Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
nicht ganz neu, kann ja sein, daß andere Liebespaare auch schon darauf gekommen sind, aber für mich ist es trotzdem ein großes Geschenk.
Da, jetzt habe ich nach dir getrunken. Siehst du, mein Mann hat mich nie mit solchen Zärtlichkeiten beschenkt. Nie haben wir aus demselben Glas getrunken und uns dabei in die Augen geschaut. Der hat eher einen Ring gekauft, wenn er mir eine Freude machen wollte. Ja, zum Beispiel den schönen Ring mit dem Türkis, der dir letzthin so gefallen hat. Er war eben ein Langweiler. Was sagst du, mein Herz? … Gut, ich gebe ihn dir, damit du ihn durch deinen hervorragenden Experten schätzen lassen kannst. Es soll alles geschehen, wie du es willst.
Ich soll noch von den Reichen erzählen? Alles kann man von denen nicht erzählen. Ich habe jahrelang wie eine Schlafwandlerin unter ihnen gelebt. Verstört und mondsüchtig. Ich wußte nie, was ich falsch machen würde, wenn ich sie anredete oder wenn ich schwieg oder etwas in die Hand nahm. Sie schalten mich nicht, o nein. Vielmehr belehrten sie mich, nachsichtig und rücksichtsvoll, so wie der Straßensänger hier, der einem Affen beigebracht hat, ihm auf die Schulter zu springen und sich dort zu produzieren. Aber sie belehrten mich auch wie einen Krüppel, der weder gehen noch irgend etwas richtig tun kann. Denn als ich zu ihnen kam, war ich genau das, ein Krüppel. Ich konnte nichts. Weder gehen, wie sie es verstanden, noch grüßen, noch sprechen, vom Essen gar nicht zu reden. Ich hatte keinen Dunst, wie man richtig ißt. Ich glaube, damals konnte ich nicht einmal schweigen, so richtig gezielt und bösartig. Ich hielt einfach den Mund. Doch dann lernte ich der Reihe nach die Lektionen, die sie mir aufgegeben hatten. Lernte schnell und fleißig. Am Ende waren sie erstaunt, wie rasch und wieviel ich gelernt hatte. So erstaunt, daß sie nach Luft schnappten. Ich will mich nicht rühmen, aber ich glaube, sie waren verblüfft, als ich eines Tages das Examen ablegte.
Zum Beispiel das Mausoleumexamen. Ach Herrje, das Mausoleum. Weißt du, es war so, daß alle die Herrschaft bestahlen. Die Köchin machte ihr Geld beim Einkaufen, der Diener ließ die Wein- und Zigarrenhändler höhere Rechnungen ausstellen, der Chauffeur stahl und verkaufte Benzin. Das war alles natürlich, die Herrschaft wußte es, es gehörte zur Hausordnung. Ich selbst stahl nicht, weil ich bloß Mädchen für alles war und also nichts zum Stehlen fand. Später aber, als ich schon die Gnädige war, kam mir alles in den Sinn, was ich in den unteren Rängen, in der Küche gesehen hatte, und das Mausoleum war eine Versuchung, der ich nicht widerstehen konnte.
Denn eines Tages fällt meinem Mann, diesem wahren Gentleman, plötzlich auf, daß das Leben nicht vollständig ist, da die Familie auf dem Friedhof von Buda kein Grabgewölbe hat. Seine Eltern, die alte Gnädige und der alte Herr, waren noch altmodische Tote, die unter einer gewöhnlichen Marmortafel zu Staub wurden, ohne Grabgewölbe. Als meinem Mann dieses Versäumnis auffiel, wurde ihm ganz düster zumute. Doch dann gab er sich einen Ruck, und wir begannen emsig umherzurennen. Ich hatte den Auftrag, mit dem Grabplaner und dem Maurer zu verhandeln, damit für die Alten ein schönes Gewölbe gebaut werde. Zu jener Zeit besaßen wir mehrere Autos, eine Stadtwohnung für den Winter, ein Haus im Grünen und ein Schlößchen in der Balatongegend, auf einem Landgut, das nach irgendeinem Tauschgeschäft an meinem Mann hängengeblieben war. Wir konnten uns nicht über Wohnungsmangel beklagen.
Aber ein Grabgewölbe hatten wir noch nicht. Wir beeilten uns, diesen peinlichen Mangel zu beheben. Natürlich konnten wir die Arbeit nicht einem gewöhnlichen Architekten anvertrauen. Mein Mann recherchierte, bis er den besten Grabgewölbe-Experten der Stadt gefunden hatte. Wir ließen aus England und Italien Pläne kommen, Bücher mit dickem, glänzendem Papier. Man würde nicht glauben, wie reichhaltig die Grabgewölbe-Fachliteratur ist. Denn einfach so mir nichts, dir nichts sterben und begraben werden, das kann jeder. Aber eben, die Herren leben anders und sterben anders. Und so wählten wir mit Hilfe der Fachleute ein Modell aus und ließen ein wunderschönes, luftiges, geräumiges, trockenes Grabgewölbe mit Kuppel bauen. Ich weinte, als ich es zum erstenmal von innen sah, denn ich mußte einen Augenblick an die Grube in der Nyírség denken. Na, in dem Gewölbe war mehr Platz. Vorsichtshalber hatte man den Raum für sechs
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