Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Material zu einem Experiment, mit dem er intuitiv umging, so wie ein Chemiker mit gefährlichen Säuren und Flüssigkeiten, und daß er es darauf ankommen ließ, daß das Ganze eines Tages in die Luft flog? In seinem Blick, in diesem ungnädig sachlichen, gleichgültigen und doch auch überaus neugierigen Blick war ein kalter Strahl gewesen, als er mir gesagt hatte, ich solle in die Wohnung meiner Schwiegermutter gehen und am »Tatort« nach Péters Geheimnis forschen. Und doch wußte ich, daß er am Abend zuvor wahr geredet und nicht gespielt hatte. Ich wußte, daß ich in echter Gefahr schwebte … Siehst du, es gibt solche Tage, da man nicht gern aus der Wohnung geht. Wenn der Himmel, die Sterne, die ganze Umgebung zu einem reden, wenn alles sich auf einen selbst bezieht.
Nein, das violette Band und was dahintersteckte, ob in der Wohnung meiner Schweigermutter oder anderswo, das war Wirklichkeit.
Dann kam die Köchin in den Garten, reichte mir das Haushaltsbuch, wir rechneten ab und besprachen das Mittag- und das Abendessen.
Damals verdiente mein Mann sehr gut und gab mir das Geld unbesehen. Ich hatte ein Scheckbuch und konnte frei darüber verfügen. Natürlich achtete ich gerade jetzt sehr darauf, nur das Nötigste zu kaufen. Bloß ist dieses »Nötigste« ein so dehnbarer Begriff. Ich mußte mir eingestehen, daß für mich das »Nötigste« nunmehr Dinge waren, die mir ein paar Jahre vorher als unerreichbarer Luxus erschienen wären. Das teuerste Delikatessengeschäft der Innenstadt lieferte uns Fisch und Geflügel, was wir telephonisch bestellten. Auf den Markt ging ich schon seit Jahren nicht mehr, weder allein noch mit der Köchin. Ich wußte nicht genau, was das erste Frühlingsgemüse kostete, sondern verlangte einfach vom Personal, daß alles vom Besten sei. Mein Realitätssinn war in diesen Jahren durcheinandergeraten. Und während ich das Haushaltsbuch in den Händen hielt, in das die Köchin, die diebische Elster, natürlich hineinschrieb, was ihr gerade paßte, dachte ich zum erstenmal seit langer Zeit, daß alles, was mich jetzt bedrückte und erschütterte, vielleicht nur wegen der teuflischen Zaubermacht des Geldes für mich so wichtig geworden war. Ich dachte, vielleicht würde ich mich weniger um meinen Mann und mich und das violette Band kümmern, wenn ich arm wäre. Armut und Krankheit werten auf wundersame Art die Gefühle und die seelischen Verwicklungen um. Aber ich war eben nicht arm und auch nicht krank, nicht im hausärztlichen Sinn des Wortes.
Und so sagte ich zur Köchin: »Zum Abendessen bitte kaltes Huhn mit Mayonnaise. Aber nur aus dem Brustfleisch. Und dazu Kopfsalat.«
Und ich ging ins Haus, um mich anzuziehen und dann auf den Weg zu machen, in die Welt hinaus, auf die Suche nach der Frau mit dem violetten Band. Das war damals meine Aufgabe im Leben. Nicht daß ich sie mir ausgesucht hätte; ich gehorchte einem Befehl.
Ich ging auf der Straße, die Sonne schien, und ich hatte natürlich keine Ahnung, wohin ich unterwegs war und wen ich suchte. Ich mußte zu meiner Schwiegermutter, das war klar. Aber darüber hinaus zweifelte ich nicht daran, daß ich sie, die ich suchte, finden würde. Bloß wußte ich nicht, daß Lázár mit einem einzigen, nämlich mit seinem letzten Wort schon alles in die Wege geleitet hatte und daß ich mit dem ersten Griff dieses Geheimnis aus dem Wirrwarr des Lebens herauslösen würde.
Und doch staunte ich nicht, als ich es entdeckte. »Entdeckte«, was heißt das schon … Auch ich war in jenen Tagen nur ein Instrument und eine Darstellerin des sich vollziehenden Schicksals. Wenn ich zurückdenke, schwindelt es mir, und ich fühle tiefe Demut, denn es herrschte damals eine wundersame Ordnung, jede Einzelheit ergab sich rasch und exakt aus der vorangegangenen, alles paßte haargenau zueinander. Als ob jemand Regie geführt hätte, Schlag auf Schlag, unverständlich und doch beruhigend. Ja, in jenen Tagen lernte ich, wirklich zu glauben. Du weißt doch, wie die Kleinmütigen im Sturm auf dem Meer. Da erkannte ich, daß hinter dem Durcheinander der Welt eine innere Ordnung herrscht, eine vernünftige und wunderbare Ordnung wie in der Musik. Die Situation, die für uns drei das Schicksal bedeutete, war auf einmal reif geworden. Und alles, was darin enthalten war, stülpte sich auf einmal nach außen, zeigte sich wie die üppige Schönheit einer Pflanze mit giftiger Frucht. Ich brauchte nur zuzusehen.
Zwar meinte ich, die Handelnde zu sein. Ich stieg in
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