Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
Vom Netzwerk:
hat. Die erste Einzahlung stammt von dem Tag, an dem ich ihr das Scheckbuch überreicht habe.
    Typisch Frau, sagst du und lächelst. Auch ich habe das im ersten Augenblick gesagt und erleichtert gelächelt. Jetzt war es klar – das bewies auch die Reihenfolge der Einzahlungen –, daß Judit das Geld von mir hatte und es dann vor mir versteckte. Während ich dachte, sie werfe es besinnungslos für modisches Zeug zum Fenster hinaus. Das tat sie zwar auch, aber nicht ganz besinnungslos. Wie ich später erfuhr, feilschte sie beim Einkaufen auf Leben und Tod und ließ dann die Rechnung auf einen höheren Betrag ausstellen, als sie in Wirklichkeit gezahlt hatte. Animierdamen verfahren so mit ihren leichtsinnigen und belämmerten Kavalieren. Wie gesagt, im Augenblick, da ich begriff, daß Judit mein eigenes Geld hortete, lächelte ich erleichtert.
    Ich steckte die Mitteilung der Bank in den Umschlag zurück, klebte ihn wieder zu und ließ ihn Judit zukommen. Von meiner Entdeckung sagte ich nichts. Doch jetzt begann für mich eine neue Variante der Eifersucht. Ich lebte mit einer Frau, die ein Geheimnis hatte. So wie die bösen Frauen, die nett und freundlich mit ihrer Familie zu Mittag essen, und während sie mit ihren gutgläubigen, opferbereiten Lieben plaudern, sinnen sie schon auf das Rendezvous am Nachmittag, wenn sie in der Wohnung eines fremden Mannes verschwinden und einige Stunden lang schamlos alle menschlichen Gefühle beschmutzen werden, da sie jene verraten, die ihnen vertrauen und für sie sorgen. Du mußt wissen, daß ich ein altmodischer Mann bin und die ehebrecherischen Frauen grenzenlos verachte. So sehr verachte, daß kein Argument dagegen ankommt. Niemand hat ein Recht auf die schmutzigen, kläglichen Abenteuer, die diese Frauen das Glück nennen, um den Preis, daß sie heimlich oder offen die Gefühle eines anderen Menschen verletzen. Ich selbst war der leidende oder handelnde Protagonist solcher Gemeinheit, und wenn es etwas in meinem Leben gibt, für das ich mich zutiefst schäme, so ist es der Ehebruch. Ich verstehe in geschlechtlichen Dingen jede Verirrung, ich verstehe, wenn jemand in den schrecklichen Tiefen der physischen Begierden verschwindet, ich verstehe auch die Ekstasen und grotesken Erscheinungen der Leidenschaft. Denn das Begehren spricht in tausend Sprachen zu uns. Das alles verstehe ich. Aber nur freie Menschen dürfen sich diesen tiefen, reißenden Strömen überlassen. Alles andere ist billiger Betrug, schlimmer als die bewußte Grausamkeit.
    Menschen, die einander etwas bedeuten, dürfen keine Geheimnisse haben. Denn genau das nennt sich Betrug. Der Rest ist mehr oder weniger nebensächlich, eine rein physische Angelegenheit und meist nichts anderes als ein trostloses Gefuchtel. Das sind die berechneten Liebschaften, in berechneter Zeit, an vorausbestimmtem Ort, ohne Spontaneität. Wie traurig und schmählich das alles ist. Und hinter allem das winselnde, miese Geheimnis. Das die Gemeinsamkeit vergiftet, wie wenn in einer schönen Wohnung irgendwo unter einem Sofa eine Leiche verwest.
    Und so wußte ich von dem Tag an, da ich den Brief von der Bank fand, von Judits Geheimnis. Das sie vorsätzlich und gut hütete.
    Sie hütete es gut, und ich beobachtete sie noch besser. Ich hätte sie durch Privatdetektive beschatten lassen können, sie wäre nicht gründlicher beobachtet worden. Wir lebten freundlich und vertraulich, so wie es sich unter Frauen und Männern ziemt, und belogen einander. Sie log mir vor, sie hätte kein Geheimnis, und ich log, daß ich ihr das glaubte. Ich beobachtete sie und dachte nach. Später habe ich mir überlegt, daß die Sache anders gekommen wäre, wenn ich sie mit meiner Entdeckung überfallen und zu einem Geständnis gezwungen hätte. Vielleicht wäre die Situation danach bereinigt gewesen, wie die Luft eines schwülen Sommertags nach einem kurzen Gewitter. Aber offenbar hatte ich vor diesem Geständnis Angst. Es beunruhigte mich zu sehr, daß diese Frau, mit der ich mein Schicksal teilte, vor mir ein Geheimnis hatte. Sechsundzwanzigtausend Pengő waren für eine Frau, die einen Winter ihrer Kindheit in einem mäuseverseuchten Loch verbracht hatte und dann Dienstmädchen gewesen war, verflucht viel Geld, geradezu ein Vermögen. Und dieses Geld vermehrte sich. Hätte es sich nur darum gehandelt, daß Judit mit der billigen, praktischen Schlauheit der Frauen etwas vom Haushaltsgeld abzwackte, um ein Taschengeld zu haben, und dabei etwas von den

Weitere Kostenlose Bücher