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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Alles, was von Ihnen kommt, entzückt mich durch Geist und Grazie. Doch genug – ich breche ab, seh ich Sie im Geiste doch ohnehin erröten . Ihrer Bescheidenheit aber jedes weitere Verlegenwerden zu ersparen und zugleich von dem Wunsche geleitet, Ihnen einen neuen Beweis meines blinden Gehorsams zu geben, schicke ich ihnen, was Sie von mir gefordert haben.«
    Das, was der Prinz schickt, was Frau von Wreech von ihm gefordert hat, ist sein Portrait , und er begleitet dasselbe mit einem Abschiedssonett, dessen Liebesgeständnis, eben weil es Abschiedszeilen sind, vielleicht ein gut Teil ernsthafter zu nehmen ist als alle die andern gereimten Huldigungen, auf die ich später zurückkomme. Das Sonett lautet:
    Als mein Gesandter soll mein Bild dich grüßen,
Und des Gesandten Dolmetsch sei dies Lied,
Was ich zu sagen dir bisher vermied,
Ich sag es nun: Ich liege dir zu Füßen. Ich trage Fesseln, aber jene süßen,
Von denen nie ein Herz freiwillig schied –
Mit jedem Ringe, jedem neuen Glied
Wächst nur die Lust, zu tragen und zu büßen. Doch halt, o Lied, verrate nicht zuviel,
Verberge lieber hinter heitrem Spiel
Den Schmerz des Abschieds und des Herzens Wunde, Verberge deiner Wünsche liebstes Ziel,
Verschweige, daß nur eine dir gefiel,
Um die du sterben möchtest jede Stunde.
    Ich habe die Übersetzung dieses Sonetts mit gutem Vorbedachte hierher gestellt, weil es mir, ganz abgesehen von seinem Wert oder Unwert, einen passenden Übergang zu dem zu machen scheint, was ich zunächst noch zu sagen haben werde.
    Nachdem ich nämlich bis hierher bemüht gewesen bin, das Bild der Frau von Wreech zu zeichnen, drängt sich uns nunmehr wieder die bis hieher zurückgewiesene Frage auf: Wie standen der Kronprinz und die Besitzerin von Schloß Tamsel zueinander? Wie eng oder wie weit waren die Grenzen ihrer Intimität gezogen?
    Meine Antwort auf diese Frage weicht, wie ich schon angedeutet, von der üblichen Anschauung ab. Es stehen sich die Grumbkowschen Klatschereien und die eigenhändigen Briefe des Kronprinzen ziemlich diametral einander gegenüber, und die vorsichtigste Prüfung dieser letzteren, selbst ein argwöhnisches Lesen zwischen den Zeilen, hat mich nur fester in der Überzeugung gemacht, daß das Ganze nichts anderes als die Huldigung eines etwas verliebten poetisierenden jungen Prinzen war – eine Huldigung, die, mal leichter, mal leidenschaftlicher auftretend, von Frau von Wreech abwechselnd als eine Zerstreuung, eine Ehre, eine Schmeichelei, aber gelegentlich auch als eine Last entgegengenommen wurde.
    Dementsprechend gestalteten sich ihre Beziehungen. Der sinnliche Reiz der jungen Frau mochte denselben vorübergehend eine andere Färbung geben; kein Zweifel, es kamen leidenschaftliche Stunden, aber sie kamen nur wie Fieberanfälle und ließen im wesentlichen das auf ästhetischen Interessen aufgeführte Verhältnis fortbestehen. Es war das geistreiche Bedürfnis , das immer wieder nach Tamsel hindrängte. Der Esprit der Küstriner Garnisonsoffiziere reichte nicht aus, ihr Verständnis für Verse war vollends ungewiß, und so sehen wir denn die Korrespondenz nach Tamsel hin nicht nur von zahlreichen Poetereien, von Hymnen, Sonetten etc., beständig begleitet, sondern auch die Briefe selbst in jener halb ironischen, halb humoristischen Weise abgefaßt, die sich immer da einstellt, wo junge Männer dem Zuge nicht widerstehen können, jeden Brief als eine kleine literarische Tat, als eine Anhäufung origineller Gedanken in die Welt zu senden.
    Den ersten Brief des Kronprinzen übergeh ich hier; ich beginne mit dem zweiten, worin »der junge Poet«, dem nichts so sehr am Herzen liegt als das Schicksal seiner Verse, unverkennbar hervortritt.
    »Madame«, so schreibt er, »die Heuschrecken, die das Land verwüsten, haben die Rücksicht genommen, Ihre Besitzungen und Ländereien zu verschonen. Ein zahlloses Heer viel schlimmerer und gefährlicherer Insekten indes steht auf dem Punkte, sich bei Ihnen niederzulassen, und nicht zufrieden damit, das Land zu zerstören, haben diese Geflügelten die Dreistigkeit, Sie persönlich und in Ihrem eigenen Schlosse zu überfallen. Diese Geflügelten führen den Namen Verse , sind Sechsfüßler, haben scharfe Zähne und einen langgestreckten Körper, dazu eine gewisse Kadenz, die genaugenommen ihr Grundprinzip ist und ihnen das Leben gibt. Es ist eine böse Race, jüngst vom Parnaß angekommen, wo sie der gute Geschmack nicht länger dulden wollte. Ein gleiches Schicksal wird

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