Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
seinen Status hat, aber kein Geld, beschützt mit dem pedantischen Heldentum eines Kreuzritters die Ordnung, zu der er gehört, die bürgerlichen Regeln und Prinzipien. Nur der Kleinbürger ist förmlich. Er braucht das, denn er muß bis zu seinem Lebensende etwas beweisen.
Meine Frau wurde sorgfältig erzogen. Sie konnte Sprachen, kannte den Unterschied zwischen guter Musik und wohlfeiler Melodie, zwischen Literatur und den verlogenen, billigen Texten. Sie wußte, warum ein Bild von Botticelli schön ist und was Michelangelo mit der Pietà sagen wollte. Genauer besehen erfuhr sie das alles doch eher von mir, auf Reisen, aus Büchern und im vertrauten Gespräch. Von der Erziehung, die sie zu Hause und in der Schule bekommen hatte, war die Bildung nur als eine Art strenger Lektion übriggeblieben. Ich bemühte mich, das Krampfhafte dieser Lektion zu lockern, aus ihr ein lebendiges, warmes Erleben zu machen. Das war nicht einfach. Sie hatte ein hervorragendes Gehör, auch im übertragenen Sinn des Wortes; sie fühlte, daß ich sie erziehen wollte, und war gekränkt. Es gibt viele Arten, gekränkt zu sein. Du weißt ja, die kleinen Unterschiede … Der eine weiß etwas, weil er in glücklicheren Umständen geboren ist und Gelegenheit hatte, Einblick zu nehmen in das zarte Geheimnis, aus dem die echte Bildung besteht. Der andere hingegen hat bloß die Lektion gelernt. Das gibt es auch. Bis man das alles erfahren hat, vergeht das Leben.
Für den Kleinbürger, mein Lieber, ist Bildung und alles, was damit zusammenhängt, nicht Erlebnis, sondern Information. Und dann hat das Bürgertum auch noch eine obere Schicht, bestehend aus den Künstlern, aus den kreativ Schaffenden. Zu diesen habe ich gehört. Ich sage das nicht überheblich, sondern traurig. Denn am Ende habe ich nichts geschaffen. Etwas hat gefehlt … Was eigentlich? Lázár sagte, der Heilige Geist. Aber das hat er nie näher erklärt.
Was war das Problem mit der ersten Frau? Empfindlichkeit, Eitelkeit. Am Grund der menschlichen Miseren und Unglücksfälle findet man meistens das. Die Eitelkeit. Den Dünkel. Die Angst, weil man aus Eitelkeit das Geschenk der Liebe nicht anzunehmen wagt. Es braucht viel Mut, sich vorbehaltlos lieben zu lassen. Mut, wenn nicht sogar Heldentum. Die meisten Menschen vermögen Liebe weder zu geben noch zu nehmen, weil sie feig und eitel sind und Angst haben. Man schämt sich, wenn man Liebe gibt, und noch mehr schämt man sich, wenn man sich dem andern überläßt und das Geheimnis preisgibt. Das traurige Geheimnis, daß man Zärtlichkeit braucht, daß man ohne sie nicht leben kann. Ich glaube, das ist die Wahrheit. Jedenfalls habe ich das lange geglaubt. Jetzt behaupte ich es nicht mehr so unbedingt, weil ich gescheitert bin. In welcher Hinsicht gescheitert? Ich sage es doch, genau in dieser Hinsicht. Ich war nicht mutig genug für die Frau, die mich liebte, ich vermochte ihre Zärtlichkeit nicht entgegenzunehmen, ich schämte mich, ein bißchen sah ich auch auf sie hinunter, weil sie anders war, eine Kleinbürgerin, und einen anderen Geschmack, einen anderen Lebensrhythmus hatte. Und dann hatte ich Angst um mich, um meine Eitelkeit, hatte Angst, mich der edlen und komplizierten Erpressung auszuliefern, mit der man von mir Liebe forderte. Damals wußte ich noch nicht, was ich heute weiß … Ich wußte nicht, daß es im Leben nichts gibt, wofür man sich zu schämen braucht. Nur die Feigheit, die einen hindert, Gefühle zu geben oder anzunehmen, ist schmachvoll. Es ist fast eine Frage der Aufrichtigkeit. Und an sie glaube ich. In Schande kann man nicht leben.
Prosit. Ich mag diesen Wein, auch wenn er ein bißchen verschleiert süß ist. In letzter Zeit habe ich mir angewöhnt, abends eine Flasche aufzumachen. Bitte, hier hast du Feuer.
Kurz und gut, mit der ersten war das Problem unser unterschiedlicher Lebensrhythmus. Im Kleinbürger ist immer etwas Steifes, Verschrecktes, Gekünsteltes und Verstörtes, besonders wenn man ihn aus seinem Zuhause und seiner Umgebung herausholt. Ich kenne keine andere Klasse, deren Kinder mit einem solchen erschreckten Mißtrauen durch die Welt laufen. Von dieser Frau, der ersten, hätte ich vielleicht alles bekommen, was ein Mann von einer Frau bekommen kann, wenn sie in glücklicheren Umständen geboren wäre, ein Stufe tiefer oder höher, also freier. Weißt du, sie kannte alles und wußte alles. Sie wußte, welche Blumen im Herbst und im Frühling in die alte florentinische Vase gehörten, sie
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