Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
fieberhaft das Alte zerstören und etwas Neues aufbauen wollen, zum Wächter über die ungeschriebenen menschlichen Übereinkünfte werden, deren eigentlicher Sinn die höhere Ordnung und Harmonie der Welt ist. Ich lebe unter Wilderern, und ich bin der Wildhüter. Eine gefährliche Situation … Neue Welt!« sagte er mit so bitterer Verachtung, daß ich ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte. »Als ob die Menschen sich je erneuerten!«
»Deshalb haben Sie nicht erlaubt, daß Péter Judit Áldozó heiratete?«
»Natürlich nicht nur deshalb. Péter ist ein Bürger. Ein sehr wertvoller Bürger … wie es nur noch wenige gibt. Er bewahrt eine Kultur, die mir wichtig ist. Einmal hat er im Scherz gesagt, ich sei für ihn der Augenzeuge. Und ich habe geantwortet, im Scherz, aber vielleicht doch nicht nur im Scherz, daß ich auf ihn aufpassen müsse, aus geschäftlichen Gründen, ich müsse ihn mir bewahren, ihn, den Leser. Ich denke jetzt natürlich nicht an die Auflagen meiner Bücher, sondern an die paar Seelen, in denen noch die Verantwortung lebt, wie sie zu meiner Welt gehört. Für sie schreibe ich, sonst hat meine Arbeit nicht den geringsten Sinn. Péter ist einer der wenigen. Es sind ihrer nicht mehr viele, weder bei uns noch in der Welt draußen. Die anderen interessieren mich nicht. Doch das war nicht der wahre Grund, genauer gesagt: auch das nicht. Ich hatte einfach Angst um ihn, weil ich ihn gern hatte. Ich bin nicht jemand, der in Gefühlen schwelgt. Doch dieses Gefühl, die Freundschaft, ist viel feiner und verwickelter als die Liebe. Es ist das stärkste menschliche Gefühl. Und wirklich selbstlos. Die Frauen kennen es nicht.«
»Warum hatten Sie wegen dieser Frau Angst um ihn?« fragte ich hartnäckig. Ich gab auf jedes seiner Worte acht und hatte dabei das Gefühl, er weiche aus.
»Weil ich den Gefühlsheroismus nicht mag«, sagte er schließlich resigniert, als hätte er sich endlich damit abgefunden, daß die Wahrheit gesagt werden mußte. »Erstens sehe ich im Leben gern alles an seinem Platz. Aber ich hatte nicht nur wegen des Klassenunterschieds Angst um ihn. Die Frauen lernen schnell, sie vermögen in kürzester Zeit nachzuholen, was sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Ich zweifle nicht daran, daß diese Frau an Péters Seite die Lektion blitzschnell gelernt hätte und daß sie sich zum Beispiel gestern abend in dem herrschaftlichen Haus genauso einwandfrei benommen hätte wie Sie oder ich. Die Frauen stehen in bezug auf Geschmack und Benehmen meistens weit über den Männern ihrer Klasse. Aber Péter hätte sich trotzdem als Held gefühlt, von morgens bis abends als Held, der zu einer Situation steht, die zwar ganz menschlich und vor Gott und der Welt völlig legitim ist, zu der man aber doch stehen muß. Und dann war da noch anderes. Die Frau selbst. Diese Frau hätte Péter nie verziehen, daß er ein Bürger ist.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich unsicher.
»Aber ich weiß es«, sagte er streng. »Nur ist das alles für Ihr Eheproblem nicht von Belang. Denn hier ging es um das Schicksal eines Gefühls. Was war für Péter in diesem Gefühl? Was für eine Sehnsucht, was für Regungen … Ich weiß es nicht. Aber ich habe dieses Erdbeben in seinem gefährlichsten Augenblick gesehen. Alles in seiner Seele war in Bewegung geraten, die Klasse, zu der er gehörte, die Grundlagen, auf denen ein Leben und eine Lebensform standen. Diese Lebensform ist nicht nur Privatangelegenheit. Bricht ein solcher Mensch zusammen, der den Sinn einer Kultur bewahrt und manifestiert, so geht nicht nur er zugrunde, sondern mit ihm ein Stück der Welt, in der es sich zu leben lohnt. Ich habe mir diese Frau gut angesehen. Das Problem ist nicht, daß sie aus einer anderen Klasse stammt. Vielleicht ist es auch für die Welt ein glücklicher Vorgang, wenn die Kinder verschiedener Klassen im Strudel einer großen Leidenschaft ineinander verschmelzen. Nein, in der Frau war etwas, das ich sehr stark spürte und mit dem ich mich nicht aussöhnen konnte, etwas, dem ich Péter nicht ausliefern mochte. Ein irgendwie wahnwitziger Wille, eine barbarische Kraft. Haben Sie es nicht gespürt?«
Seine müden, schläfrigen Augen blitzen plötzlich auf, als er sich jetzt mir zuwandte. Er sagte unsicher und schien die Wörter zu suchen: »Es gibt Menschen, die mit einer urtümlichen Kraft aus ihrer Umgebung alles Lebensnotwendige absaugen, so wie gewisse Lianen im Dschungel in einem Umkreis von mehreren hundert Metern den Bäumen
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