Wandlung
dann bis auf die Unterwäsche aus und stemmte in einer Ecke der verlassenen Kantine Eisengewichte. Dazu benutzte sie Nails zurückgelassene Fitnessausrüstung. Sie war ebenso fasziniert wie angewidert von Nails aufgeblasener Körperlichkeit, nichts als Adern und ausgebildete Muskulatur. Der Mann war eine menschliche Festung. Sie beneidete ihn um seine schiere Körperkraft.
Während sie Hanteln stemmte, ließ sie AC/DC in der Musikbox laufen, in voller Lautstärke. »Bad Boy Boogie« hallte durch die leeren Flure.
Zwischen zwei Trainingseinheiten legte Jane eine kleine Pause ein, in der sie mit einem Tauchermesser aus Titan auf die Kantinendartscheibe warf. Die schwere Klinge bohrte sich mit einem dumpfen Aufprall in den Kork und zerfetzte die Scheibe allmählich in Stücke. Nail traf aus zwanzig Metern ins Ziel, sie hatte vor zu trainieren, bis sie aus dreißig Metern traf.
Jahre zuvor, als die Plattform noch komplett bemannt war, hatte das Starbucks einen Büchertausch organisiert, jetzt war das Café ein leeres Ladengeschäft mit ein paar zerbrochenen Barhockern darin. In dem allgemeinen Durcheinander entdeckte Jane eine Kiste mit Büchern, darunter dreißig Ausgaben des Magazins Combat Survival . In jeder Ausgabe gab es genaue Angaben zu Karabinern und Pistolen, Kleinanzeigen für Waffenhalfter, Moskitonetze und Gasmasken aus israelischen Armeebeständen.
Sie informierte sich über Schlangenbisse, Kreuzknoten und essbare Insekten, genoss es, sich Wüstensand und Dschungelhitze vorzustellen. Es gab Pläne zum Ausschneiden für Bärenfallen, Eichhörnchenschlingen und Hochleistungszwillen. Sie machte sich in Gedanken
eine Notiz, das Bootshaus nach Gummiband zu durchsuchen.
Jane bereitete sich ein Sandwich zu, setzte sich in die Aussichtskuppel und las über Bambusschutzhütten im Dschungel, lernte, wie man eine Tarantel am besten über einem Lagerfeuer garte. Ghost rief sie über Funk.
»Sieht ganz so aus, als müsstest du wieder ein Begräbnis abhalten, fürchte ich.«
»Was willst du damit sagen?«
»Mal ist nicht zum Abendessen erschienen. Ich hab mir Sorgen gemacht, dann sind wir ihn suchen gegangen. Wir fanden ihn in einer Wäschekammer. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten.«
»Glaubst du, ein infizierter Passagier schleicht durch die Mannschaftsquartiere und versteckt sich im Belüftungssystem? Jemand, den ihr übersehen habt?«
»Wir durchsuchen gerade alles, wir sind bewaffnet und gehen nur zu zweit. Bislang Fehlanzeige. Die Barrikaden sind intakt, keine der Granaten wurde ausgelöst. Außerdem lag Mal in einem Schrank versteckt. Diese kranken Freaks verstümmeln und töten, aber sie wischen nicht hinterher auf.«
»Also, worum geht es? Womit haben wir es zu tun?«
»Wir haben bei dem Körper ein Küchenmesser gefunden, er hatte es in der Hand. An der Klinge war Blut.«
»Glaubst du das? Dass er sich selbst umgebracht hat? Was sagt dein Instinkt?«
»Ein Toter mit einem Messer in der Hand, da lässt sich ein Selbstmord nur schwer bestreiten. Schätze, ich werde es den Jungs erzählen müssen. Wird sich nicht gerade positiv auf die Moral auswirken, andererseits bringt es nichts, sie anzulügen.«
»Ich denke, ich werde eine Ansprache halten müssen.
Weiß der Himmel, was ich erzählen werde, schließlich habe ich ihn kaum gekannt.«
»Wieder ein Tag um und wieder ein Leichensack. Was meinst du, wird im Frühjahr noch jemand von uns übrig sein?«
Punch und Ghost hüllten den Leichnam in ein Laken, schleppten ihn ins Freie und legten ihn auf eine Bank. Die infizierten Passagiere auf dem Promenadendeck unter ihnen, die das Ganze beobachteten, stöhnten auf und fauchten.
Sie durchsuchten Mals Taschen, eine Taschenlampe, ein Feuerzeug, eine Packung Pfefferminzbonbons. Kein Abschiedsbrief.
»Zieh ihm seine Stiefel aus«, sagte Ghost. »Mit seiner Jacke können wir nichts anfangen, aber wir brauchen schneefeste Schuhe.«
Mit einer Taschenlampe untersuchte Punch die Wunde an seinem Hals. »Ein glatter Schnitt durch die Luftröhre bis zu den Nackenwirbeln.«
»Hast du viel mit ihm gesprochen? Hat er einen depressiven Eindruck auf dich gemacht?«
»Frag Nail, Mal war sein Kumpel.«
Sie verschnürten den in ein Leichentuch gehüllten Körper und legten ihn in ein Rettungsboot, um ihn einzufrieren.
Punch und Sian zogen sich in ihre Kabine zurück, eine Vierbettsuite mit einem Kingsize-Doppelbett, einer Stereoanlage mit großem Plasmabildschirm sowie einer kleinen Küche. Bei den
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