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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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Seekarten und Leuchtraketen. Sie schmiss die Säcke in das Boot.

    Sie fand eine Haarschneidemaschine und rasierte sich den Schädel kahl. Büschel kastanienbraunen Haars rieselten auf das Deck.
    Ein letzter Blick, dann zog sie ein zerknülltes Stück Papier aus der Tasche, ihre Checkliste. Eine rasche Bestandsaufnahme: alles startklar.
    Sie schlug mit der Faust auf den grünen Wandschalter, und schon öffneten sich die Falltüren unter dem Boot. Ein taifunartiger Windstoß aus eisiger Luft und Eispartikeln schlug ihr entgegen.
    Das Boot hing an einer Kettenwinsch. Nikki drückte auf ABWÄRTS und sprang an Bord, als sich das Boot in das Dunkel hinabsenkte.
    Das Boot landete unterhalb der Plattform auf dem Eis. Sie hakte die Ketten los.
    Mithilfe von Tauen waren zwei mit Rädern versehene Paletten unter der Jacht befestigt worden. Das Boot hatte das Gewicht eines Lieferwagens, allerdings war das Eis so glatt wie Glas.
    Nikki schnallte Klettereisen unter ihre Stiefel und stemmte sich gegen das Boot; nachdem es einmal in Bewegung war, kam es in Schwung. Schritt für Schritt schob sie das Boot bis an die Wasserkante, sprang an Bord, als das spröde, rissige Eis unter dem Gewicht des Boots einzubrechen begann. Es setzte auf der Wasserfläche auf. Hand über Hand setzte sie die Segel.
    Das metallische Geräusch eines Motors. Der Strahl einer Stablampe traf plötzlich von oben genau in ihr Gesicht: Jane, im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten. Das blendende Gleißen ließ Nikki zurückzucken, als wäre sie geohrfeigt worden.
    »Du schleichst dich klammheimlich davon, ist das dein Plan?«, brüllte Jane. Die Plattform setzte unten auf.
    »Ich wollte keinen großen Wirbel veranstalten.«
    Nikki hielt sich die Hand schützend vor die Augen und versuchte, hinter das blendende Licht zu blicken, versuchte zu erkennen, ob Jane bewaffnet war.
    »Deine neue Frisur gefällt mir«, rief Jane. »Du siehst aus wie ein hart gekochtes Ei.«
    Nikki erwiderte nichts, sie wartete ab, was Jane tun würde.
    »Wir werden folgendermaßen vorgehen: Du kannst das Boot nehmen, du kannst die Lebensmittel mitnehmen und außerdem alle Seekarten, die du gestohlen hast. Aber du musst ein Funkgerät mitnehmen, das bist du uns schuldig. Wir müssen erfahren, wie weit du kommst. Wir müssen wissen, was uns jenseits des Horizonts erwartet.«
    Ein großes, in einen Segeltuchsack gewickeltes Funkgerät traf Nikki an der Brust. Instinktiv griff sie nach der Schnur, ehe es ins Wasser fallen konnte.
    »Also, wie hört sich das an?«
    »Einverstanden«, sagte Nikki. »Ruf mich an, wann immer dir danach ist. Wir plaudern ein bisschen, essen zusammen zu Mittag.«
    »Ich meine es ernst. Du lagst da draußen auf dem Eis im Sterben, schon vergessen? Du warst praktisch schon erledigt. Wir haben euch wieder zurückgeholt, euch das Leben gerettet. Du bist uns ein paar Minuten deiner Zeit schuldig.«
    »Okay. Was soll’s.«
    »Es wird einsam sein da draußen. Nach ein paar Tagen allein in der Dunkelheit bist du vielleicht ganz froh, eine Stimme zu hören.«
    Das Boot begann langsam von der Eisfläche fortzudriften, zwanzig Meter, dreißig. Nikki gelangte außer Janes Rufweite.

    Einhundert Meter, zweihundert. Sie war außerhalb Janes Schussweite.
    Nikki hatte es geschafft, sie war in Sicherheit. Nail könnte vielleicht das Schlauchboot beschlagnahmen und versuchen, sie einzuholen, würde aber Mühe haben, sie zu finden. Sie hatte keine Positionslichter, und für eine Radarortung bot sie zu wenig Fläche.
    Nikki schaute sich um, hinter ihr schrumpfte die Rampart, ein immer weiter zurückweichendes Sternbild aus Zimmerbeleuchtungen, eine gewaltige skelettartige Silhouette, die die Sterne verdunkelte.
    Ein Kratzen, als das Boot Eisschollen aus dem Weg stieß.
    Sie kehrte der Raffinerie den Rücken und richtete ihren Blick auf den südlichen Horizont, ebenjenen Punkt, wo der legendäre Sternenstaub der Milchstraße auf die undurchdringliche Schwärze des Meeres stieß, und verspürte eine belebende Mischung aus Erregung und Furcht. Mit einem Gummiseil zurrte sie das Ruder in der richtigen Position fest, streifte sich eine Kälteschutzmaske übers Gesicht und schlug ihre Kapuze hoch. Dann kauerte sie sich in das Cockpit, bereit für die große Fahrt.
     
    Der Opiumrausch hatte Nail vollends niedergestreckt, dank Demerol war der bohrende Schmerz seiner gebrochenen Elle auf ein erträgliches Maß herabgemildert. Über mehrere Stunden erlangte er immer wieder für Augenblicke das

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