Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
kleidete sich korrekt und maßvoll, in Gesellschaft machte sie mir nie Schande, sie sagte und antwortete genau so, wie es sich gehört, unser Haushalt war mustergültig, die Dienstboten verrichteten geräuschlos ihre Arbeit, denn meine Frau hatte sie dazu erzogen. Wir lebten wie in einem Anstandsbuch. Aber wir lebten auch im anderen Bereich unseres Lebens so, im echten Bereich, dem Urwald mit den Wasserfällen, wie es das andere Leben ist. Ich denke jetzt nicht nur ans Bett. Daran auch, natürlich. Auch das Bett ist Urwald und Wasserfall, Erinnerung an etwas Archaisches, Unbedingtes, an ein Erlebnis, dessen Inhalt und Sinn das Leben ist. Wenn das ausgedünnt und zu einem Park gemacht wird, bleibt etwas sehr Schönes, Gepflegtes und Schmuckes, bleiben angenehm duftende Blumen, pittoreske Baumgruppen, hübsche Büsche, plätschernde, schillernde Springbrunnen, doch mit Urwald und Wasserfall, dem uralten Ort unserer Sehnsucht, hat es ein Ende.
Es ist eine große Rolle, die der Bürgerlichkeit. Niemand zahlt wohl so viel für die Bildung wie der Bürger. Eine große Rolle, und wie für alle echten Heldenrollen ist der volle Preis zu entrichten. Er besteht aus dem Mut, den es für das Glück braucht. Für den Künstler ist Bildung ein Erlebnis. Für den Bürger ist Bildung das Wunder der Dressur. Davon war dort drüben natürlich nicht die Rede, in dem glücklichen, von verschiedensten Menschen und neuen Lebensformen brodelnden, sprudelnden Peru. Aber ich habe eben in Budapest gelebt, auf dem Rózsadomb. Man muß die Lebensbedingungen seines Himmelsstrichs in Betracht ziehen.
Dann ist vieles passiert, das ich nicht erzählen kann. Diese Frau lebt noch, allein. Manchmal sehe ich sie. Wir verabreden uns nicht, denn sie liebt mich noch immer. Weißt du, sie ist nicht die Art Frau, von der man sich scheiden läßt, und dann schickt man ihr pünktlich am Ersten das Unterhaltsgeld und zu Weihnachten und zum Geburtstag einen Pelzmantel oder Schmuck, und damit ist es abgetan. Sie liebt mich noch immer und wird wohl nie jemand anderen lieben. Sie ist mir auch nicht böse, denn wenn sich zwei Menschen wirklich geliebt haben, kann es zwischen ihnen keinen wirklichen Zorn geben. Wut, ja, oder Rachegelüste, aber Zorn, den zähen, berechnenden, lauernden Zorn … nein, das ist unmöglich. Sie lebt, und vielleicht wartet sie gar nicht mehr auf mich. Sie lebt und stirbt allmählich. Sie stirbt edel, fein und still, weil ihr Leben keinen neuen Inhalt bekommt, weil man nicht ohne das Gefühl leben kann, daß man auf der Welt gebraucht wird, von jemandem, der gerade dich und niemand anderen braucht. Das weiß sie wahrscheinlich nicht. Vielleicht meint sie, sie sei zur Ruhe gekommen. Einmal ist mir eine Frau über den Weg gelaufen, so ein Ballnachtabenteuer, eine Jugendfreundin meiner Frau, die vor nicht langer Zeit aus Amerika zurückgekommen war. Wir haben uns in einer Karnevalsnacht kennengelernt, und sie ist fast ohne Aufforderung mit mir in meine Wohnung gekommen. Gegen Morgen hat sie erzählt, daß Ilonka einmal von mir gesprochen habe. Du weißt ja, wie beflissen Freundinnen sind. Na, auch die hat alles erzählt. Sie erzählte, im Bett des Exmannes ihrer Freundin, am Morgen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, daß sie im Internat immer auf Ilonka eifersüchtig gewesen sei, sie erzählte, daß sie mich in einer Konditorei in der Innenstadt gesehen habe, daß sie dort mit meiner Frau gesessen habe, und auf einmal sei ich hereingekommen und habe kandierte Orangenschalen gekauft, für meine zweite Frau, und aus einer Brieftasche aus braunem Krokodilleder bezahlt. Diese Brieftasche hatte ich zum vierzigsten Geburtstag von meiner ersten Frau bekommen. Ich benutze sie nicht mehr, schau mich nicht mit einem so skeptischen Lächeln an. Also, dann haben die beiden Frauen, die erste und die Freundin, alles durchgeredet. Und die erste hat der Freundin ungefähr gesagt, sie habe mich sehr geliebt und sei fast gestorben, als wir uns scheiden ließen, aber dann habe sie sich beruhigt, weil sie gemerkt habe, daß ich nicht der Richtige gewesen sei, genauer, auch ich sei nicht der Richtige gewesen, oder wenn möglich noch genauer, es gebe den Richtigen gar nicht. So hat es die Freundin erzählt, am Morgen, in meinem Bett. Ich verachtete sie ein wenig, denn obwohl sie das alles wußte, hatte sie sich mir an den Hals geworfen. In Liebesangelegenheiten mache ich mir zwar keine Illusionen über die Solidarität unter Frauen, aber diese Freundin
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