Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
glücklich werden, aber er soll seine Ruhe finden. Ich jedenfalls will so ein Leben nicht. Ich habe dieser Frau geschworen, daß ich Péter nichts sage, und ich werde den Schwur halten. Aber ich werde nicht böse sein, wenn Sie einmal … bald einmal, in den nächsten Tagen … vorsichtig, oder auch nicht vorsichtig, mit ihm ein bißchen reden. Würden Sie das tun?«
»Wenn Sie es wünschen«, sagte er unwillig.
»Ich bitte sehr darum«, sagte ich, stand auf, zog mir die Handschuhe an. »Ich sehe, jetzt möchten Sie mich fragen, was aus mir wird. Ich will die Frage beantworten. Ich werde den Entscheid ertragen. Ich mag solche jahrzehntelangen stummen Dramen nicht, mit unsichtbaren Gegnern und einer blutleeren, bleichen Anspannung. Wenn schon Drama, dann laut, mit Schlägereien, mit Toten, mit Applaus und Pfiffen. Ich will wissen, wer ich in diesem Drama bin und was ich darin noch gelte. Wenn ich durchfalle, muß ich gehen. Dann komme, was wolle, aber das Schicksal von Judit Áldozó und Péter interessiert mich dann nicht mehr.«
»Das stimmt nicht«, sagte er ruhig.
»Doch«, sagte ich, »denn ich werde es tun. Wenn er zwölf Jahre lang nicht entscheiden konnte, dann will ich entscheiden, und zwar in viel kürzerer Zeit. Wenn er die Richtige nicht hat finden können, dann finde ich sie eben für ihn.«
»Wen, sagen Sie?« fragte er jetzt mit einem plötzlich aufblitzenden, heiteren Interesse. Während des ganzen Gesprächs hatte ich ihn so nicht gesehen. Als ob er etwas Überraschendes und Spaßhaftes gehört hätte. »Wen wollen Sie finden?«
»Ich habe es doch gesagt«, erwiderte ich ein bißchen verwirrt. »Was schauen Sie mich so ungläubig lächelnd an? Meine Schwiegermutter hat einmal gesagt, daß der oder die Richtige immer irgendwo lebt. Vielleicht ist Judit Áldozó die Richtige, vielleicht bin ich es, aber vielleicht ist es jemand anders. Dann will ich sie eben finden, an seiner Stelle.«
»Ja«, sagte er.
Er schaute auf den Teppich hinunter, wie jemand, der nicht streiten will.
Wortlos begleitete er mich zur Tür. Küßte mir die Hand, noch immer mit dem seltsamen Lächeln. Er öffnete die Tür mit einer langsamen Bewegung und verbeugte sich tief.
So, jetzt wollen wir aber zahlen, die machen Ernst mit dem Schließen. Fräulein, ich hatte zweimal Tee und zweimal Pistazieneis. Nein, Liebes, heute bist du mein Gast. Laß nur. Und hab auch kein Mitleid mit mir. Es ist zwar Monatsende, aber diese bescheidene Einladung wird mich nicht zugrunde richten. Ich habe ein unabhängiges und sorgloses Leben, meinen Unterhalt bekomme ich pünktlich zu Monatsanfang, und zwar einiges mehr, als ich brauche. Weißt du, mein Leben ist gar nicht so schlecht.
Bloß hat es keinen Sinn, denkst du das? … Das stimmt auch nicht. Es gibt so vieles im Leben. Vorhin, als ich durch die Innenstadt hierher unterwegs war, begann es auf einmal zu schneien. Das war so eine reine, echte Freude. Der erste Schnee … Früher habe ich mich nicht auf diese Art an der Welt freuen können. Ich hatte anderes zu tun, gab auf anderes acht. Ich gab auf einen Menschen acht und hatte keine Zeit, mich mit der Welt zu befassen. Dann habe ich den Menschen verloren und an seiner Stelle eine Welt bekommen. Ein schlechter Tausch, denkst du das? … Ich weiß nicht. Mag sein, daß du recht hast.
Ich habe nicht mehr viel zu erzählen. Den Rest kennst du ja. Ich habe mich scheiden lassen und lebe allein. Auch er lebte eine Zeitlang allein, dann hat er Judit Áldozó geheiratet. Aber das ist eine andere Geschichte.
Das alles ist natürlich nicht so rasch gegangen, wie ich es mir in Lázárs Wohnung vorgestellt hatte. Nach jenem Gespräch habe ich noch zwei Jahre mit meinem Mann gelebt. Offenbar geschieht im Leben alles nach dem Minutenzeiger eines unsichtbaren Uhrwerks: Man kann keinen Augenblick zu früh »entscheiden«, sondern erst dann, wenn die Dinge und Situationen von sich aus entschieden haben. Alles andere ist willkürlich, sinnlos, unmenschlich, vielleicht auch unmoralisch. Das Leben entscheidet, auf überraschende, wunderbare Art. Und dann ist alles ganz einfach und selbstverständlich.
Ich ging nach dem Besuch bei Lázár nach Hause und sagte meinem Mann nichts von Judit Áldozó. Der Arme, er wußte doch schon alles. Bloß das Wichtigste wußte er nicht. Und auch ich konnte es ihm nicht sagen, weil ich es selbst noch lange nicht wußte … Nur Lázár wußte es, und im Augenblick des Abschieds, als er so merkwürdig schwieg, dachte er
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