Wandlung
Mühen auf.
»Bist du sicher?«
»Punch und ich waren gerade aus unserem Zimmer geflohen, als er noch einmal zurücklief, um seine Sportschuhe zu holen. Für einen kurzen Moment war ich allein auf dem Oberdeck. Yakov befand sich direkt unter mir auf dem Promenadendeck, wo er sich gegen einen Kerl in einem Clownskostüm wehrte. Andere Passagiere kamen hinzu, bis sie ihn schließlich in die Enge getrieben hatten. Ich rief ihm etwas zu, beugte mich über die
Reling und reichte ihm meinen Arm, erklärte ihm, er solle hochspringen und meine Hand packen. Ich weiß nicht, ich bin immer noch überzeugt, er hätte es schaffen können, dass ich ihn hätte hochziehen können. Dann zog er mit den Zähnen den Sicherungsstift aus einer Handgranate, klemmte sie sich unters Kinn und schaute hoch, er sah mir direkt in die Augen. Ich schrie auf ihn ein, doch er sah mich einfach nur weiter an. Ich war das Letzte, was er gesehen hat.«
»Himmel«, sagte Punch. »Ich habe mit dem Mann kaum ein Wort gesprochen, trotzdem, er schien ein netter Kerl zu sein. Ruhig, aber nett.«
»Blödsinn«, sagte Jane. »Erzähl mir nicht so einen Mist. Er gehörte zu Nails Muskelklonen. Von euch konnte ihn doch keiner leiden.«
»Als ich ihn irgendwann mal bat, ein paar Sicherheitsbelege zu unterschreiben«, sagte Ghost, »hat er einfach nur ein Kreuz gemacht. Ich glaube, er konnte nicht mal schreiben.«
»Was glaubt ihr, wie sie es geschafft haben reinzukommen?« , fragte Punch. »Ich hätte schwören können, dass die Barrikaden sicher sind.«
»Offenbar sind sie in zwei Wellen vorgedrungen«, sagte Jane. »Die erste Gruppe, die Leute in den Faschingskostümen, haben keine Granaten ausgelöst; ich habe lange vor der ersten Granatenexplosion Schreie und Rufen gehört. Irgendwie müssen sie einen Weg gefunden haben, die Barrikaden zu umgehen, eine Hintertür, irgendetwas, was wir übersehen haben. Weiß der Himmel, wie sie das geschafft haben. Ich könnte schwören, dass wir sämtliche Ausgänge abgesichert hatten. Und doch sind sie einfach in den Fluren aufgetaucht, als hätte jemand sie hereingelassen. Die zweite Welle
ist gewaltsam durchgebrochen und hat die Party gesprengt. Sie wollten bei dem Trubel wohl ein wenig mitmischen, und dabei sind dann die ersten Feuer ausgebrochen.«
»Wir sollten den Aufzug herunterlassen«, sagte Punch. »Gut möglich, dass ein paar von den anderen ebenfalls überlebt haben.«
Jane sah auf ihre Uhr. »Das ist jetzt fast zwei Stunden her. Wenn tatsächlich jemand an Bord der Hyperion zurückgeblieben ist, sich dort versteckt hat, was weiß ich, dann ist er verbrannt. Das Schiff ist vom Kiel bis zum Oberdeck vollständig ausgebrannt. Und wer es von Bord geschafft hat, ist an Unterkühlung gestorben. Seht den Tatsachen ins Gesicht. Wir sind die Letzten, die noch übrig sind.«
»Sie hat recht.«
»Und wisst ihr was? Ein kleines bisschen bin ich froh darüber. All die glücklichen Familien, und jetzt seht euch mal um. Jede Menge leerer Plätze, Unmengen von Toten. Und von uns sind vier übrig. Wollen wir hier etwa hübsch gemütlich herumsitzen und uns gegenseitig beim Sterben zusehen?«
»Vielleicht wäre es sogar besser, wenn sie es nicht geschafft hätten«, sagte Ghost. »Ich rede von Nail – besser, er taucht nicht wieder auf.«
»Wieso das?«, wollte Sian wissen.
»Ich bin ziemlich sicher, dass er Mal umgebracht hat.«
»Du nimmst mich auf den Arm.«
»Es gab irgendeinen Streit, aus irgendeinem Grund sind die beiden aneinandergeraten.«
»Himmel.«
»Womöglich ist er nicht einmal Nail Harper. Könnte sein, dass er einen falschen Namen benutzt.«
»Herrgott.«
»Nicht, dass wir das auch beweisen könnten.«
»Was ist überhaupt passiert? Worum ging es dabei eigentlich?«
»Er hatte irgendeinen Deal laufen, irgendeine faule Geschichte. Selbst wenn er es von Bord der Hyperion geschafft haben sollte, wäre es zu gefährlich, ihn wieder auf die Bohrinsel zu lassen. Ich bin dafür, die Zugbrücke hochzuziehen. Soll er sehen, wo er bleibt.«
»Das ist ziemlich brutal.«
»Hört doch auf«, sagte Jane. »Oder gibt es hier im Raum jemanden, der nicht froh wäre, wenn er verschwunden bliebe?«
Jane versiegelte die Feuerschutztür, die den Wohntrakt mit dem Rest der Plattform verband, und hebelte das Bedienfeld mit einem Messer von der Wand.
Damit war die Plattform jetzt zur Festung geworden und das Wohnmodul A zu ihrem Bergfried. Selbst wenn es jemandem gelänge, an Bord der Rampart zu klettern,
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