Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
ist die Ehe? Eine Stimmung? Ein Einfall? … Sie ist ein Sakrament und das Gesetz des Lebens. Daran gibt es überhaupt nichts zu rütteln«, sagte sie ein bißchen gereizt.
Wir schwiegen lange. Ich beobachtete ihre knochigen Hände, ihre geschickten, schnellen Finger, das Muster, das sie strickte, ihr blasses, ruhiges, von weißem Haar umrahmtes Gesicht mit den glatten Zügen. Ich sah keine Spuren des Leidens. Wenn sie gelitten hat, dachte ich, so hat sie die schwerste menschliche Aufgabe bewältigt, sie ist nicht zusammengebrochen, sondern hat dieses schwierigste aller Examen ehrenvoll bestanden. Mehr kann ein Mensch vielleicht gar nicht erreichen. Daran gemessen hat alles andere, Sehnsucht, Verlangen, keine Bedeutung. So dachte ich weise. Aber in Wirklichkeit wußte ich, daß ich mich damit nicht abfinden konnte. Und sagte dann auch: »Ich will sein Unbehagen nicht. Wenn er mit mir nicht glücklich sein kann, soll er gehen und sich die andere suchen.«
»Wen?« fragte meine Schwiegermutter und prüfte sehr genau die Maschen der Strickarbeit, als gäbe es nichts Wichtigeres.
»Die Richtige«, sagte ich roh.
»Du weißt von ihr?« fragte meine Schwiegermutter leise und ohne mich anzublicken.
Siehst du, jetzt war ich wieder in Verlegenheit. Diesen beiden Menschen gegenüber, Mutter und Sohn, kam ich mir immer minderjährig vor, wie jemand, den man noch nicht in die Geheimnisse des Lebens einweiht.
»Von wem?« fragte ich begierig. »Von wem müßte ich wissen?«
»Na, eben von ihr«, sagte meine Schwiegermutter verunsichert. »Du hast es doch vorhin gesagt … Von der Richtigen.«
»Also gibt es die? Sie lebt irgendwo?« fragte ich sehr laut.
Meine Schwiegermutter beugte sich tief über das Strickzeug. Und sagte leise: »Irgendwo leben die Richtigen immer.«
Dann verstummte sie. Und ich hörte von alldem kein Wort mehr. Sie war wie ihr Sohn, auch an ihr war etwas Schicksalhaftes.
Doch vor Schreck war ich ein paar Tage nach diesem Gespräch wieder gesund. Im ersten Augenblick hatte ich meine Schwiegermutter gar nicht recht verstanden. Sie hatte ja so allgemein und symbolisch gesprochen, daß sich ein ernsthafter Verdacht nicht aufdrängte. Klar, die Richtigen leben immer irgendwo. Aber was ist mit mir? Wer bin ich dann? so fragte ich mich, als ich zur Besinnung kam. Wer ist die Richtige, wenn nicht ich? Wo lebt sie? Wie sieht sie aus? Ist sie jünger? Blond? … Was weiß sie? Plötzlich hatte ich furchtbare Angst.
Ich begann herumzuhasten, wurde rasch gesund, ging nach Hause, ließ mir Kleider machen, rannte zum Friseur, zum Tennis, zum Schwimmen. Zu Hause hatte ich alles in Ordnung vorgefunden – na ja, in der Art von Ordnung, als ob jemand ausgezogen wäre. Oder etwas, weißt du … das relative Glück, in dem ich während der vorangegangenen Jahre gelebt hatte und auch gelitten, gezittert, weil mir der Zustand unerträglich schien, und jetzt, da er vergangen war, jetzt wußte ich auf einmal, daß es das Beste gewesen war, was mir das Leben hatte bieten können. Alles in der Wohnung stand an seinem Platz, bloß war jedes Zimmer leer, wie nach dem Besuch des Pfändungsbeamten, der alle wertvolleren Stücke – sachte und taktvoll zwar – mitgenommen hatte. Eine Wohnung lebt ja nicht durch die Einrichtung, sondern durch das Gefühl, das die Bewohner erfüllt.
Mein Mann war in dieser Zeit schon so weit von mir entfernt, als wäre er ins Ausland verreist. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn eines Tages aus dem Nebenzimmer ein Brief von ihm gekommen wäre.
Früher hatte er ganz vorsichtig, mehr oder weniger versuchsweise, mit mir über die Fabrik und über seine Pläne gesprochen und dann wie ein Examinator mit seitwärts geneigtem Kopf auf die Antwort gewartet. Jetzt sprach er nicht mehr von seinen Plänen; er schien überhaupt keine Pläne mehr zu haben. Auch Lázár wurde nicht mehr eingeladen, es verging eine lange Zeit, ohne daß wir ihn sahen; wir lasen nur seine Bücher und Artikel.
Eines Tages – ich erinnere mich genau, es war ein Aprilmorgen, der 14. April, ein Sonntag – saß ich auf der Veranda, vor mir der zaghaft frühlingshafte Garten mit Löwenzahn und Beeten mit gelben Blumen. Ich las ein Buch und hatte das Gefühl, mit mir passiere etwas. Bitte, lach mich ruhig aus. Ich will mich nicht als Jeanne d’Arc aufspielen. Ich hatte keine Erleuchtung. Aber eine Stimme, stark und deutlich, sagte zu mir, so könne man in der Tat nicht weitermachen, nichts habe mehr einen Sinn, der Zustand
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