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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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werden.
    Wo war ich? … Ja, das Geld.
    Du, warum schreiben die Schriftsteller so oberflächlich über das Geld? Immer schreiben sie vom Geistigen, vom Erhabenen, vom Schicksal, von der Gesellschaft, nur vom Geld reden sie nicht; es scheint ein nebensächliches Requisit zu sein, ein bedruckter Fetzen, den der Inspizient den Schauspielern in die Tasche steckt, wenn es die Handlung erfordert. In Wirklichkeit gibt es um das Geld viel mehr Spannungen, als man es sich eingesteht. Ich spreche jetzt nicht von »Reichtum« und »Armut«, also nicht von den theoretischen Begriffen, sondern vom Geld selbst, diesem alltäglichen, unendlich gefährlichen und merkwürdigen Stoff, diesem Etwas, das explosiver ist als Dynamit; von den achtzehn Pengő und den dreihundertfünfzig Pengő, die wir verdienen oder nicht verdienen, die wir uns oder anderen schenken oder verweigern … Davon reden die Schriftsteller nicht. Und doch bauen sich die großen Spannungen des Lebens um so klägliche Summen auf, die alltäglichen Intrigen, Machenschaften, der Verrat und die kleinen Heldentaten, Verzichte und Opfer werden über dreihundert Pengő zu Tragödien. Wenn nicht das Leben die Spannungen sonst irgendwie auflöst. Vom Reichtum spricht die Literatur wie von einer Art Verschwörung. Das ist er auch, im tieferen Sinn des Wortes. Doch innerhalb des Reichtums, innerhalb der Armut gibt es das Geld, die Beziehung der Menschen zum Geld, ihre Bestechlichkeit durch das Geld oder ihren heroischen Widerstand dagegen, aber nicht das angelegte Geld, sondern die kleinen Summen am Morgen und am Nachmittag und in der Nacht. Mein Vater war reich und ehrte also das Geld. Einen Pengő gab er ebenso bedachtsam aus wie hunderttausend. Einmal sagte er von jemandem, er könne ihn nicht achten, weil er über vierzig sei und kein Geld habe.
    Ich war betroffen von dieser Aussage. Ich fand sie herzlos und ungerecht.
    »Der Arme«, sagte ich, »er kann ja nichts dafür.«
    »Doch«, sagte mein Vater streng. »Er kann etwas dafür. Er ist weder invalid noch krank. Wer mit vierzig nicht so viel Geld hat, wie man es in seiner Lage ohne weiteres hätte verdienen können, der ist entweder feig oder faul oder ein Nichtsnutz. Ich kann einen solchen Menschen nicht achten.«
    Und ich, ich bin jetzt über fünfzig. Ich werde alt. Schlafe schlecht, liege die halben Nächte mit offenen Augen im Dunkeln, wie die Anfänger unter den Toten. Ich meine die Wirklichkeit zu kennen. Wozu soll ich mir etwas vormachen? Ich schulde niemandem mehr etwas. Nur mir schulde ich die Wahrheit. Ich glaube, mein Vater hat recht gehabt. Wenn man jung ist, versteht man so etwas nicht. Als ich jung war, schien mir mein Vater ein ungerechter, strenger Kapitalist, dessen Gott das Geld war und der die Menschen nach ihrer Fähigkeit zum Gelderwerb beurteilte. Ich verachtete diese Einstellung, hielt sie für kleinlich und unmenschlich. Dann ist die Zeit vergangen, und alles mußte gelernt werden, die Liebe, die Zuneigung, das Heldentum, die Feigheit, die Ehrlichkeit, alles, also auch das Verhältnis zum Geld. Und jetzt verstehe ich Vater und kann ihm das strenge Urteil nicht mehr übelnehmen. Ich verstehe, daß er auf die hinuntersah, die weder krank noch behindert sind und mit vierzig zu feig oder zu faul oder zu nichtsnutzig, um sich Geld zu beschaffen. Natürlich nicht viel Geld, denn dazu braucht es Glück oder große Schlauheit oder groben Egoismus oder den blinden Zufall. Aber das Geld, das sich ein Mensch nach seinen Kräften, nach den Möglichkeiten seiner Lebensumstände erwerben kann; dieses Geld lassen sich nur die entgehen, die irgendwie schwach oder feig sind. Ich mag die sentimentalen Schöngeister nicht, die bei solcher Gelegenheit auf die grausame, selbstsüchtige Welt hinweisen, die es ihnen versagt hat, an ihrem Lebensabend in einem schmucken kleinen Häuschen zu wohnen, ihren Garten zu gießen und sommers bei Sonnenuntergang in Pantoffeln und Strohhut darin zu wandeln, wie es dem friedlichen, zufriedenen Kleinsparer gebührt, der am Ende seines tätigen Lebens auf den Lorbeeren des Schaffens und Mehrens ausruht. Die Welt ist immer zu allen grausam. Was sie gibt, nimmt sie sofort oder später wieder zurück, sie probiert es jedenfalls. Das Heldentum besteht in diesem Kampf, mit dem man die eigenen Interessen oder die seiner Angehörigen verteidigt. Ich mag die Wehleidigen nicht, die den anderen die Schuld geben, den bösen, gierigen Geldmenschen, den grausamen Unternehmern, dem harten

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