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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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heiraten konnte. Und hätte er mit mir ins Bett gewollt, wäre es für ihn überhaupt keine Frage gewesen, ob er das dürfe. Deshalb bediente ich den Alten viel lieber. Ich war jung und gesund, ich spürte und roch instinktiv, was gesund war, und ich mied alles Kranke. Der Alte war noch gesund. Seine Frau und sein Sohn, ja, der, welcher mich später geheiratet hat, die waren schon krank. Das wußte ich damals nicht mit dem Verstand, aber ich ahnte es.
    Denn alles in dem schönen Haus war gefährlich. Es war wie in dem Krankenhaus, wo ich einmal als Kind gewesen war. Ein großes Erlebnis, vielleicht das schönste, reichste meiner Kindheit. Ein Hund hatte mich in die Wade gebissen, und der Kreisarzt wollte nicht, daß ich in der Grube blieb und man mir die Wunde mit Lumpen verband. Er schickte einen Gendarmen, und ich mußte ins Krankenhaus gehen.
    Es war ein altes Provinzkrankenhaus, aber mir kam es vor wie ein Märchenschloß.
    Alles dort war interessant und beängstigend. Schon der Geruch, jener ländliche Krankenhausgeruch, war aufregend. Und auch anziehend, weil es neu war, anders als der Geruch in der Grube. Man behandelte mich gegen Tollwut, ich bekam schmerzhafte Spritzen, aber das kümmerte mich nicht groß. Tag und Nacht beobachtete ich, was in dem Krankenhaussaal, wo alle Arten von Kranken lagen, vor sich ging. Später habe ich in Paris im Museum einen schönen Stich gesehen, ein französisches Hospital aus der Revolutionszeit, ein Saal mit Spitzbögen, wo auf den Betten zerlumpte Gestalten hockten. So unwahrscheinlich war auch dieses Krankenhaus, wo ich die schönsten Tage meiner Kindheit verbracht habe, während man befürchtete, ich würde die Tollwut bekommen.
    Aber ich bekam sie nicht, jedenfalls nicht damals und nicht in der lehrbuchmäßigen Form. Aber es ist schon möglich, daß in mir etwas Gift von der Tollwut übriggeblieben ist. Später habe ich das manchmal gedacht. Es heißt, die Tollwütigen seien immer durstig, und gleichzeitig sei ihnen das Wasser zuwider. Ich fühlte etwas Ähnliches, als sich mein Schicksal schon gewendet hatte. Ich verspürte mein ganzes Leben lang großen Durst, aber als ich die Möglichkeit hatte, meinen Durst zu löschen, war es mir ekelhaft. Keine Angst, ich beiße dich nicht.
    Also, an dieses Krankenhaus dachte ich, als ich in das schöne Haus kam.
    Der Garten war nicht groß, aber duftend wie eine Drogerie in der Provinz. Sie hatten aus dem Ausland spezielle Gräser kommen lassen. Denn die ließen alles aus dem Ausland kommen, bis hin zum Klopapier.
    Schau nicht so schief und ungläubig. Die haben ihre Einkäufe nie so gemacht wie gewöhnliche Sterbliche, sondern bloß ihre Lieferanten angerufen, und die haben dann alles besorgt, das Fleisch für die Küche, die Keimlinge für den Garten, die neuen Schallplatten, die Aktien, die Bücher, das Duftsalz fürs Badewasser, die Essenzen, mit denen sie sich nach dem Waschen einrieben, die Seifen und Pomaden, die so traumhaft und aufregend und zum Rasendwerden süß rochen, daß mir ganz komisch wurde und ich gleichzeitig am liebsten vor Rührung geweint hätte, wenn ich das Badezimmer aufräumte und das alles noch in der Luft lag.
    Die Reichen sind sehr seltsam, mein Schatz. Schau, auch ich war eine Zeitlang so etwas wie reich. Morgens wusch mir eine Zofe den Rücken, und ich hatte einen Wagen, ein Coupé mit Chauffeur. Und einen offenen Sportwagen hatte ich auch, und ich sauste darin umher. Und es war mir überhaupt nicht peinlich, kannst du mir glauben. Ich spielte nicht die Verschämte, sondern stopfte meine Handtasche voll. Es gab Momente, da stellte ich mir vor, ich sei reich. Doch jetzt weiß ich, daß ich nie, keinen Augenblick, richtig reich war. Ich besaß bloß Schmuck und Geld, ein Konto auf der Bank. Das hatte ich alles von ihnen, den Reichen, bekommen. Oder ich hatte es ihnen weggenommen, sobald sich die Möglichkeit ergab, denn ich war ein kluges Mädchen, ich hatte in der Grube gelernt, daß man fleißig sein und alles aufheben, beschnuppern, anbeißen, verstecken soll, was die anderen wegwerfen, den löchrigen Emailtopf genauso wie den Brillantring. Man kann nie fleißig genug sein, das hatte ich schon als kleines Mädchen gelernt.
    Jetzt, wo die Regentage gekommen sind, frage ich mich manchmal, ob ich fleißig und aufmerksam genug gewesen bin. Gewissensbisse habe ich keine. Ich frage mich vielmehr, ob ich nicht etwas dort vergessen habe. Zum Beispiel den Ring, den du gestern verkauft hast – sehr gut hast

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