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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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was ich sagte, und irgendwie doch nicht widersprechen mochte.
    »Ist es nicht so?« fragte ich unruhig.
    »Ganz so ist es vielleicht nicht«, sagte sie vorsichtig, »ich glaube nicht, daß er dir böse ist. Besser gesagt, ich glaube nicht, daß du es bist, der er böse ist.«
    »Wem denn sonst?« fragte ich heftig. »Wer hat ihn gekränkt?«
    Jetzt blickte mich die kluge alte Frau sehr ernst an. »Schwierige Frage«, sagte sie, »schwierig, darauf zu antworten.«
    Sie legte seufzend die Strickarbeit beiseite. »Hat er dir nie von seiner Jugend erzählt?«
    »Doch«, sagte ich. »Manchmal schon. So auf seine Art … Mit dem komischen, nervösen Lachen, als schämte er sich, von etwas Persönlichem zu reden. Er hat von Menschen, von Freunden erzählt. Aber nie davon, daß ihn jemand gekränkt habe.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte meine Schwiegermutter beiläufig, fast gleichgültig. »Das kann man so nicht sagen. Kränken … das Leben kränkt einen auf verschiedenste Weise.«
    »Lázár«, sagte ich. »Der Schriftsteller … Kennen Sie ihn, Mama? Das ist vielleicht der einzige, der etwas von ihm weiß.«
    »Ja«, sagte meine Schwiegermutter. »Den hat er eine Zeitlang sehr gern gehabt. Lázár weiß etwas von ihm. Aber man kann nicht mit ihm reden. Er ist kein guter Mensch.«
    »Genau«, sagte ich, »das Gefühl habe ich auch.«
    Jetzt nahm sie das Strickzeug wieder auf. Sie sagte beiläufig und lächelnd: »Beruhige dich, mein Kind. Jetzt tut noch alles sehr weh. Doch dann kommt das Leben und ordnet auf wunderbare Weise all das neu, von dem du jetzt meinst, es sei unerträglich. Du kehrst nach Hause zurück, ihr macht eine Reise, anstelle des Kleinen kommt ein anderes …«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich, und die Verzweiflung drückte mir das Herz zusammen. »Ich habe so ein schlimmes Gefühl. Ich glaube, es ist etwas zu Ende. Bitte sagen Sie mir: Ist es so? Ist unsere Ehe eine richtig schlechte Ehe?«
    Sie runzelte die Stirn und schaute mich durch ihre Brille mit einem strengen Blick an. Und sagte sachlich: »Ich glaube nicht, daß eure Ehe eine schlechte Ehe ist.«
    »Seltsam«, sagte ich bitter. »Ich denke manchmal, es gebe gar keine schlechtere. Sie kennen doch bestimmt bessere Ehen, Mama.«
    »Bessere?« fragte sie verwundert und wandte den Kopf ab, als wollte sie in die Weite blicken. »Vielleicht. Ich weiß es nicht. Das wahre Glück redet nicht von sich. Schlechtere Ehen hingegen kenne ich ganz bestimmt. Zum Beispiel …«
    Sie verstummte. Als ob sie erschrocken wäre und bereut hätte, davon angefangen zu haben. Doch jetzt ließ ich sie nicht mehr los. Ich richtete mich im Liegestuhl auf, warf die Decke ab und sagte fordernd: »Zum Beispiel? …«
    »Nun ja«, sagte sie seufzend und begann wieder zu stricken. »Es ist mir nicht recht, davon zu reden. Aber wenn es dich tröstet, kann ich dir ja erzählen, daß meine Ehe schlechter war, denn ich liebte meinen Mann nicht.«
    Sie sagte das ganz ruhig, fast gleichgültig, wie es nur alte Leute vermögen, die schon Abschied nehmen, da sie den wahren Sinn der Wörter erkannt haben und nichts mehr fürchten und auch die menschlichen Konventionen nicht höher schätzen als die Wahrheit.
    Ich war verblüfft von dem Geständnis. »Das kann nicht sein«, sagte ich einfältig und verlegen. »Sie haben doch so schön gelebt miteinander.«
    »Wir haben nicht schlecht gelebt«, sagte sie trocken und strickte eifrig weiter. »Er hat mich geliebt. Es ist immer so: Der eine liebt mehr als der andere. Aber wer liebt, hat es leichter. Du liebst deinen Mann, und deshalb hast du es leichter, auch wenn du daran leidest. Ich hingegen mußte ein Gefühl ertragen, das mich innerlich überhaupt nicht berührte. Das ist viel schwerer. Ich habe es getan, ein Leben lang, und ich bin noch da, wie du siehst. Mehr gibt es nicht im Leben. Wer etwas anderes will, ist ein wahnwitziger Schwärmer. Das war ich nie. Du hingegen hast es besser, glaube mir. Ich beneide dich fast.«
    Sie blickte mich mit seitwärts geneigtem Kopf an: »Aber glaub nicht, daß ich gelitten habe. Ich habe gelebt, so wie alle anderen. Ich habe dir einfach geantwortet, weil du so fiebrig und unruhig bist. Jetzt weißt du es also. Du fragst, ob eure Ehe die schlechteste sei. Ich glaube nicht. Es ist eben eine Ehe«, sagte sie ruhig und streng, und es klang wie ein Urteil.
    »Also meinen Sie, wir sollen zusammenbleiben?« fragte ich angstvoll.
    »Natürlich«, sagte sie. »Was stellst du dir denn vor? … Was

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