Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
du das gemacht, mein Süßer, na, ich brauch’s ja gar nicht zu sagen, niemand kann so gut Schmuck verkaufen wie du –, den Ring hatte die alte Gnädige getragen. Sie hatte ihn von ihrem Mann zur silbernen Hochzeit bekommen. Ich habe den Ring zufällig in einer Schublade gefunden, als die Alte gestorben war. Da war ich bereits selbst Dame des Hauses. Ich streifte mir den Ring über den Finger und betrachtete ihn. Und da kam mir in den Sinn, wie ich viele Jahre zuvor beim Reinemachen, während die alte Gnädige im Badezimmer zwischen ihren Tiegeln und Fläschchen kramte, auf ihrem Boudoirtisch diesen altmodischen dicken Brillantring gefunden hatte. Und auch damals hatte ich ihn übergestreift und betrachtet, aber so aufgeregt und zitternd, daß ich ihn rasch wieder auf den Tisch warf und aufs Klo rannte, weil ich auf einmal Bauchkrämpfe hatte. So sehr hatte mich der Ring aufgeregt. Als ich später, nach dem Tod der Alten, den Ring wiederfand, sagte ich meinem Mann nichts, sondern steckte ihn einfach in die Tasche. Das war kein Diebstahl, mein Mann schenkte mir sowieso alles Glitzerzeug, das seiner Mutter gehört hatte. Aber es tat mir gut, dieses eine Stück, das die Alte immer so stolz getragen hatte, ohne sein Wissen einzustecken. Und ich habe den Ring gut aufbewahrt, bis gestern, als du ihn verkauft hast.
Was lachst du? Du glaubst nicht, daß sie auch das Klopapier aus dem Ausland kommen ließen? Aber schau, da waren vier Badezimmer im Haus, eins für die Frau, mit blaßgrünen Kacheln, eins für den jungen Herrn, mit gelben Kacheln, und eins für den Alten, und das war dunkelblau. Für jedes der Badezimmer ließen sie aus Amerika Klopapier in der Farbe der Kacheln kommen. In Amerika gibt’s alles, die haben eine riesige Industrie und einen Haufen Millionäre. Da würde ich schon gern noch hinfahren. Ich habe gehört, daß mein Mann, der erste, der richtige, auch dorthin gegangen ist, als er sich nach dem Krieg einen Stoß gab und der Volksdemokratie den Rücken kehrte. Aber ihm möchte ich nicht mehr begegnen. Einfach so. Weil ich glaube, daß es das gibt, daß zwei Menschen einander nichts mehr zu sagen haben.
Das ist aber auch nicht sicher. Mag sein, daß es ein Gespräch gibt, das kein Ende hat … Na schön, ich erzähle weiter.
Auch die Bediensteten hatten ein Badezimmer, aber das war bloß weiß gekachelt. Und das Papier, das wir benutzten, war bloß weißes Papier, ein bißchen rauh. In dem Haus herrschte große Ordnung.
Der Alte war die Triebfeder dieser Ordnung. Denn alles tickte da wie in der feinen Damenuhr, die du vor zwei Wochen verkauft hast. Das Personal stand um sechs Uhr auf. Schon auf das Reinemachen mußten wir uns vorbereiten wie aufs Hochamt. Da waren die Besen, Bürsten, Staublappen, die feinen Leinenstücke für die Fenster, die Wichsen und Wachse fürs Parkett und die Möbel, edle Fette, die wie aus dem Schönheitssalon kamen. Dann all die brummenden, aufregenden Maschinen, der Staubsauger, der nicht nur Staub saugte, sondern die Teppiche auch klopfte, die Bohnermaschine, die das Parkett so glatt wichsen konnte, daß ich mich während der Arbeit manchmal darüberbeugte und mich spiegelte, so wie jenes Schwuchtelchen, der Narziß, der im Teich sein eigenes Gesicht anhimmelt …
Und für das Reinemachen kostümierten wir uns jeden Morgen wie die Schauspieler für die Vorstellung. Der Diener zog eine Jacke an, die aussah wie ein gewendetes Jackett. Die Köchin band sich ein Kopftuch um und zog eine weiße Mantelschürze an, in der sie einer Operationsschwester glich, und ich setzte mir schon am frühen Morgen ein Häubchen auf, so daß ich aussah wie die Unschuld vom Land im Volkstheater. Und es war klar, daß sie mich nicht nur zu Dekorationszwecken in dieses Kostüm steckten, sondern auch aus Gründen der Hygiene, weil sie mir nicht trauten, weil sie fürchteten, ich sei voller Bazillen. Das sagten sie mir natürlich nicht. Vielleicht dachten sie auch nicht direkt daran. Bloß schützten sie sich eben, gegen alles und alle. Das war ihre Natur. Sie waren äußerst mißtrauisch. Sie schützten sich gegen die Bazillen, gegen die Diebe, gegen Hitze und Kälte, gegen den Staub und den Durchzug. Sie schützten sich gegen den Verbrauch und den Verfall und den Mottenfraß. Alles wurde ewig geschützt, ihre Zähne und die Bezüge der Möbel und die Aktien und die Gedanken, die sie geerbt oder sich aus Büchern geliehen hatten. Das alles wußte ich zwar nicht mit dem Verstand. Aber so viel
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