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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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verachtete ich doch ein bißchen, und ich warf sie taktvoll und höflich hinaus. Ich hatte das Gefühl, das zumindest sei ich der ersten schuldig. Und dann habe ich lange nachgedacht. Und mit der Zeit begann ich zu spüren, daß Ilonka gelogen hatte. Es stimmt nicht, daß es den Richtigen nicht gibt. Für sie war ich es gewesen, jener einzige. Ich selbst hatte nie eine gehabt, die so wichtig gewesen wäre, weder die erste noch die zweite, auch nicht die anderen. Aber damals wußte ich das noch nicht. Man lernt die Lektion entsetzlich langsam.
    So. Von der ersten weiß ich nichts mehr zu berichten.
    Es tut nicht mehr weh, und ich habe keine Schuldgefühle, wenn ich an sie denke. Ich weiß, daß wir sie ein bißchen umgebracht haben, ich, das Leben, der Zufall, die Tatsache, daß das Kind gestorben ist … Das alles hat sie ein wenig getötet. So tötet das Leben. Was man in der Zeitung liest, ist nur grobe Übertreibung, Stümperei. Und wenn das Leben etwas hervorbringt, so ist auch das etwas Kompliziertes. Und es arbeitet mit einem unglaublichen Verschleiß. Um die einzelnen Ilonkas kann es sich nicht kümmern, sondern immer nur um das Ganze, um alle Ilonkas, Judits, Péters zusammengenommen, denn es will mit allen zusammen etwas sagen und ausdrücken. Das ist eine wohlfeile Erkenntnis, aber es braucht lange, bis man sie gewonnen hat und sich mit ihr abfindet. Ich habe nachgedacht, und allmählich sind aus meinem Herzen die Gefühle und Affekte verflogen. Geblieben ist nur die Verantwortung. Von allem Erleben bleibt bei einem Mann schließlich immer das übrig. Wir bewegen uns zwischen Lebenden und Toten, und wir sind verantwortlich. Helfen können wir nicht. Aber ich wollte ja von der zweiten reden. Ja, von der, die vorhin hinausgegangen ist, zusammen mit dem untersetzten Herrn.
    Wer diese zweite war? … Na, mein Alter, das war keine Bürgerliche. Sondern eine Proletarierin. Eine richtig proletarische Frau.
    Ich soll erzählen? … Na gut. Paß auf. Ich will die Wahrheit sagen.
    Diese Frau ist Dienstmädchen gewesen. Sie war sechzehn, als ich sie kennenlernte. Sie diente bei uns als Mädchen für alles. Ich will dich nicht mit Jugendlieben langweilen. Aber ich erzähle dir, wie es anfing und wie es endete. Was dazwischen war, sehe ich selbst vielleicht noch nicht ganz klar.
    Es fing damit an, daß bei uns zu Hause niemand den anderen zu lieben wagte. Meine Mutter und mein Vater lebten in einer »idealen« Ehe, also in einer gräßlichen. Nie ein lautes Wort. Lieber, worauf hättest du Lust? Meine Teure, was kann ich für dich tun? So haben sie gelebt. Vielleicht nicht einmal schlecht. Jedenfalls nicht gut. Vater war stolz und eitel. Mutter war eine Bürgerliche, im wahrsten Sinn des Wortes. Verantwortungsgefühl und Zurückhaltung. Sie lebten und starben, sie liebten sich und gebaren und erzogen mich, als wären sie die Zelebranten eines überpersönlichen Rituals. Alles bei uns war ein Ritual, das Frühstück und das Abendessen, das Gesellschaftsleben, der Kontakt zwischen Kindern und Eltern, und ich glaube, auch die Liebe zwischen den beiden, oder was man so nennt, auch das war etwas unpersönlich Rituelles. Als müßten sie fortwährend über etwas Rechenschaft ablegen. Wir lebten nach genau bemessenen Plänen. Neuerdings machen ja große Völker solche Vier- oder Fünfjahrespläne, zum Segen der Nation, Pläne, die sie dann auf Biegen und Brechen durchpeitschen, ob es den Staatsbürgern gefällt oder nicht. Denn es geht nicht darum, daß sich der einzelne wohl fühlt oder womöglich glücklich ist, sondern daß dank der Durchführung des Vier- oder Fünfjahresplans die große Gemeinschaft, das Volk oder die Nation, über die Runden kommt. Wir haben in der nahen Vergangenheit viele solcher Beispiele gesehen. Also, auch bei uns zu Hause haben wir so gelebt, und nicht bloß nach Vier- oder Fünfjahresplänen, sondern nach Vierzig- und Fünfzigjahresplänen, ohne Rücksicht auf unser persönliches Glück. Denn die Rituale, die Arbeit, die Ehe, der Tod, das alles hatte eine tiefere Bedeutung, nämlich die Erhaltung und Stärkung der Familie und der bürgerlichen Ordnung.
    Wenn ich meine Kindheitserinnerungen überdenke, sehe ich, daß alles unterlegt ist von diesem peinlichen, düsteren Zielbewußtsein. Wir verrichteten Zwangsarbeit, eine reiche, verfeinerte, unerbittliche und gefühllose Zwangsarbeit. Etwas mußte täglich aufs neue gerettet, mußte mit jeder Handlung bewiesen werden: daß wir eine Klasse sind. Die

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