Wandlung
Vorbewohnern musste es sich um höherrangige Besatzungsmitglieder gehandelt haben. Punch hatte die Sachen des Mannes durchsucht und die
Kleidungsstücke, Briefe und Fotos in einen Müllsack aussortiert. Wahrscheinlich irrte er jetzt stumpfsinnig und verstümmelt unter Deck herum. Besser, man dachte nicht zu lange über sein Schicksal nach.
Punch verkeilte die Tür mit einem Stuhl.
»Hast du etwa Angst, ein infizierter Matrose könnte hier herumschleichen?«, fragte Sian. Sie ließ sich gerade ein Bad einlaufen.
»Du hast die Wunde doch gesehen, ein glatter Schnitt von einem Ohr zum anderen. Diese tollwütigen Mistkerle dagegen beißen zu, sie mögen es, einen in Stücke zu reißen.«
»Vielleicht hat Mal die Abgeschiedenheit nicht ertragen. All diese üblen Geschichten zu Hause, kein Tageslicht. Ich bin überrascht, dass nicht schon viel mehr in Depressionen verfallen sind.«
»Sein Kopf war praktisch vollständig abgetrennt.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich weiß nicht, vielleicht gar nichts. Ein Verzweifelter kann sich in eine Art Wahn hineinsteigern und übermenschliche Kräfte entwickeln. Wer zu allem entschlossen ist, kann sich beträchtlichen Schaden zufügen.«
Punch stand vor dem Badezimmerspiegel, nahm eine Zahnbürste zur Hand und tat, als wollte er sich die Kehle durchschneiden.
»Es wäre vermutlich zu schaffen, eine solch klaffende Wunde. Ein Mann könnte sich selbst die Halsadern und die Luftröhre durchtrennen, wenn er es mit aller Kraft und schnell tut. Allerdings müsste er ziemlich entschlossen sein. So was bringt nur jemand mit einer verzweifelten Todessehnsucht fertig.«
»Mord? Ist es das, worauf du anspielst? Ein Streit, der aus dem Ruder gelaufen ist?«
»Keine Ahnung. Aber von jetzt an solltest du nicht mehr allein herumlaufen, wenn es sich vermeiden lässt. Und immer ein Messer dabeihaben.«
Sian zog sich aus und stieg in die Wanne. Punch schleuderte die Schuhe von den Füßen und begann, sein Hemd aufzuknöpfen.
Sian hatte noch nicht recht begriffen, dass Frauen zu einem raren und wertvollen Gut geworden waren. Die Jahre, die vor ihnen lagen, würden wahrscheinlich brutal und gesetzlos sein. Zuvor war Punch mit jedem gut ausgekommen, mittlerweile jedoch zog er den Neid und den Hass der Mannschaftsmitglieder auf sich. Wenn er Sian für sich haben und sie behalten wollte, würde er um sie kämpfen und womöglich sogar jemanden töten müssen.
25 – TST
Ghost lief hinüber zur Rampart, die Raffinerie war jetzt durch ein Eisschelf mit der Insel verbunden. Er lief schnell, wich den infizierten Passagieren aus und langte mit schweißnassem, dampfendem Gesicht am Aufzug des Anlegers an.
Er und Jane saßen in Rawlins’ Büro. Die Plattform war mit Unterwasserkameras ausgerüstet, damit die Besatzung die Unversehrtheit der riesigen Schwimmauflager und den Zustand der Pipeline auf dem Meeresboden sowie der Sammelleitung überwachen konnte.
Sie schalteten einen Wandbildschirm ein, setzten die Unterwasserflutlichter unter Strom und wählten mithilfe eines Schwenkneigekopfes Kameraperspektiven aus.
Vor ihnen erschien die verbeulte Außenhaut des Moduls D, so, wie sie auf der sandigen Mondlandschaft auf dem Grund des Ozeans lag.
Jane wählte eine andere Kameraposition: Stahltrossen, zusammengerollt auf dem Meeresgrund.
»Das wäre so weit in Ordnung«, meinte Ghost. »Die noch verbliebenen Spannseile sind unbeschädigt. Trotz der ziemlich heftigen Strömungen, die es hier draußen gibt, werden wir fest verankert bleiben.«
Er bewegte den Steuerknüppel. Die Kamera schwenkte nach oben. Der Schwimmauflager.
»Welch ein gottverdammtes Chaos«, sagte Jane.
»Eine riesige Beule, aber kein Loch«, sagte Ghost. »Das sollte uns stabil und über Wasser halten.«
»Hoffentlich.«
»Ein Kreuzfahrtschiff besteht üblicherweise aus einer Reihe hermetisch voneinander getrennter wasserdichter Abteilungen. Das halbe Schiff könnte mit Wasser volllaufen, und wir wären noch immer in der Lage, es nach Hause zu manövrieren. Vielleicht gelingt es uns, das Minitauchboot zu Wasser zu lassen und uns den Rumpf vom Scheitel bis zur Sohle anzusehen.«
Jane bat Nail von der Hyperion herüber. Die beiden setzten sich in die Kantine.
»Wie geht es deinem Arm?«
»Schon besser.«
»Du kannst doch das Minitauchboot bedienen, richtig? Du und Gus, ihr könnt es fahren, steuern, was auch immer.«
»Wir haben früher die Pipeline auf dem Meeresboden inspiziert.«
»Was hältst du davon, wenn
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