Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
die Feuchtigkeit des Bodens und die Nährstoffe entziehen. Das ist ihr Gesetz und ihre Eigenheit. Sie sind nicht bösartig, sie sind einfach so. Mit den Bösen kann man streiten, vielleicht kann man sie versöhnen und in ihrer Seele auflösen, was sie leiden macht und wofür sie sich an anderen, am Leben rächen wollen. Das sind die Glücklicheren. Und dann sind da die anderen, die Lianenartigen, die nichts Böses wollen, bloß drücken sie mit tödlich unerbittlichem Durst ihre Umgebung an sich und saugen alle Kraft aus ihr heraus. Solche Menschen sind barbarisch, eine Naturgewalt. Unter Männern kommen sie selten vor. Die Kraft, die aus ihnen strömt, vernichtet auch widerstandsfähigere Seelen als so eine, wie Péter hat. Haben Sie das nicht gespürt, als Sie mit ihr sprachen? Als ob man mit dem Samum spräche oder mit einem Wildbach.«
»Ich habe bloß mit einer Frau gesprochen«, sagte ich seufzend. »Mit einer Frau, in der viel Kraft ist.«
»Ja, natürlich. Die Frauen haben ein anderes Gehör füreinander«, sagte er bereitwillig. »Ich meinerseits achte diese Kraft und fürchte sie. Und jetzt fangen Sie bitte an, Péter zu achten. Versuchen Sie, sich vorzustellen, welchen Widerstand er in diesen zehn Jahren aufbringen mußte, welche Kraft, um sich von dieser unsichtbaren Umklammerung loszureißen. Denn das ist eine, die alles will, wissen Sie. Die will nicht die Backstreet, nicht die Zweizimmer-Junggesellenwohnung in einer Nebenstraße, den Silberfuchs und die dreiwöchigen heimlichen Ferien mit dem Geliebten. Sie will das Ganze, denn sie ist keine Zweitfrau, sondern eine richtige. Haben Sie das nicht gespürt?«
»Ja«, sagte ich, »sie hungert es ihm lieber an.«
»Was tut sie?« fragte er überrascht.
»Sie hungert es ihm an«, sagte ich. »Sie selbst hat das gesagt. Es ist ein dummer, böser Aberglaube. Jemand hungert, bis er sein Ziel erreicht hat.«
»Das hat sie gesagt?« fragte er gedehnt. »Im Fernen Osten gibt es so etwas. Es ist eine Form der Willensübertragung.« Er lachte nervös und verdrossen. »Ja, eben. Judit Áldozó gehört zur gefährlicheren Sorte. Denn es gibt Frauen, die man in ein Luxusrestaurant ausführen kann, wo man mit ihnen Hummer ißt und Champagner trinkt; das sind die ungefährlichen. Und dann gibt es die anderen, die lieber hungern … Aber ich fürchte doch, daß Sie das alles unnötig wieder aufgerührt haben. Sie wurde schon allmählich müde. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen, vor Jahren einmal, und da hatte ich doch das Gefühl, die Konstellation über eurem Schicksal habe sich verändert, das Ganze sei bereits etwas abgestanden, nicht mehr so akut. Denn es gibt im Leben nicht nur Überschwemmungen und barbarische Kräfte. Es gibt auch noch anderes. Es gibt auch das Trägheitsgesetz. Respektieren Sie es.«
»Ich mag nichts respektieren«, sagte ich, »denn ich kann nicht so leben. Ich weiß nichts von Judit Áldozó, ich kann nicht beurteilen, was sie für meinen Mann bedeutet hat und was sie heute noch für ihn bedeutet, wie gefährlich sie ist. Ich vermag nicht zu glauben, daß es Leidenschaften gibt, die ein Leben lang in der Seele schwelen wie ein unterirdisches Feuer, ein Minenbrand. Mag sein, daß es das auch gibt; aber ich glaube, das Leben löscht solche Feuer aus. Meinen Sie nicht?«
»Doch, doch«, sagte er zu beflissen und blickte auf die glühende Spitze seiner Zigarette.
»Ich sehe, Sie glauben es nicht«, fuhr ich fort. »Kann ja sein, daß ich nicht recht habe. Vielleicht gibt es da und dort eine Leidenschaft, die stärker ist als das Leben und die Vernunft und die Zeit. Sie versengt und verbrennt alles? Vielleicht … Dann soll sie aber gewaltiger sein. Soll nicht nur schwelen, sondern ausbrechen. Ich möchte mein Heim nicht am Fuß des Stromboli errichten. Ich will Ruhe und Frieden. Deshalb ist mir auch gleichgültig, was geschehen ist. Mein Leben ist eine einzige Niederlage, völlig unerträglich. Auch in mir ist Kraft, auch ich kann warten und wollen, nicht bloß Judit Áldozó, auch wenn ich es niemandem anhungere, sondern kaltes Huhn mit Mayonnaise esse, dazu Salat … Dieses stumme Duell aber muß ein Ende haben. Sie waren einer der Sekundanten, deshalb wende ich mich an Sie. Glauben Sie, daß Péter noch immer an diese Frau gebunden ist?«
»Ja«, sagte er einfach.
»Dann ist er an mich nicht richtig gebunden«, sagte ich ruhig und laut. »Dann soll er etwas machen, sie heiraten oder sie nicht heiraten, mit ihr zugrunde gehen oder
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