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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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elektrisierte mich mehr. Die Spannung des Vortags war erloschen. Überhaupt kam es mir so vor, als wäre nicht ich es gewesen, die im Wintergarten mit dem Schriftsteller zusammengesessen hatte. Das violette Band erschien mir jetzt wie ein Stück Gesellschaftsklatsch. Schließlich konnten andere das, was den Sinn und das Schicksal meines Lebens darstellte, beim Tee oder beim Abendessen auch so abhandeln: »Kennt ihr die XYs? … Ja, den Fabrikanten und seine Frau. Sie wohnen auf dem Rózsadomb. Keine gute Ehe. Die Frau hat erfahren, daß der Mann eine andere liebt. Stellt euch vor, sie hat in seiner Brieftasche ein violettes Band gefunden, und da ist alles an den Tag gekommen. Ja, sie sind in der Scheidung.« Auch so kann man über das reden, was mit mir, mit uns geschehen ist. Wie oft hatte ich in Gesellschaft solches gehört, mit halbem Ohr, ohne recht achtzugeben. Konnte es sein, daß auch wir zu einem Stück Gesellschaftsklatsch wurden, ich, mein Mann und die Frau mit dem violetten Band?
    Ich schloß die Augen, lehnte mich in der Sonne zurück, und wie eine Dorfschamanin versuchte ich, das Gesicht der Frau mit dem violetten Band herbeizubeschwören.
    Denn irgendwo gab es dieses Gesicht, in der Nachbarstraße oder im Weltall. Was wußte ich von ihr? Was kann man von einem Menschen wissen? Fünf Jahre hatte ich schon mit meinem Mann gelebt und gedacht, ihn durch und durch zu kennen, jede seiner Gewohnheiten, jede seiner Handbewegungen, wenn er vor dem Essen die Hände wusch, eilig und ohne in den Spiegel zu blicken, wenn er sich mit dem Kamm durchs Haar fuhr, wenn er verärgert und zerstreut lächelte und nicht sagte, was ihm in den Sinn gekommen war. Und noch vieles mehr, alles, die unheimliche und gewöhnliche, die rührende und deprimierende, die großartige und langweilige Vertrautheit mit dem Körper und der Seele eines Menschen. Das alles meinte ich zu kennen. Und eines Tages werde ich gewahr, daß ich nichts von ihm weiß. Ja, weniger weiß als Lázár, dieser fremde, enttäuschte und bittere Mensch, der Macht hat über die Seele meines Mannes. Was für eine Macht? Eine menschliche. Eine andere als meine weibliche. Stärker. Ich konnte mir das nicht erklären, sondern fühlte es nur, wenn ich die beiden zusammen sah. Doch dieser Mensch hatte am Vorabend auch gesagt, daß er diese Macht mit jener anderen Frau teilen mußte. Und ich konnte nicht anders, auch wenn in der Welt großartige und erschreckende Dinge geschahen, auch wenn es egoistisch war, auch wenn ich mir sagen mußte, daß mir der wahre Glaube und die echte Demut fehlten, auch wenn meine Sorgen, gemessen am Leid der Welt, am Schicksal von Nationen und Völkern, lächerlich waren, auch dann konnte ich nicht anders, als mich in dieser Stadt auf den Weg machen, kleinlich und selbstsüchtig, blind und besessen, um jene zu suchen, die mich persönlich anging, mit der ich etwas auszutragen hatte. Ich mußte sie sehen, ihre Stimme hören, in ihre Augen blicken, ihre Haut, ihre Stirn, ihre Hände betrachten. Lázár hatte gesagt – und wie ich mit geschlossenen Augen in der Sonne saß, hörte ich seine Stimme wieder, und ich spürte, daß mich die Stimmung des Abends, die Musik, das Schwindelerregende und Unwirkliche des Gesprächs jetzt wieder durchströmten –, daß diese Wirklichkeit gefährlich war, aber gleichzeitig auch viel alltäglicher und gewöhnlicher, als ich mir das vorstellte. Was mochte das für eine »gewöhnliche« Wirklichkeit sein? Was hatte er damit sagen wollen?
    Immerhin hatte er den Weg gewiesen, den ich nehmen mußte, hatte gesagt, wo ich suchen sollte. Ich beschloß, noch am Vormittag zu meiner Schwiegermutter zu gehen und ohne Umschweife mit ihr zu reden.
    Es wurde mir heiß. Wieder hatte ich das Gefühl, in einen schwülen Luftstrom getreten zu sein.
    Ich versuchte, diese seelische Hitze mit sachlichen Überlegungen abzukühlen. Denn mir schoß das Blut wieder so heiß in den Kopf wie in dem Augenblick, da ich – vor sehr langer Zeit, am Vortag um die gleiche Stunde – das innere Fach in der Brieftasche meines Mannes geöffnet hatte. Lázár hatte gesagt, ich solle nichts anrühren, sondern warten … Konnte es sein, daß ich Gespenster sah? Vielleicht hatte das Corpus delicti, das violette Band, doch keine so große Bedeutung. Oder vielleicht hatte Lázár wieder gespielt, eins seiner seltsamen, unverständlichen Spiele? Konnte es sein, daß für diesen Menschen das ganze Leben ein schreckliches, bizarres Spiel war,

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