktober ging man über den Breusch-Fluß und nahm hier, angesichts des gelagerten Feindes, eine Stellung. Bournonville befehligte den rechten, der Kurfürst den linken Flügel. Der Feind war nicht stark, und diesseitig erwartete man den Befehl zum Angriff. Ja mehr, man drang darauf. Aber Bournonville suchte Ausflüchte und hob insonderheit hervor, daß
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