Wanderungen II. Das Oderland.
genügt es, daß die Barfuse, wie wir in Huldigung gegen die Familie, aber ohne direkte Parteiergreifung schreiben wollen, schon ausgangs des dreizehnten Jahrhunderts auf dem Oberbarnim sässig waren und bald darauf bereits dieselben Güter erworben hatten, die später den Kern ihres ausgebreiteten Besitzes bildeten: Kunersdorf, Batzlow, Prädikow und Möglin.
Prädikow galt als das eigentliche Familiengut, und damals unmittelbar am Rande des »Blumenthal-Waldes« gelegen, war es besonders wertvoll durch seine Forstbestände, die sich nach Westen hin bis weit in den genannten Wald hinein erstreckten. Diesen reichen Forstbeständen verdanken wir es auch, daß wir die Barfuse bereits um 1590 in der Spezialgeschichte unseres Landes auftreten sehen, indem es ebendieser Prädikowsche Anteil am Blumenthat-Walde war, der unter Johann Georg und Joachim Friedrich zu einem vieljährigen Streite zwischen den beiden eben genannten Kurfürsten und den Barfusen führte. Dem ganzen Ereignis – ohne schließlich in einer Schlacht von Otterbourne oder einem Percy-und-Douglas-Kampf zu kulminieren – stand nichtsdestoweniger von Anfang an ein gewisses romantisches Element zur Seite, und um dieses Stückleins Romantik willen (eine seltene Blume hierlandes) mag es gestattet sein, einen Augenblick bei der Erzählung des Herganges zu verweilen.
Kurfürst Johann Georg liebte die Jagd wie alle Hohenzollern vor und nach ihm, Friedrich den Großen ausgenommen, der das Jagdvergnügen einfach als eine Barbarei bezeichnete. Die Kurfürsten jagten damals in den schönen Forsten um Berlin herum, in den weiten Waldrevieren von Potsdam und Spandau, von Köpenick und Fürstenwalde, und besaßen in der am Werbellin-See gelegenen »Grimnitz« einen der schönsten Jagdgründe des Landes. Aber, voll wachsender Passion, mit jeder Grenze unzufrieden, ging ihr beständiges Streben dahin, ihre Territorien auszudehnen und immer neuen Wald in den großen Jagdgrund hineinzuziehen.
Eine seiner Jagden führte den Kurfürsten 1590 in den »Blumenthal«, und die Schönheit dieses Waldes verfehlte nicht ihres Eindrucks auf ihn. Der fruchtbare Boden, der allem, was hier wuchs, eine besondere Üppigkeit lieh, die hohen Eichen, das frische Niederholz, das Terrain selbst, in buntem Wechsel von Tal und Hügel und klaren Seen in Tiefen und Schluchten – all das erfreute das Jägerherz Georgs, und eh eine Woche um war, wandte er sich an die Barfuse, die damals auf Prädikow saßen, und bat um die Erlaubnis, in ihrem Walde jagen zu dürfen. Die Barfuse, vier Brüder: Richard, Nikolaus, Valentin und Kaspar, willfahrten gern dem kurfürstlichen Ansinnen, ohne Ahnung, daß aus ihrer Willfährigkeit alsbald das dauernde Recht der »Vorjagd« gefolgert werden würde. Und dennoch geschah es. Ohne weitere Nachsuchung, gestützt auf das plötzlich erklärte Recht »landesherrlicher Vorjagd«, brach im Sommer 1602 das Jagdgefolge Joachim Friedrichs, des Nachfolgers Johann Georgs, »mit Hund und Horn« in die Prädikowschen Waldungen ein, und das Geklaff von über 200 Rüden lärmte durch den Forst. Ehe der Tag um war, war das hohe Wild zu Tode gehetzt und der junge Wildstand vernichtet. Soweit die Romantik. Die vier Brüder aber, statt ihren Clan zu den Waffen zu rufen, wurden klagbar beim Obergericht, und als nach fünfzig oder hundert Jahren der Instanzenzug zu Ende war, war längst kein Barfus mehr auf Hohen- und Nieder-Prädikow.
Die Barfuse wurden klagbar. Aber wir würden sehr irren, wenn wir aus diesem Abstehen vom Kampf gegen die damals schon fest gegründete hohenzollernsche Gewalt etwa den Schluß ziehen wollten, die vier Barfuse auf Prädikow wären sehr friedliche Leute gewesen. Sie waren just das Gegenteil davon, was aus folgendem erhellen mag.
Von den vier Brüdern waren drei, die beiden ältesten und der jüngste, auf ihren »Höfen« in Prädikow geblieben, während der dritte Bruder, Valentin, in die Dienste des Pommernherzogs getreten und dessen Oberjägermeister geworden war.
Es war um 1610, also acht Jahre nach der Jagd im »Blumenthal«, als Valentin Barfus auf Besuch nach Prädikow kam. Es verstand sich von selbst, daß er von seinen Brüdern der Reihe nach bewirtet wurde. Der älteste, Richard, der auf dem »roten Hause« in Nieder-Prädikow saß, hatte natürlich den Vorrang, und eine tüchtige Zechkumpanei wurde nach Sitte jener Zeit geladen. Man trank, man jubelte, man tobte, und, unglaublich zu sagen, man tanzte auch; denn woher nahm man die
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