Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
respektvollem Aberglauben ausweichen, sowohl das Volk als auch die Behörden, denn in ihrem Blick ist etwas, mit dem nicht zu spaßen ist, auf ihrer Stirn ist ein Zeichen, ihre Aufgabe ist so gradlinig wie gefährlich, und jetzt ruhen sie nicht mehr, bis sie damit zu Ende sind. In einer solchen Stimmung, mit einer solchen Entschlossenheit erwartete ich meinen Mann an jenem Tag. Mit einem solchen Gefühl begrüßte ich ihn, als er von seinem Sonntagsspaziergang nach Hause kam.
Er war mit dem Hund im Hűvösvölgy gewesen, mit dem semmelfarbenen Vizsla, seinem Liebling, den er auf jeden Spaziergang mitnahm. Sie traten durch das Gartentor, und ich stand auf der Veranda, reglos und mit verschränkten Armen. Es war Frühling, große Helligkeit, der Wind fuhr durch die Bäume und zerrte an meinem Haar. Ich werde den Augenblick nie vergessen: die kalte Helle ringsum, über der Gegend, über dem Garten und auch in mir drin, wie in einer Besessenen.
Sie blieben stehen, Herr und Hund, beide unwillkürlich aufmerksam, so wie man vor Naturerscheinungen instinktiv und verteidigungsbereit stehenbleibt, um gespannt hinzublicken. »Kommt nur«, dachte ich ruhig. »Kommt alle, ihr fremden Frauen, Freunde, Kindheitserinnerungen, Familienmitglieder und die ganze feindliche Menschenwelt, kommt nur. Ich werde euch diesen Mann wegnehmen.« In dieser Stimmung setzten wir uns zum Mittagessen.
Nach dem Essen hatte ich Kopfschmerzen. Ich legte mich hin und blieb bis zum Abend in meinem verdunkelten Zimmer.
Ich kann nicht schreiben wie Lázár, und deshalb vermag ich dir nicht zu erzählen, was an dem Nachmittag in mir vorging, was für Gedanken mich bestürmten … Ich sah einfach die Aufgabe vor mir und wußte, daß ich nicht schwach werden durfte, daß ich erledigen mußte, was ich auf mich genommen hatte. Und ich wußte auch, daß es niemanden gab, der mir helfen konnte, und daß ich keine Ahnung hatte, wie das Ganze anzufangen war … verstehst du? Es gab Augenblicke, in denen ich mir lächerlich vorkam, da ich eine so schwere Aufgabe übernommen hatte.
Wie soll ich anfangen? So fragte ich mich hundertmal, tausendmal. Ich konnte ja nicht gut an die Zeitschriften schreiben und unter dem Kennwort »Enttäuschte Frau« um Rat und Wegleitung bitten. Man kennt ja diese Leserbriefe mitsamt den Antworten, wie sie zwischen den redaktionellen Meldungen stehen und die enttäuschte Frau ermutigen, nicht zu verzagen, ihr Mann sei wahrscheinlich überarbeitet, sie solle sich mehr dem Haushalt widmen und nachts die oder jene Creme und Puder auftragen, dann werde ihre Haut jugendlich frisch, und ihr Mann werde sich wieder in sie verlieben. Nun ja. So einfach war die Sache nicht. Mir nützten keine Cremes und kein Puder. Außerdem war mein Haushalt in bestem Zustand, alles so, wie es sich gehört. Und schön war ich damals auch noch, vielleicht nie so schön wie in jenem Jahr. Du Gans, dachte ich. Du bist eine Gans, daß du an so etwas denkst. Es ging um anderes.
An Wahrsagerinnen konnte ich mich auch nicht wenden, konnte keine Briefe an berühmte Schriftsteller schreiben, durfte ebensowenig mit Freundinnen und Familienmitgliedern diese ewige, abgedroschene und für mich dennoch schicksalhafte Frage erörtern, wie ein Mann zu erobern sei … Bis zum Abend waren meine Kopfschmerzen zu einer regelrechten Migräne geworden. Doch ich sagte meinem Mann nichts davon, nahm zwei Pulver, und wir gingen ins Theater und dann zum Abendessen.
Am nächsten Tag, am Montag, dem 15. April – du siehst, wie genau ich mich an diese Tage erinnere, so genau erinnert man sich sonst nur an eine lebensgefährliche Situation –, stand ich in aller Frühe auf und ging in die kleine Kirche, in der ich vielleicht zehn Jahre zuvor das letztemal gewesen war. Sonst ging ich immer in die Kirche des Krisztina-Stadtviertels, dort hatten wir auch geheiratet. Auch Graf István Széchényi hatte hier seiner Crescencia Seiler die ewige Treue geschworen. Falls du es nicht wissen solltest, so kann ich dir berichten, daß diese Ehe auch nicht besonders gut herausgekommen ist. Heißt es. Aber es wird so viel erzählt, ich glaube solches Zeug nicht mehr.
Die Kirche, im Tabán-Viertel, war an diesem Morgen ganz leer. Ich sagte dem Küster, ich wolle beichten. Dann wartete ich eine Weile, allein in einer Bank, in der dämmerigen Kirche. Nach einer Weile erschien ein mir unbekannter weißhaariger Priester mit ernstem Gesicht, setzte sich in den Beichtstuhl und winkte mich heran. Diesem
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